«Ein unterfordertes Kind kann depressiv werden»

  25.03.2020 Persönlich, Zeiningen

Karin Weber ist Gründerin und Leiterin einer Privatschule in Basel

Dass sie Lehrerin werden möchte, wusste Karin Weber schon in der ersten Klasse. Während 19 Jahren unterrichtete sie mit viel Freude an verschiedenen öffentlichen Schulen. Im Sommer 2019 gründete sie eine Privatschule in Basel, welche derzeit von 17 Schülerinnen und Schülern besucht wird.

Janine Tschopp

«Jeden zweiten Tag gingen wir an den See, um die Enten zu beobachten. Und im Winter liessen wir Wasser einfrieren, um aus den Eisblöcken Skulpturen zu schnitzen», erinnert sich Karin Weber mit leuchtenden Augen an ihre Primarschulzeit in Küssnacht am Rigi. Sie kramt in einer Kiste mit vielen Themenheften, welche sie in der 1. und 2. Klasse gestaltet hat. Auf einem Bild sieht man eine Frau und viele Kinder. «Wir erhielten die Aufgabe, uns selber in der Zukunft zu zeichnen. Ich zeichnete mich als Lehrerin.» Karin Weber erzählt, dass die Primarschullehrerin, welche sie in der ersten und zweiten Klasse unterrichtete, prägend für ihr Leben war. «Ihre Art, wie sie uns unterrichtete, hat mich beeindruckt. Wir mussten nicht einfach nur Arbeitsblätter ausfüllen, sondern wir haben viele Themen projektmässig erarbeitet.» Das Gestalterische und das Kreative standen im Vordergrund.

«Ich merkte bald, dass viele Kinder unterfordert sind»
Karin Webers Berufswunsch änderte sich nie. So absolvierte sie nach der Schule das Lehrerseminar in Luzern und unterrichte später in Zürich. Ein Jahr später hatte ihr Mann die Gelegenheit, beruflich für ein halbes Jahr nach Amerika zu reisen. Sie begleitete ihn und nahm dort einen Job als Assistenzlehrerin an. Nach der Rückkehr unterrichte sie in Däniken/Hüttikon (ZH). «Bald merkte ich, dass es viele Kinder gibt, die unterfordert sind und deshalb viel ‹Quatsch› machen.» Sie unterrichtete an mehreren Orten und nahm 2010 auch eine Stelle als Schulleiterin in Rickenbach (BL) an. «Als Schulleiterin wurde mir noch stärker bewusst, wie viele unterforderte Kinder es gibt.» Sie hatte selber schon drei kleine Kinder, als sie beschloss, sich in diesem Bereich weiterzubilden. Sie absolvierte eine CAS-Ausbildung an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Integrativer Begabungs- und Begabtenförderung.

«Wenn man einem Kind eine offene, möglichst herausfordernde Aufgabe zu einem Thema stellt, merkt man sofort, dass es noch viel mehr leisten könnte als nur das Gefragte», erklärt Karin Weber. Wie wirkt ein unterfordertes Kind? «Es kann sich verschliessen, depressiv und unzufrieden werden.»

Der Traum einer eigenen Schule
Im Sommer 2019 erfüllte sich Karin Weber einen grossen Traum und gründete eine Privatschule in Basel. «Ich musste Vertrauen haben, dass es funktionierte», sagt sie. Sie unterschrieb einen Fünfjahresvertrag für die Räumlichkeit, bevor sie definitive Anmeldungen hatte. «Ich erhielt viel positive Energie und Hilfe von aussen», erzählt sie. Es gelang ihr, rechtzeitig im Sommer mit sieben Kindern (Kindergarten bis 6. Klasse) zu starten. Zwischenzeitlich sind es 17 Kinder, welche sie zusammen mit sieben Kolleginnen und Kollegen unterrichten darf. Karin Weber ist mit der Entwicklung ihrer Schule sehr zufrieden. Nicht nur die Kinder seien glücklich. «Wir erhalten viel Lob. Im Gespräch mit den Eltern fliessen manchmal Tränen vor Dankbarkeit. Das gibt uns Kraft und Energie dranzubleiben, auch wenn wir noch keine grossen Löhne bezahlen können», sagt die Pädagogin.

Ihre Schule nennt Karin Weber «Navida», zusammengesetzt aus den Wörtern «Navigation» und «Leben». «Das Kind lernt, seinem eigenen Kompass zu folgen und erhält genug Spielraum, um im Leben mit seinen Schulfreunden verschiedenes auszuprobieren», führt die Schulleiterin aus.

Auf dem Segelschiff durch die Karibik
Zwischen ihrer Weiterbildung in Begabtenförderung und der Gründung der Privatschule segelte sie zusammen mit ihrem Mann und den drei Kindern durch die Karibik. «Das war eine ‹Mega-Zeit› für unsere Familie», schwärmt sie. «Wir lebten ohne Wecker in unserem eigenen Rhythmus, und immer wieder mussten wir gemeinsam Herausforderungen meistern.»

Sie erzählt von einem Tag, als sie in eine Bucht segelten und das Steuerkabel riss. Jedes Familienmitglied legte Hand an und gemeinsam schafften sie es, sich aus dieser brenzligen Situation zu befreien. «Es gab auch Streit und Auseinandersetzungen.» Insbesondere, wenn sie unterrichten wollte, hatten ihre Kinder wenig Verständnis. Karin Weber suchte dann Wege, wie sie den Schulstoff auf spielerische Art vermitteln konnte. So stellte sie ihrem Sohn eine Geschwindigkeitsrechnung mit Schiffen, weil ihn in diesem Moment das Geschehen auf dem Meer stärker interessierte als das Ausfüllen des Matheheftes. «Die Kinder merkten manchmal gar nicht, dass sie am Lernen sind.»

Die Erfahrungen auf der Reise bestärkten Karin Weber in ihrer Meinung, dass Kinder projektbezogen und spielerisch viel besser lernen.

Die Familie genoss die Reise in vollen Zügen, freute sich aber auch wieder nach Hause zu kommen. «Auch weil mein Mann und ich beide gerne arbeiten.»

Seit 16 Jahren im Fricktal
Karin Weber und ihr Mann sind beide in Küssnacht am Rigi aufgewachsen. Ihr Mann arbeitete in Muttenz, als das Paar ein Zuhause in der Nordwestschweiz suchte. So zogen sie vor 16 Jahren nach Möhlin und hatten 2013 die Möglichkeit, ein Eigenheim in Zeiningen zu bauen. «Wir fühlen uns wohl hier», sagt die 42-Jährige. Ihr Anker ist die Familie, und solange sie mit Kindern arbeiten und immer wieder neue Herausforderungen meistern darf, geht es ihr sehr gut.


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote