«Hier kann ein Pferd einfach Pferd bleiben, fast wie auf Island»

  01.07.2020 Kaisten, Persönlich

Lea Sigmarsson liebt das Leben auf ihrem Islandpferdehof

Auf dem Heuberg oberhalb von Kaisten herrscht isländisches Ambiente. Lea Sigmarsson und ihre Familie betreiben hier, etwas abseits der realen Welt, einen Islandpferdehof.

Birke Luu

Lea Sigmarsson liebt Isländer – einer davon ist ihr Mann, alle anderen sind jedoch Pferde. Zusammen leben sie ganz oben auf dem Heuberg, wohin man von Kaisten aus nach einer längeren, kurvenreichen Fahrt kommt. Ob Regen oder Sonnenschein, hier fühlt man sich als Besucher wie etwas von der normalen Welt entrückt. «Das stimmt! Für uns ist das ein herrlicher Kraftort», bestätigt Lea Sigmarsson mit strahlenden Augen. Seit zehn Jahren betreibt die Schweizerin hier mit ihrem Mann und ihren Eltern einen Islandpferdehof. Und dies zumindest zahlenmässig erfolgreich, denn von anfänglich zwölf Pferden stieg deren Anzahl auf inzwischen über 70 Tiere. «Die vermehren sich gut hier», lacht sie. Ganz so wild wie auf Island sei es zwar nicht, aber doch ab vom Schuss, windig, mit Aussicht und viel Weideland drumherum.

Vom Virus der Isländer gepackt
Die Liebe zu den Islandpferden wurde Lea Sigmarsson bereits in die Wiege gelegt. Von ihrem Onkel, der diese sogenannten «Kleinpferde» fürs Kinderreiten angeschafft hatte, liess sich ihr Vater 1971 vom Isländer-Virus anstecken. So wuchs die Pferdenärrin in Lenzburg mit Kühen und Isländern auf und das Reiten wurde ihr wichtigstes Hobby. Dennoch wollte sie es nicht zum Beruf machen, lernte und arbeitete als Arzthelferin, zog nach Zuzgen und bekam zwei Kinder.

Vor zehn Jahren dann der Sinneswandel. Sie hatte zum zweiten Mal geheiratet, und zwar besagten Isländer, der Hufschmid und Bereiter war und zudem mit Islandpferden handelte. Gemeinsam übernahmen sie den gepachteten Hof ihrer Eltern und wandelten ihn in den heutigen reinen Isländerhof um. Während sie erzählt, spricht die 46-Jährige nie von «Islandponys». «Diese Bezeichnung ist falsch. Pony tönt zwar herzig und die Isländer sind auch umgänglich und lieb, aber sie besitzen viel Temperament und sind wegen ihrer fünf Gangarten nicht so einfach zu Reiten», erklärt sie. Früher seien diese Kleinpferde oft nicht ernst genommen worden und ihr Vater hätte sich Sprüche wie «Wenn du gross bist, kaufst du dir dann ein richtiges Pferd» anhören müssen. Inzwischen aber hätten sie sich stärker etabliert. Ihre geringere Grösse wie auch ihr freundlicher, ausgeglichener Charakter würde von vielen geschätzt, zudem seien sie sehr robust. Und dann ist da auch noch diese Sache mit den zusätzlichen Gangarten «Pass» und «Tölt». «Isländer sind Fünf-Gang-Pferde, was sie sehr interessant zum Reiten macht», schwärmt die Expertin.

Mehrere Standbeine
Mit ihren Vierbeinern haben sich die Sigmarssons gleich mehrere Standbeine aufgebaut. Als feste Einnahmequelle nehmen sie fremde Isländer in Pension. Weiterhin importieren sie Pferde und sind bestrebt, «das richtige Ross an den passenden Reiter» zu verkaufen. So fliegen sie mehrmals pro Jahr nach Island und kommen von dieser «Shoppingtour» jeweils mit ungefähr zwei bis drei neuen Tieren zurück. Sie züchten aber auch selbst, reiten die Pferde ein und kümmern sich um Gangfehler fremder Isländer. Ach ja, und Turnierpferde haben sie ebenfalls noch, mit denen sie immer mal wieder an Wettbewerben teilnehmen. Allerdings sei das finanziell eher ein Minusgeschäft, aber sie wollten eben sehen, wo sie mit ihren Pferden stünden, und etwas Werbung und Bekanntheitssteigerung sei wichtig. Was sie hingegen von anderen Pferdehöfen unterscheide, sei, dass sie keine Reitschule und keine Reitausbildung anbieten würden. «Wir machen einfach das, was uns Spass macht, und haben mit dem Beritt, der Ausbildung, den Verkaufs- und Turnierpferden genügend zu tun», erzählt Lea Sigmarsson.

Isländische Einflüsse
Das Leben und Arbeiten auf dem Isländerhof hat irgendwie auch mit einer speziellen Lebensphilosophie zu tun. «Wir sind hier extrem flexibel und nehmen die Tage wie sie kommen.» Die Pferde würden sie Flexibilität lehren, das Nicht-nach-Plan-Schaffen – was übrigens auch für die Menschen auf Island gelte, da sich diese dort alle paar Minuten wegen des wechselhaften Wetters umorientieren müssen. Und so sei jeder Tag auf dem Isländerhof anders, jeder wieder aufs Neue spannend und schön. Selbst die Corona-Zeit erlebten die Bewohner des Heuberghofs als eigentlich schöne Zeit, da sie weiterhin bei ihren Pferden sein und in noch mehr Ruhe ihr Pferdeleben ausleben konnten.

Als weiterer isländischer Einfluss fallen die speziellen Namen der Pferde auf. «Die isländischen Namen haben alle eine Bedeutung», erklärt Lea Sigmarsson und fügt hinzu, dass sie hier wie auf Island einen Namen erst nach der Geburt suchen würden, da man erst das Tier bzw. den Menschen kennenlernen müsse. Selbst spreche sie nur wenig Isländisch, verstehe aber einiges, da es eigentlich keine schwierige Sprache sei, sondern wunderschön und so melodiös und voller Reime.

Bei all dem Schönen ist es ein krasser Bruch, über die schlechten Tage zu reden. Schlechte Tage, das seien die, an denen man ein Ross wegen seines Alters erlösen müsse. Doch letzten November habe es sogar rabenschwarze Tage gegeben (die NFZ berichtete). Innerhalb einiger Tage seien ihnen sieben Pferde verstorben – an einer geplanten Vergiftung, wie man inzwischen wisse. Restlos habe die Polizei die Tat nicht auf klären können und auch keinen Täter gefunden, «aber da die anderen Pferde uns brauchten, war es gut, schnell wieder dem Alltag nachzugehen.» Doch ein harter Schlag war es schon – ihr Mann habe sein wichtigstes Turnierpferd verloren und die vier überlebenden Tiere seien charakterlich nicht mehr die gleichen.

Doch trotz dieser tragischen Erlebnisse weiss Lea Sigmarsson ihr Leben an der Seite all ihrer Isländer, menschlicher wie tierischer, zu schätzen. «Wir haben ein unglaublich schönes Los hier oben», schwärmt sie. Und ihre weiteren Ziele? «Einfach glücklich sein!» Was das genau sei, müsse man zwar immer wieder neu definieren, mal mehr, mal weniger arbeiten, aber insgesamt gehe es darum, das zu tun, was man liebe und einem Freude bereite.

www.islandpferdehof-heuberg.ch


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote