«Gute Kameradschaft kann sehr viele Wunden heilen»

  10.06.2020 Mettau, Persönlich

Die Rekrutenschule ist für die jungen Männer und Frauen eh eine neue, spezielle Zeit. Für den Mettauer Raphael Hegi und viele Soldaten, die in die erste RS in diesem Jahr einrückten, war sie doppelt speziell.

Bernadette Zaniolo

Rund 11 600 junge Männer und Frauen rückten am 13. Januar in die erste Rekrutenschule im Jahr 2020 ein. Unter ihnen der gelernte Elektroinstallateur Raphael Hegi aus Mettau. Als Soldat der Flieger-Support-Compagnie 81 ist er für die Werksicherheit mitverantwortlich. «Sie sorgt mit ihren Kräften für einen sicheren Betrieb der Anlagen auf dem Flugplatz. Sie schauen, dass keine unberechtigten und auch keine gefährlichen oder verbotenen Gegenstände hineinkommen. Dazu macht sie noch das Feuerwehr-Pikett», sagt Raphael Hegi zu den Aufgaben der Kompanie.

Die erste Hälfte seiner Ausbildung in Payerne, wo über 600 Leute stationiert sind, verlief ganz normal. Doch mit Corona und dem Lockdown änderte für ihn und auch für die anderen Rekruten vieles. «Im ersten Moment war es ein Schock», beschreibt der junge Mettauer jenen Augenblick, als er und seine Kameraden erfuhren, dass sie fünf Wochen keinen Urlaub erhalten; Familie und Freunde nicht besuchen dürfen und auch kein «Chrömle» in einem Laden möglich ist. In der Woche zuvor erhielten sie die Weisung, dass sie private Kleidungsstücke wie etwa Socken und Unterwäsche für zwei Wochen mitbringen müssen. «Du musst das Mindset umstellen», sagt Raphael Hegi auf die Frage, wie er diese spezielle Zeit psychisch verkraftete. Im Gespräch mit der NFZ betont er immer wieder die Kameradschaft. «Gute Kameradschaft kann sehr viele Wunden heilen», so seine Erfahrung. «Die Kameradschaft ist in so einer Situation noch wichtiger.» Obwohl psychologische und seelsorgerische Hilfe angeboten wurde, «ist mir keiner bekannt, der es genutzt hat». In seinem Zug waren 28 Rekruten; seine Kompanie (Cdmt E av 81) umfasst 150 Soldaten. Das Essen sei grundsätzlich gut gewesen und während der ausgangslosen Zeit hätten sie am Sonntag jeweils einen «doppelten Verpflegungskredit» bekommen. So fand unter anderem ein Brunch statt, es wurde grilliert und auch der Güggeliwagen brachte Abwechslung in die Militärküche, welche in Payerne für die Verpf legung von 600 Soldaten verantwortlich zeichnet.

An den Samstagen der urlaubslosen Wochenenden fand eine reduzierte Ausbildung statt und der Sonntag stand zur freien Verfügung; natürlich beschränkt auf das Kasernenareal. Es bestand ein Sport- und Filmangebot und der morgendliche Weckruf wurde von sechs auf sieben Uhr verschoben. Seit Corona gebe es auch nicht mehr so viele Märsche, der längste sei 12 Kilometer (sonst 30 Kilometer) gewesen. Biwakiert wurde nur einmal und das sei vor Corona gewesen. Abgesehen davon, dass es aufgrund von Corona keine Verlegungen gebe (die unterirdischen Anlagen dürfen nicht dafür genutzt werden), verläuft die militärische Ausbildung normal. Nicht normal aber «cool» war für Raphael Hegi, dass er beim Übergabe-Rapport (Handover) eines FA /18-Fliegers an den neuen Piloten dabei sein durfte oder an einem «Waffenwechsel» (spezielle Schiessübung) teilnehmen durfte.

