Ein grosser Tag in der Krebs-Bekämpfung

  03.12.2019 Stein, Wirtschaft

«Es ist ein historischer Tag», sagte Novartis-CEO Vas Narasimhan bei der Einweihung der neuen CAR-T-Produktionsanlage für Zell- und Gentherapien in Stein. Bundesrat Alain Berset gratulierte und ging auch auf die teuren Herausforderungen im Gesundheitswesen ein.

Susanne Hörth

«Heute ist ein wichtiger Tag für uns hier in Stein». Ein Satz, welcher in dieser und ähnlicher Form bei der Eröffnung der neuen Produktionsanlage zur Herstellung von Zell- und Gentherapien beim Novartis Werk in Stein oft zu vernehmen war. Welch grosse Bedeutung das neue Werk hat, wurde am Donnerstagnachmittag unter anderem auch durch die Anwesenheit von Bundesrat Alain Berset sowie Novartis-CEO Vas Narasimhan unterstrichen.

Dorothea Ledergerber, Projektleiterin der neuen Anlage in Stein, führte anhand von einfach zu verstehenden Grafiken und Animationen in die komplexe Welt der personalisierten Zell- und Gentherapien ein. Zuerst erzählte sie von Emily Whitehead. 2010 wurde bei der damals fünfjährigen Amerikanerin Leukämie festgestellt. Eine intensive Behandlungszeit begann. Nach zwei Jahren teilten die Ärzte den Eltern mit, dass sie sich von ihrer Tochter langsam verabschieden müssten. Der Vater gab nicht auf, kämpfte für sein Kind. Emily wurde in die Kymriah-Studie aufgenommen und war dann die erste Patientin, bei welcher die Zell- und Gentherapie in einem klinischen Test eingesetzt wurde. Seit nunmehr sieben Jahren ist das junge Mädchen krebsfrei und konnte jüngst in die High-School übertreten.

Einsatz der Krebs-Killerzellen
Bei einer Kymriah-Therapie, so Dorothea Ledergerber, wird dem Patienten in der Klinik Blut entnommen, welches dann tiefgefroren ins Werk für Zell- und Gentherapie gebracht wird. Die T-Zellen, weisse Blutkörperchen, werden nun genetisch verändert. Als «Krebs-Killerzellen» werden sie in einem weiteren Schritt dem Patienten mittels Infusion verabbreicht. Eine einmalige Kymriah-Therapie reicht für die Genesung aus. «Als ich studiert und doktoriert habe, hätte ich nie für möglich gehalten, dass das einst möglich ist. Es ist ein Wun

der», strahlt Dorothea Ledergerber. Ebenso ein Wunder sei es, dass innert gerade einem Jahr die neue Anlage für Zell- und Gentherapie in Stein aufgebaut werden konnte. Seit September wurden im Rahmen der klinischen Studien sechs Patienten behandelt. Laut Dorothea Ledergerber wird zurzeit das Blut von drei weiteren Patienten für die Krebsbekämpfung vorbereitet. Viele weitere Menschen sollen folgen. Stolz auf die neue, innovative Produktionsanlage und den daraus sich ergebenden Chancen für Blutkrebspatienten zeigte sich auch Novartis-CEO Vas Narasimhan. Er sagte bei der Einweihung in Stein: «Mit Kymriah leisten wir Pionierarbeit. Heute ist ein historischer Tag.»

