«Statt Passagiere fliege ich gerade Fracht»
03.05.2020 FrickAlexandra Hofmann-Fahrni ist Pilotin bei der Swiss
Seit 26 Jahren ist Alexandra Hofmann-Fahrni aus Frick Pilotin bei der Swiss und der Vorgängergesellschaft. In der derzeitigen Corona-Krise freut sie sich über jeden Flugeinsatz und ist froh, wenn schon nicht Passagiere, dann doch medizinisches Material aus China in die Schweiz fliegen zu können.
Birke Luu
Neulich erst kam die Meldung in der Tagesschau: Tonnenweise Pakete mit Gesichtsmasken und anderem medizinischen Material waren aus China in die Schweiz geliefert worden. Man sah es den Paketen zwar nicht an, aber vielleicht waren die gezeigten ja sogar diejenigen, die Alexandra Hofmann-Fahrni hergeflogen hatte. Die Pilotin kam gerade erst aus Shanghai, wobei sie statt der üblichen Passagiere Unmengen an dringend benötigter medizinischer Fracht beförderte.
Corona-Flugplan
Ein Novum, dass die Swiss nun reine Frachtcharterf lüge durchführt. Doch momentan sind Cargo-Transporte gefragt und so kam es, dass auf den sorgfältig abgedeckten Sitzen gewichtige Pakete platzgenommen hatten und per Economy in die Schweiz gereist waren. «Das war wirklich sehenswert», lacht die Pilotin. Überhaupt sei es momentan kein normales Arbeiten, sondern ein «fliegen dürfen», erklärt Alexandra Hofmann-Fahrni. Anstelle der üblichen drei bis fünf Langstreckenflüge pro Monat – Hin- und Rückflug dabei als ein einziger Flug gerechnet – kommt die 52-Jährige aus Frick derzeit nur auf ein bis zwei Einsätze monatlich. Dabei könne sie noch froh sein, denn Kollegen anderer Airlines wären teilweise komplett zu Hause. Sie freut sich also über ihre sinnvolle Arbeit, doch leicht seien diese Flüge nicht, die Bedingungen in China an den Flughäfen sind sehr streng.
Teamchefin
Wieder in der Luft hingegen sei es momentan sehr ruhig. «Und beim Landeanflug in Zürich gibt es aktuell garantiert keine Warteschlange», strahlt sie. Positiv und offen ist Alexandra Hofmann-Fahrni, und das nicht nur in der derzeitigen Ausnahmesituation. Generell sei ihr ein respektvoller Umgang äusserst wichtig. «Damit bin ich bislang überall gut durchgekommen. Auch in anderen Kulturkreisen hatte ich nie Probleme, als Chefin gesehen zu werden», erzählt die Pilotin, die genaugenommen Captain ist, was man an ihren vier Streifen auf der Schulter erkennen kann. Damit ist sie in ihrem Airbus 330, manchmal auch Airbus 340, die Chefin des gesamten Teams und trägt die Gesamtverantwortung für Besatzung und Passagiere. Dies gefalle ihr auch am besten an ihrem Beruf, erklärt sie, diese Mischung aus f liegerischem Handwerk und der grossen Verantwortung für ihr Team und die Passagiere. Letztendlich gehe es darum, dem Vertrauen aller im Flugzeug gerecht zu werden. Dafür brennt sie. «Ich als Captain muss das Team formen und motivieren. Die Mehrzahl der Flüge ist zwar ereignislos, aber wenn einmal eine Herausforderung kommt, ist es eine grosse Befriedigung, diese mit meinem Team gut zu meistern.»
Einschneidende Erfahrungen
Bei solchen Herausforderungen handle es sich nicht um Notlandungen – an die man gerne gleich denkt, die Alexandra Hofmann-Fahrni aber noch nie durchführen musste – sondern beispielsweise um technische Unregelmässigkeiten, die dank dem häufigen Üben im Simulator und ihrer Erfahrung für Piloten gar nicht so speziell wären, oder um schlechtes Wetter oder eben um Passagiere mit unangemessenem Verhalten. Das Schlimmste, was sie als Pilotin je erlebt hätte, wäre 9/11 gewesen. «Da war ich gerade im amerikanischen Luftraum unterwegs und musste von San Francisco aus sofort über Kanada ausweichen, um nach Zürich zurückzuf liegen. Stundenlang auf diesem Rückflug versuchte ich das Gehörte zu verarbeiten und musste überlegen, wann ich die Passagiere informieren würde, denn damals gab es an Bord noch kein Internet», erzählt sie von diesem einschneidenden Tag. Ein anderes bedeutendes Ereignis, nämlich das Grounding der Swissair, erwähnt die Fricktalerin hingegen nur in Zusammenhang mit ihrer Laufbahn.
Eine der ersten Pilotinnen
Nach dem Grounding hätte es lange keine Beförderungen gegeben, was ihre lange Zeit als Copilotin erkläre. Erst 2012 sei sie dann zum Captain aufgestiegen. Wem das nichts sagt, der muss wissen: Zuerst wird man bei der Swiss Copilot auf der Kurzstrecke, anschliessend Copilot auf der Langstrecke, danach Captain auf der Kurzstrecke und schliesslich Captain auf der Langstrecke. Alexandra Hofmann ist also am höchsten Punkt, aber auch am Ende der f liegerischen Karriereleiter angekommen. Zum Glück nimmt sie diese Feststellung mit Humor, aber schliesslich kann man es auch so sehen, dass sie als Pilotin eine beeindruckende Karriere gemacht hat. Bescheiden meint sie zwar immer wieder, dass ihr Beruf gar nichts Besonderes sei, doch muss man wissen, dass die in Gipf-Oberfrick Aufgewachsene mit 17 Jahren als eine der ersten Frauen die Fliegerische Vorschule in Schupfart besuchen durfte. Nach der Fliegerischen Vorschule fiel ihr die weitere Ausbildung bei der Swissair zur Luftverkehrspilotin etwas leichter. Die Fricktalerin gehört also zu den ersten in der Schweiz ausgebildeten Pilotinnen. Heute gebe es zwar immer noch nicht viele Frauen in diesem Beruf, aber sie verdiene dasselbe wie die Männer und habe nie das Gefühl gehabt, sich als Frau beweisen zu müssen. Bei der Swiss zählt nur die Funktion, nicht das Geschlecht.
Alexandra Hofmann-Fahrni’s Fazit nach 26 Jahren im Swiss-Cockpit: Trotz vieler verpasster privater Feiern und der Belastung durch grosse Zeitunterschiede auf Langstreckenflügen sei für sie die Faszination für die Fliegerei nach wie vor da und bleibe wohl auch bis zu ihrem letzten Flug. Wann dieser sein werde, weiss sie nicht. Eigentlich werde sie erst in zehn Jahren pensioniert, aber wie es mit den Airlines in der nächsten Zeit weitergehe, wisse einfach niemand genau. Da helfe es nur, positiv zu bleiben und seine Arbeit weiterzumachen. Ihren Einsatzplan für Mai hat sie noch nicht, aber nach zwei freien Tagen ist sie wieder auf Abruf parat für den nächsten Frachteinsatz. Vielleicht soll ja bald wieder eine nächste Ladung an medizinischem Material von China in die Schweiz geflogen werden.