Die Enten und ich

  23.06.2020 Kolumne

Also meine erste Entenerfahrung war die mit einer Entenfamilie… den Disney Ducks – diese von Carl Barks geschaffene Familie hatte es mir angetan. Vor allem Donald (nicht zu verwechseln mit irgendwelchen Präsidenten) Mit ihm konnte ich mich identifizieren – ja er war ein bisschen wie ich, chaotisch, permanent in finanziellen Bedrängnissen und nicht zuletzt recht cholerisch.

Dumm nur, dass ich die Micky Maus Hefte nur sehr selten von meinen Eltern geschenkt bekam; meistens vor längeren Reisen mit der Eisenbahn, vermutlich weil sie wussten, dass sie so für mindestens eine Stunde Ruhe vor mir hatten.

Dass ich so selten zu den beliebten Disney-Heftli kam war zwar dumm – aber richtig gemein war, dass darin immer dreiteilige Fortsetzungsgeschichten geschrieben waren – die Leute von Disney wussten schon damals, was gutes Marketing war. Und so war es immer meiner Fantasie überlassen, mir vorzustellen, was vor oder nachher in dieser Geschichte geschah oder geschehen würde; mit etwas Glück erwischte ich den dritten und letzten Teil – so wusste ich wenigstens, wie die Geschichte, deren erste zwei Drittel ich nicht kannte, ausging.

Als ich dann als junger Erwachsener jeweils mit dem Tram zu meiner Lehrstelle oder in den KV fuhr, kam eine weitere Entenpassion auf mich zu – das Tram fuhr nämlich an den Schaufenstern der Garage Schlotterbeck zwischen Zolli-Viadukt und Bahnhof SBB vorbei, und diese Ente war genau dort ausgestellt. Es war übrigens eine französische Entenart, ich glaube sie gehörte zu der Gattung der Schaukel-Enten (Döschwo). Und irgendwann, nachdem ich mit einigen Dellen das Auto meines Vaters «geschmückt» hatte, war es dann soweit. «Der soll sein eigenes Auto fahren und unseres ganz lassen» – dies war die Entscheidung meines Vaters – und so wurde ich zum Besitzer einer Vorführ-Schaukel-Ente von Schlotterbeck. Damit fuhr ich dann – wenn mein Lehrlingslohn dies erlaubte, gerne zu zweit («chercher la femme…»), mit der Ente ins Elsass «pour aller manger». Und das war meine dritte Begegnung mit Enten – mein Auto war so undefinierbar grau-beige – aber diese elsässischen Enten vermutete ich, waren orange, mindestes stand es so auf einer Menükarte «Canard à l’Orange». Die Farbe des servierten Vogels war dann zwar etwas bräunlich, aber die Liebe zu dieser Art von Ente hat dies keinerlei Abbruch getan.

Ja und nun – am Rhein lebend – die Zeiten des «Döschwos» und der «Canards à l’Orange» habe ich schon lange hinter mir gelassen – dies alles hat den Raum zu einer ganz anderen Enten-Liebe geöffnet. Von meiner Wohnung aus kann ich diese wunderschönen Tiere beobachten – was in der Zeit des «bleiben Sie zuhause!» eine wunderbare Ablenkung war. Sie schwimmen, tauchen und lassen ihren Frühlingsgefühlen freien Lauf. Diese herrlichen Tiere müssen meine Liebe bemerkt haben; letzte Woche suchte eine verletzte Entenmama den Schutz genau auf unserer Terrasse – es war sofort zu erkennen: sie hatte ein gebrochenes Bein.

Mein Beschützerinstinkt war natürlich sofort hellwach: da hatte ich doch mal gelesen, dass man bei verletzten Tieren nicht selber eingreifen solle, sondern die regionale Polizeistation informieren…. Was dann passierte, erinnerte mich an einen herrlichen Sketch vom Kabarettisten César Keiser aus den 70ern: «Kuenz bi Fründe in Bünze bi Boswil» eine Odyssee an einem geschätzten Dutzend von Telefonaten führte ganz am Schluss zu der Anweisung der Behörden, die Ente sorgfältig einzufangen und sie am Ufer ins Rheinwasser zu setzen. Erstens dürfe man Enten in der Brutzeit nicht einschläfern und zweitens würde das gebrochene Bein im Wasser wieder von selber zusammenwachsen – vielleicht etwas schief, aber eine Ente ist ja ein Flug- und kein Spazier-Tier. Diese tiefverwurzelte Liebe zu den Enten liess nur eines zu: wir nehmen unsere cashmereweiche Burberry-Picknick-Decke – sie ist gerade gut genug, um dieses wunderbare Geschöpf so sanft wie möglich ins Wasser zu transferieren. Also meine Frau von links, ich von rechts, gingen auf die verletzte Ente zu, und dann passierte es, ich weiss nicht, ob sie durch das Burberry-Karo der Decke oder durch uns Menschen Angst bekam – jedenfalls schaute sie uns ungläubig an, erhob sich auf das gesunde Bein und flog schnatternd über das Terrassengeländer runter in den Rhein – dort wurde sie bereits ungeduldig von ihrem Gatten und sechs kleinen Mini-Entlein empfangen – ich glaube dem Entenvater angesehen zu haben, wie sehr er erleichtert war, die Verantwortung wieder abgeben zu können.

Beitrag von Robi Conrad


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