Eine Zeit, die doppelt zusammenschweisst
Die Rekrutenschule ist seit je her eine prägende Zeit und bedeutet neue Erfahrungen. Eine davon ist für Raphael Hegi, dass man mit Menschen zusammenarbeiten muss, mit denen man privat wohl nie zusammengearbeitet hätte. «So erhält jeder aber auch die Chance, etwas machen zu dürfen oder müssen, was er sich vielleicht gar nicht zugetraut hat. Man lernt die Person kennen», verrät Raphael Hegi. «Das schweisst auch zusammen.» So hat der junge Mettauer während der 18-wöchigen Rekrutenschule auch zehn gute, neue Kameraden gewonnen, mit denen er vor drei Wochen in die Unteroffizierschule eingetreten ist.

«Ich finde es spannend, Leute zu motivieren und etwas Neues zu lernen. Dazu möchte ich noch einige Führungskompetenzen erlernen und ich finde in unserem Alter ist das eine sehr gute Lebensschule», fasst Raphael Hegi seine Beweggründe zusammen. Die Zeit bis im Oktober (nach dem Abverdienen) wird ihn und seine Kameraden noch mehr zusammenschweissen und Brücken bauen. Ab November wird Raphael Hegi wieder an seinen Arbeitsort in Böttstein zurückkehren. Was er in den Alltag mitnehmen wird, ist vor allem, «dass nicht alles wichtig ist, was auf den ersten Blick als wichtig erscheint. Dass man auch mal auf etwas verzichten kann und dass nicht alles im Leben selbstverständlich ist. Das fängt mit dem Essen an.» Im Militär sei alles recht getaktet. Als er am 18. April – nach der urlaubslosen Zeit – das erste Mal wieder nach Hause durfte, hatte Raphael Hegi keinen speziellen Essenswunsch, sondern «es war einfach schön, sich hinsetzen zu können und das Essen zu geniessen.» Und seine Dankbarkeit zeigt er auch in einem anderen Bereich: «Die Post hat einen super Job gemacht», sagt der 20-Jährige. Zudem sei das Maximalgewicht bei der Feldpost von fünf auf zehn Kilo erhöht worden. «Das freut einem brutal», sagt er zu den erhaltenen Fress-Päckchen, aber auch, dass seine Familie und Freunde regelmässig telefonisch oder über andere Netzwerke wie etwa Snapchat mit ihm in Kontakt waren und sind. Raphael Hegi ist froh, dass sich nur zwei Soldaten während der Rekrutenschule infiziert haben «und unser Zug darum nie in Isolation musste». Das sei auch auf die gute Einhaltung der Schutzmassnahmen zurückzuführen, so dass etwa «verkehrtherum» (neben seinem Kopf hatte er die Füsse der beiden Nachbarn) geschlafen wurde («war eine neue Erfahrung»), Maskenpflicht während den Schulungen oder das Duschen gestaffelt erfolgte.


Raphael Hegi ist engagiert

Der 20-jährige Raphael Hegi aus Mettau ist vor drei Wochen in die Unteroffizierschule eingetreten. Er ist der Sohn der Unternehmerfamilie Roger und Ruth Hegi und hat eine Lehre als Elektroinstallateur absolviert. Die Familie Hegi ist seit Jahren eng mit der Musikgesellschaft Mettau verbunden. So wundert es nicht, dass auch Raphael Hegi in dieser aktiv ist; als Kornett-Spieler. Zudem ist er Materialwart und Gruppenleiter in der Jungwacht/Blauring Gansingen/ Oberhofen. «In meiner noch verbleibenden Zeit bin ich noch im Smarthome Mobile tätig», verrät Raphael Hegi sein weiteres Engagement und erklärt gleich um was es dabei geht. «Das ist ein LKW-Anhänger, welcher die neueste Technik in der Elektrobranche den Interessierten auf Berufsmessen und an Schulen zeigt. Damit wollen wir zeigen, dass die Elektrobranche nicht eintönig ist, sondern sehr spannend und vielseitig.» (bz)


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