Der Storch ist der Star – doch hier landen auch andere Vögel

  15.07.2020 Möhlin, Natur

Der Storch ist der Star – doch hier landen auch andere Vögel
Schallmauer: In Möhlin wurde der 1000. Jungstorch beringt

Normalerweise ist’s ein publikumswirksamer Anlass. In diesem Jahr fand wegen Corona die Beringung der Möhliner Störche allerdings im kleinen Rahmen statt. Als der Leiter der Storchenstation davon erzählt, geht es gerade rund.

Ronny Wittenwiler

Alles ist ein bisschen anders in diesem Jahr; ausgerechnet in diesem Jahr. Im September hätte ein grosses Fest in der Storchenstation stattfinden sollen, doch auch die Verantwortlichen für den Grossanlass um OK-Präsident Martin Hohermuth mussten wegen Corona Federn lassen. Das Jubiläumsfest zum 50-jährigen Bestehen der Storchenstation findet nicht statt. Lamentieren bringt nichts und doch wäre es im doppelten Sinne eine Punktlandung gewesen: Exakt im fünfzigsten Jahr der Station konnte der 1000. Möhliner Jungstorch beringt werden, seit im Jahr 1970 ein paar Visionäre sich hier aufmachten, ihren Beitrag zur Wiederansiedlung in der Schweiz zu leisten. Fliegende Störche – vor allem am Himmel im unteren Fricktal – sind längst ein gewohntes Bild.

Man klappert auch französisch
«Der Bestand in der Schweiz ist mittlerweile stabil», bestätigt denn auch Bruno Gardelli, Leiter der Storchenstation Möhlin. Die Beringung junger Störche wird dennoch fortgesetzt. Es ist eine Art Monitoring, das vor allem Freude bereitet: «Es ist schön zu erkennen, wenn ein Storch nach ein paar Jahren wieder hierher zurückkommt und wir so sehen dürfen, dass er noch am Leben ist.» Dass in der Storchenstation aber längst nicht nur Möhliner angeflattert kommen, macht Gardelli ebenso deutlich: «Auch ein Franzose hat hier in Möhlin mitgebrütet. Wir haben ihn am Ring erkannt.»

Die Storchenstation wird zur Notfallstation
Die Beringung der Jungstörche 2020 ist weitgehend beendet, das Jubiläumsfest fällt aus. Klingt nach einem ruhigen Sommer – doch weit gefehlt. Als Gardelli an diesem Freitagmorgen von der Beringung und dem abgesagten Jubiläumsfest erzählt, kommen die Patienten gleich im Akkord vorbei. «Ein bisschen wird die Storchenstation jetzt wieder zur Notfallaufnahme», sagt Gardelli. Gleich drei verletzte oder geschwächte Jungvögel werden in nur einer Stunde hierhergebracht – von drei verschiedenen Personen. «Die Leute bringen uns Vögel, die aus dem Nest gefallen sind. Auch solche, die von einer Katze erwischt worden sind.» Im Moment ist gerade Hochsaison. Amseln, Tauben, Spatzen, Rotschwänzchen oder Blaumeise, Kleiber und gar Spechte – alle Vögel sind schon da gewesen. «Zuletzt haben wir mehrere Turmfalken erhalten, die aus dem Nest gefallen sind.» Bei Gardelli sind es gemischte Gefühle, die mitspielen. «In gewissen Situationen wäre den Vögeln mehr geholfen, wenn der Mensch nicht eingreift. Aber um zu sehen, ob ein Vogel wirklich krank ist oder nicht, dafür fehlt manchmal die Kenntnis.» Gerade deshalb sagt Gardelli auch: «Wir sind niemandem böse, der uns einen jungen Vogel vorbeibringt.»

Vögel, die hiergebracht werden, aber wider besseres Wissen dennoch gesund seien, lasse man wieder frei, sagt Gardelli. Um die kranken oder verletzten Exemplare kümmern sich die Pfleger und versuchen, diese nach Möglichkeit aufzupäppeln. Illusionen gibt sich Gardelli keinen her. «Viele der jungen Vögel sind Katzenopfer. Oft sterben sie zwei Tage später an einer Infektion wegen des Speichels durch den Biss der Katze.»

Wie Gardelli davon erzählt, klingelt bereits wieder das Telefon. Am anderen Ende eine Person, die nach dem Wohlbefinden «ihres» Patienten fragt. «Die Leute erkundigen sich häufig, nachdem sie einen verletzten oder kranken Vogel zu uns gebracht haben», sagt Gardelli.

«Das fällt mir jedes Mal schwer»
Die Storchenstation Möhlin, 50 Jahre alt, längst nicht mehr nur ein Ort von und für Störche – sie ist an diesem Freitagmorgen ein regelrechtes Bienenhaus. Dabei wäre es in dieser Geschichte zuerst um etwas anderes gegangen: Davon, dass mit der 1000. Beringung eines Jungstorchs im Jubiläumsjahr ein besonderer Meilenstein erreicht wurde. Der Verein Natur- und Vogelschutz Möhlin hat seit 1970 dem Storch in der Schweiz massgebend Leben eingehaucht. Trix Hahn ist an diesem Freitagmorgen ebenfalls zugegen. Die ehrenamtliche Pflegerin hat derzeit eine Singdrossel, Spatzen, drei Amseln und einen Star als Pf leglinge bei sich zuhause in der Voliere oder im Brutkasten und versucht, sie alle wieder aufzupäppeln. «Wenn sie nicht mehr wildbahntauglich werden, müssen wir sie jeweils beim Tierarzt einschläfern lassen.» Eine ganz normale Sache? «Nein», sagt Trix Hahn. «Das fällt mir jedes Mal schwer. Daran gewöhnt man sich nie.»


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