Grüngutabfuhr missbraucht zur Abfallentsorgung?

  28.05.2020 Fricktal

Die Coronakrise und der ideale Frühling treiben die Leute in die Gärten und die Grünabfuhr hat Hochkonjunktur. Aber aus Unkenntnis oder bewusst listiger Art finden viele unerwünschte Begleitstoffe über das Grüngut den Weg zum Verarbeiter, der sich mit hohem Aufwand zur Entfernung und mit Schäden konfrontiert sieht. Die NFZ informierte sich vor Ort.

Paul Roppel

«Es ist tatsächlich passiert und dazu stehen wir», bekräftigte Sonja Schmid den Tatbestand. Eine aus der Gemeinde Schwaderloch stammende Fuhre Grüngut enthielt unerwünschte Fremdkörper, was der Abnehmer beanstandet hat. Obwohl der Anhänger auf einem eingezäunten Entsorgungsplatz steht und nur unter Aufsicht wöchentlich zweimal je eine Stunde Grünmaterial abgegeben werden kann, hat jemand anderen Abfall mitgeliefert. Der grüne Anhänger wird jeweilen zum Komposthersteller Leureko in Leibstadt gefahren, von wo es zur Reklamation an die Gemeindeverwaltung kam. «Ich muss ab und zu etwas zurückweisen», bestätigt die Platzwartin, die seit 15 Jahren gewissenhaft die Aufsicht innehat. «Aber ein solcher Vorfall ist noch nie geschehen», ärgert sie sich verständlicherweise. «Wir haben umgehend die Bevölkerung mit einer Publikation informiert, was alles nicht in die Grünabfuhr gehört», doppelt Gemeindeschreiberin Marianne Mühlberg nach.

60 Tonnen Müll entfernt
Nachgedoppelt mit der Publikation hat letzte Woche auch der Gemeindeverband Abfallbewirtschaftung Unteres Fricktal (GAF) bei seinen 16 Mitgliedgemeinden. Auslöser war auch hier die Leureko AG mit Geschäftsführer Martin Leuenberger, der rund 40 000 Tonnen Grüngut in seinen vier Betrieben Leibstadt, Spreitenbach, Rheinfelden und Riehen zu kostbarem Humus, Kompost und diverse Erden für Landwirtschaft, Gärtnereien und Private aufbereitet. In Rheinfelden und Leibstadt werden rund 8000 Tonnen verarbeitet. «Rund 60 Tonnen Fremdstoffe werden kosten- und zeitaufwändig ausgesondert», umschreibt Leuenberger beim Augenschein der NFZ eines seiner Problemfelder. Der grösste Teil der unerwünschten Begleitstoffe muss teuer über die Kehrichtverbrennung entsorgt werden.

Probleme mit Steinen und Kies
Die Leureko betreibt zudem die BioPoweranlage Nordwestschweiz in Pratteln, wo Bioabfälle wie Rüstund Speiseabfälle, Blumen, Gemüse, Rasenschnitt, Obst, Kaffeesatz, Laub und Sträucher im anaeroben Gärprozess verarbeitet werden. «Der Fermenter musste vor kurzem abgestellt und von Hand ausgeladen werden. Schuld daran sind rund 100 Kubikmeter kleine Steine, Kies und Sand, die gefunden wurden und sicher aus Gärten und von Hausplätzen stammen», erklärt Leuenberger. Der drei Monate dauernde Betriebsausfall und die Schadensbehebung werden wohl gegen eine halben Million Franken kosten, schätzt er die fatale Auswirkung ein. Aber auch beim Kompostieren schlagen sich seine Leute mit der Entfernung unerwünschter Fremdkörper herum. Nach der Anlieferung wird das Grüngut ausgebreitet und unerwünschtes Begleitmaterial wie Glas, Porzellan, Steine, Backsteine, Plastikblumentöpfe, Metalle, Drähte, Plastikbecher, Tuben und Plastiksäcke aussortiert. Dann wird geschreddert und die Mieten zur Kompostierung angesetzt. Diese werden nach drei Monaten Prozessdauer in einem weiteren Durchgang maschinell gesiebt, in drei Fraktionen aufgetrennt und von Hand nochmals Fremdkörper aussortiert. Der beliebte, schöne Gartenkompost wird nochmals zwei bis drei Monate umgesetzt und wieder von unerwünschten Sachen befreit.

Etiketten und neue Verpackungen
Sehr ärgerlich sind die kleinen Kleber von Bananen, Äpfel und Orangen, welche durch die Siebe gehen und sich nicht zersetzen, sagt Leuenberger und appelliert diese im Hauskehricht zu entsorgen. Ein ganz neues Problemfeld wird akut: Immer mehr Becher, Salat- und Früchteverpackungen aus dem neuen biologisch abbaubaren Kunststoff PLA (Polyactid, basierend auf Milchsäure) werden verständlicherweise über das Grüngut entsorgt. Nur – die Komposthersteller entfernen alle diese Sachen wieder mühsam, denn sie unterscheiden sich kaum vom herkömmlichen, unerwünschten ölbasierten Kunststoff, der keinesfalls im Kompost sein soll und nicht in den Nahrungsmittelkreislauf gelangen darf, zeigt Leuenberger eine Krux auf.


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