Listenpreis von 370 000 Franken
Bei der Medienkonferenz, welche vorgängig der Einweihungsfeierlichkeiten stattfand, wurden auch die hohen Kosten der Kymriah-Therapie angesprochen. Der Listenpreis betrage 370 000 Franken, erklärte Länderchef Matthias Leuenberger. Listenpreis heisse aber nicht, dass diese Summe auch bezahlt wird. Mit den Krankenkassen werde zurzeit noch intensiv verhandelt. Mit 60 Prozent der Krankenkassen sei bezüglich der Abgeltung bereits eine Einigung gefunden worden. Die Gespräche mit den anderen Kassen laufen noch. Mit «Gemeinsam waren und sind wir erfolgreich» ging Bundesrat Alain Berset in seiner Rede auf die enge Verbundenheit von Novartis und der Schweiz ein. Auch er freute sich über den grossen Meilenstein bei der Entwicklung in der Blutkrebs-Therapie. Der Gesundheitsminister betonte ebenfalls, wie wichtig es sei, dass alle Patienten schnellstens von einer solchen Therapie profitieren können. Dabei gelte es die Balance mit der Finanzierbarkeit zu finden. «Das Gesundheitswesen wird nicht günstiger.» Diese Aussage begründete er gleich doppelt: zum einen sei es die demografische Entwicklung. Mit den immer älter werdenden Leuten steigen auch die medizinischen Ausgaben. Zum anderen sorge die Forschung für immer bessere Therapien. Solche, bei denen Kosten von 100 000 Franken und mehr keine Seltenheit mehr sein werden.

Von der Nahrungsmittelproduktion zur Heilmittelherstellung
Die grosse Bedeutung, welche Novartis dem Standort Stein zukommen lässt, griff auch Gemeindeammann Beat Käser in seiner Rede auf. «Es freut mich sehr und es macht mich auch stolz, dass die Novartis für ihre neue Produktionsanlage Stein gewählt hat. Für die Gemeinde, das Fricktal und die ganze Region ist die Novartis

ein wichtiger Arbeitgeber.» Mit einem Schmunzeln fügte der Gemeindeammann an: «Privat bin ich schon seit meiner frühsten Kindheit mit der Firma Novartis verbunden. Seit 1953 betreibt unsere Familie in Stein einen landwirtschaftlichen Betrieb. Schon mein Grossvater, mein Vater und jetzt mein Bruder und ich dürfen hier im Areal der Novartis das Kulturland bewirtschaften.» Er zeigte mit seinen Händen auf den Boden: «Genau hier, wo wir jetzt stehen, haben wir vor Jahren noch Weizen und Zuckerrüben angebaut und heute werden hier Produkte hergestellt, die kranken Menschen helfen: Von der Nahrungsmittelproduktion zur Heilmittelherstellung, das ist doch eine schöne Geschichte.»

An der «Wall of Hope» konnten am Festtag die ersten Lichter angezündet werden. Viele weitere sollen folgen: für jede erfolgreiche Kymriah-Therapie, welche das Novartis-Werk in Stein erfolgreich verlassen werden.


Über 90 Millionen Franken

Die neue Technologie wird in einem neu errichteten Gebäude in Stein seit August 2018 eingeführt. Der Neubau beherbergt neben CAR-T-Zelltherapien auch die Herstellung von innovativen, schwierig herzustellenden festen Darreichungsformen. Die Gesamtinvestitionen über drei Jahre in Zell- und Gentherapien belaufen sich dabei auf über 90 Millionen Franken. Nach nur einem Jahr Projektphase wurde im September die erste klinische Produktion von Kymriah in Stein erfolgreich abgeschlossen. Die kommerzielle Herstellung soll nach erfolgter behördlicher Zulassung im ersten Quartal 2020 aufgenommen werden. Bisher sind in Stein rund 185 neue Stellen in der Zell- und Gentherapie geschaffen worden, bis zu 265 weitere sollen im Verlauf der nächsten Jahre folgen.

Novartis betreibt bereits eine Produktionsanlage in Morris Plains (New Jersey, USA), die Patienten in zugelassenen Ländern weltweit mit Zell- und Gentherapien weltweit versorgt. Vergangenes Jahr hat Novartis zudem den französischen Hersteller von Zell- und Gentherapien CellforCURE in Les Ulis (Frankreich) übernommen, um den künftigen Bedarf für Patienten in Europa zu decken. Im Werk Stein arbeiten rund 1800 Mitarbeitende. (nfz)


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