«Jetzt an die Zeit nach der Krise denken»

  04.04.2020 Gewerbe, Rheinfelden, Wirtschaft

Interview mit einem Detailhandels-Experten

Thomas Bretscher berät Detailhandels-Unternehmen und Institutionen. Im Fricktal gehörte die Rheinfelder Detaillisten-Organisation «Pro Altstadt» zu seinen Kunden. Wie sieht er die Auswirkungen der Corona-Krise auf den Detailhandel?

Valentin Zumsteg

NFZ: Herr Bretscher, was bedeutet die aktuelle Corona-Krise für den stationären Detailhandel?
Thomas Bretscher:
Es ist ein riesiger Schock, eine absolute Krise. Der stationäre Detailhandel kämpfte bereits in den vergangenen Jahren mit grossen Herausforderungen – zum Beispiel mit der Konkurrenz im Internet oder dem Einkaufstourismus. Einigen Geschäften hat die jetzige Corona-Krise den Teppich unter den Füssen weggezogen. Davon betroffen sind nicht nur kleine Läden, sondern auch grosse Kaufhäuser und Detailhandels-Ketten.

Rechnen Sie damit, dass viele Geschäfte verschwinden werden?
Die Krise kann den Strukturwandel, der sich sowieso abzeichnete, beschleunigen. Viele Geschäfte verfügen kaum über Reserven, um diese Krise zu überstehen. Einige werden schliessen müssen, andere werden neu eröffnen. In zwei bis drei Jahren werden wir mehr wissen.

Wer hat besonders schlechte Karten?
Gerade in der Modebranche ist der Frühling, nebst dem Ostergeschäft, eine wichtige Zeit. Da beginnt die neue Saison, die Lager sind gut gefüllt. Diese Kleider können jetzt zu einem grossen Teil nicht verkauft werden; später müssen sie mit hohen Rabatten angeboten werden. Das reisst die Margen massiv in den Keller. Das ist eine sehr schwierige Situation. Wir werden den stärksten «Sale» erleben, den wir je gesehen haben.

Es scheint klar, dass der Online-Handel von der aktuellen Situation profitieren kann. Wie sehen Sie das?
Der Online-Handel wird sicher profitieren. Viele Leute probieren diesen Kanal in der jetzigen Situation vielleicht zum ersten Mal aus, weil sie etwas brauchen. Es kann sein, dass sie so auf den Geschmack kommen und auch künftig – nach der Krise – weiterhin online einkaufen. Diese Gefahr besteht.

Was kann man aus dieser Situation lernen?
Wir müssen lernen, dass eine Krise jederzeit kommen kann. Niemand von uns ist dagegen gefeit, weder Privatpersonen noch Unternehmen. Es ist wichtig, dass wir in guten Zeiten Reserven bilden und im «Heute» einen guten Job machen. Denn nur so kann man auf eine Krise reagieren. Positiv ist, dass der Bund sehr schnell seine Unterstützung signalisiert hat. Doch die Kredite, die jetzt gewährt werden, müssen irgendwann zurückgezahlt werden. Das wird für gewisse Unternehmen aus dem Handel, dem Dienstleistungssektor und der Gastronomie eine grosse Herausforderung darstellen. Das werden vielleicht nicht alle schaffen. In der Krise zeigt sich aber auch, dass alle aufeinander angewiesen sind. Ohne die Unterstützung von Bund und Kantonen wäre die jetzige Situation für die Geschäfte ein absolutes Desaster. Auf der anderen Seite: Jetzt, da die Geschäfte und Gastrobetriebe geschlossen sind, gibt es kaum Leben in den Städten. Man merkt, wie wichtig diese Betriebe sind. Kurz gesagt: Detailhandel und Gastronomie sind Marketing für eine Stadt. In einer solchen Situation wie jetzt müssen alle zusammenarbeiten und ihren Beitrag leisten. Gemeinsam kommt man auch aus dieser Krise. Rheinfelden ist beispielsweise mit der Detaillistenorganisation «Pro Altstadt» und der neu geschaffenen Stelle der City-Managerin gut aufgestellt.

Was können kleine, stationäre Geschäfte tun, um ihre Kunden bei der Stange zu halten?
Irgendwann ist auch diese Krise vorbei. Es ist wichtig, dass sich die Geschäfte und KMU-Vereine darauf vorbereiten. Jetzt müssen sie an die Zeit nach der Krise denken. Es gibt sicher einen Nachholbedarf bei den Konsumenten. In der Krise sollen die Geschäfte den Kontakt mit ihren Kunden suchen, zum Beispiel über Social Media. Dort kann man zeigen, was es im Laden gibt. Das machen bereits viele, das finde ich gut. So freuen sich die Kunden wieder auf die Eröffnung. Wichtig ist es, nach der Krise wieder Frequenzen in die Städte zu bringen. Und dies ist unter anderem nun die Aufgabe des City-Managements.

Was können die Konsumenten tun, um die kleinen Geschäfte, die es  jetzt sehr schwer haben, zu unterstützen?
Das ist einfach: Als Konsument soll man die lokalen Geschäfte berücksichtigen, die derzeit noch offen sind oder die ihre Waren online anbieten können. Das hilft ihnen, wirtschaftlich zu überleben. Es ist schön, wenn jetzt nicht alles im internationalen Online-Handel bestellt wird. Wenn die Krise vorbei ist und alle Geschäfte wieder öffnen können, dann freuen sich die Inhaber, wenn wir wieder bei ihnen einkaufen. So kann jeder dazu beitragen, dass die Innenstädte und Gemeinden auch in Zukunft belebt sind. Denn wie gesagt: Der Handel und die Gastronomie spielen dabei eine wichtige Rolle. Warum nicht am Kühlschrank den «Einkaufszettel für danach» mit einem Magneten befestigen und ihn – wenn’s dann soweit ist – wegnehmen und shoppen gehen.


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