Mit der Kraft von 3000 Bohrmaschinen

  05.05.2020 Fricktal

Nagra startet Tiefenbohrung auf dem Bözberg

Mit Probebohrungen erhofft sich die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) vertiefte wissenschaftliche Erkenntnisse auf der jahrzehntelangen Suche nach dem geeignetsten Standort für ein geologisches Tiefenlager für die atomaren Abfälle der Schweiz. Die NFZ besuchte den Bohrplatz Bözberg 1, wo die Arbeiten gerade angelaufen sind.

Simone Rufli

400 Meter entfernt vom Landgasthof «Vier Linden», zuoberst auf dem Bözberg, ragt der Bohrturm 25 Meter in die Höhe. Bohren darf die Nagra bis maximal 2000 Meter tief. 1020 Meter sollten genügen. Das Land, auf dem der Bohrplatz liegt, wurde für fünf Jahre gepachtet. Ein Verkehrs-, ein Lärmschutz- und ein Lichtkonzept wurden erstellt, Zonenkonformität, Raumplanung, Wildwechsel und Wasserläufe in die Standortwahl einbezogen. Nach jahrelanger Vorarbeit konnte der Bohrer mit der Kraft von 3000 Bohrmaschinen am vergangenen Dienstag gestartet werden. Die Bohrung wird sechs bis neun Monate dauern. Gebohrt wird rund um die Uhr – um einen Einsturz zu verhindern. Muss ein Bohrkopf ausgewechselt werden – und das wird mehrmals vorkommen – muss Bohrstange um Bohrstange einzeln herausgezogen werden und danach alles wieder zusammengefügt werden.

Kein gewöhnliches Loch
Die Bohrfirma stammt aus Grossbritannien. «In der Schweiz gibt es keine Firma, die in solche Tiefen bohren könnte», erklärt Patrick Studer von der Nagra. Und schmunzelnd erzählt er, wie das britische Bohr-Team bei der ersten Kontaktaufnahme erklärte, dass es für eine Bohrung in 1000 Meter Tiefe kein halbes Jahr, sondern nur gerade zehn Tage benötige. Studer lacht. «Mittlerweile ist allen klar, dass es nicht um ein gewöhnliches Loch geht, sondern um eine Kernbohrung und dass auf dem Weg nach unten ganz viele wissenschaftliche Experimente durchgeführt werden.» Die Bohrungen gehören zu Etappe 3 im Sachplan geologische Tiefenlager des Bundes und dienen dazu, dereinst den sichersten Standort für ein Tiefenlager zu bestimmen.

Heikles Unterfangen
Weil die Opalinustonschicht auf dem Bözberg in einer Tiefe von rund 470 Meter erwartet wird, werden die ersten 220 Meter destruktiv gebohrt. Will heissen, das Gestein in diesem Bereich wird zerstört und mit einer Spülflüssigkeit nach oben gedrückt. Erst danach beginnt die eigentliche Kernbohrung. Untersucht wird unter anderem die Dicke, die Dichtigkeit und die Zusammensetzung des Opalinustons, in dem das Tiefenlager dereinst gebaut werden soll. Was einfach klingt, ist schwierig umzusetzen. Der Opalinuston liegt seit 175 Millionen Jahren unter hohem Druck, ohne Sauerstoff und Licht in der Tiefe. «Befördern wir Gesteinsproben an die Erdoberfläche, muss der Opalinuston umgehend bearbeitet werden, damit er nicht zerfällt.» Ein Team von Geologen ist rund um die Uhr auf Pikett. Eingerichtet ist auch der Besucherpavillon mitsamt Aussichtsterrasse. «Das Interesse an Führungen ist gross», weiss Studer. Gross sei auch das Bedauern, dass aufgrund der Corona-Massnahmen derzeit keine Besucher empfangen werden dürfen. «Wir sind schon sehr froh, dass alle ausländischen Experten, die es hier braucht, einreisen durften.»

An jedem Bohrplatz entstehen Kosten in der Höhe von rund 15 Millionen Franken. In der Region Jura Ost, zu der neben dem Bözberg auch Effingen und Zeihen gehören, wurden insgesamt acht Gesuche für Probebohrungen bewilligt. Nicht überall wird gebohrt werden.

Die Nagra hat eine Hotline eingerichtet. Sie ist gratis und an sieben Tagen die Woche rund um die Uhr in Betrieb: 0800 437 333. E-Mail: info@nagra.ch


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