«Nur an Wettbewerben sind wir Konkurrenten»

  18.12.2019 Obermumpf, Schupfart, Porträt

Die Brüder Janos und Gabor Nemeti sind Dirigenten in Nachbarsgemeinden

Beide sind in Ungarn aufgewachsen, als Erwachsene in die Schweiz gezogen, beide haben Musik studiert und sind nun Dirigenten in benachbarten Gemeinden: Die Brüder Janos und Gabor Nemeti verbindet so Einiges.

Birke Luu

Wenn man Janos und Gabor Nemeti so nebeneinanderstehen sieht, hält man sie nicht automatisch für Verwandte. Trotz ihres unterschiedlichen Aussehens haben die Brüder jedoch unheimlich viele gleiche Interessen und Vorlieben – ihre wichtigste Gemeinsamkeit ist dabei die Liebe zur Musik. Diese hat ihr Leben geprägt und ist ein wesentlicher Aspekt, der sie eng und immer wieder aufs Neue verbindet.

Nandor als musikalischer «Gott»
«Eigentlich versteht man unsere Geschichte nur, wenn man auch unseren älteren Bruder Nandor miteinbezieht, denn er ist unser beider grosses Vorbild», stellt Janos Nemeti gleich zu Gesprächsbeginn richtig. Nandor sei der erste in ihrer Pädagogen-Familie gewesen, der von Kindsbeinen an Musiker werden wollte. Heute lebe er in Bonn (D), gewinne nationale Wettbewerbe und sei ein bekannter Bassposaunist. «Er hat die Liebe zur Musik vorgelebt und uns dadurch auch für sie begeistert», schwärmt Janos Nemeti und sein Bruder nickt. So kam es, dass die Geschwister, die nur ein Jahr trennt, beide in Budapest auf ein Musikgymnasium gingen und anschliessend dem acht Jahre älteren Bruder für ihr Musikstudium ins deutschsprachige Ausland folgten, der eine nach Bern, der andere nach München. Allerdings studierten sie nicht Bassposaune, sondern Trompete, soviel Eigenbestimmung muss sein. Mit diesem vielseitigen Instrument könnte es durchaus sein, dass sie sich unterschiedlich spezialisiert haben, aber Fehlanzeige. «Man muss heutzutage alles spielen können – von traditionell bis Barockmusik, Solo, Orchester, Brass-Band, Symphonieorchester, Musical, alles wird erwartet», erklärt Janos Nemeti, der eindeutig der Gesprächigere der beiden ist. Aber wen stört’s, wenn man sich einig ist.

Nachbardirigenten
Inzwischen sind die Brüder seit einigen Jahren im Berufsleben angekommen. Während Janos Nemeti, der vier Musikvereine leitet und Stellvertretungen als Trompetenlehrer an der Musikschule Basel übernimmt, im Musikinstrumentenbau eine feste Anstellung fand, ist Gabor Nemeti im typischen Kernbereich eines Musikers tätig und unterrichtet Schüler und Vereine, gibt Konzerte und hat das Studium der «Blasmusikdirektion» in Basel begonnen. So unterschiedlich sich dies nun anhört, eines haben die Brüder, die Mitte dreissig sind, dennoch gemein: Sie sind inzwischen beide Dirigenten benachbarter Fricktaler Gemeinden – Janos Nemeti beim Musikverein Obermumpf und Gabor Nemeti bei der Musikgesellschaft Schupfart.

Ein Zufall, zwei neue Wege
Eigentlich war es reiner Zufall, dass Janos Nemeti sich vor rund sieben Jahren auf die Stelle als Dirigent in Obermumpf bewarb. Und wie es bei den Brüdern so ist, tauschten sie sich auch über diese Erfahrung aus, und als in Schupfart dann 2017 das Dirigat neu besetzt werden musste, machte der ältere dem jüngeren Bruder diesen Job schmackhaft. Gabor gibt offen zu: «Zuerst war ich vom Dirigieren nicht wirklich überzeugt, aber jetzt habe ich so enormen Spass daran, dass ich es sogar noch zusätzlich studiere». Vor dreissig Musikanten zu stehen sei kein geringer Druck, man müsse alle Stimmen kennen und heraushören. Zudem sollte man ein guter Pädagoge und Psychologe sein, denn man müsse motivieren und den Zusammenhalt der Musikanten fördern. Im Gegensatz zum eigenen Trompetenspiel, wo man sich der Gruppe anpassen müsse, hätte man als Dirigent aber «eine grössere Freiheit, seine Musikalität auszuleben, das Repertoire zu beeinflussen, eigene Ideen zu verwirklichen», ist Gabor Nemeti sichtlich begeistert. Wieder einmal hat es sich gelohnt, auf den Bruder zu hören, sich dessen Weg zu eigen zu machen.

Im Vergleich
Doch nun eine fiese Frage: Wer ist eigentlich der bessere Dirigent? Gabor meint schnell: «Janos! Denn er hat mehr Erfahrung und dirigiert wirklich leidenschaftlich!». Aber das lässt Janos Nemeti so nicht stehen: «Ich habe Gabor zugesehen und weiss, dass ich mich weiterhin sehr bemühen muss, denn er studiert nun und ist somit technisch besser als ich». Sie lachen. Und wessen Musikanten sind besser, die Schupfarter oder die Obermumpfer? Auch diese heikle Frage ruft keine Verstimmung hervor. Sie seien keine Konkurrenz, allenfalls unbeabsichtigt an Wettbewerben, sondern würden sich stattdessen gegenseitig motivieren: «Wir besuchen die Konzerte des anderen, das erzeugt positiven Druck, so dass wir unser Bestes geben», erklären sie einvernehmlich. Und natürlich helfen sich die Brüder auch mal beim Dirigieren aus, wenn der eine nicht könne.

So viel Ähnliches im Leben zu machen, erzeugt das nicht zu viele Vergleiche, bei denen notwendigerweise der eine besser wegkommt als der andere? Janos Nemeti, der sich manchmal mit Humor als das schwarze Schaf in der Familie bezeichnet, da er im Gegensatz zu seinen Brüdern noch nicht verheiratet ist und die wenigsten Diplome vorweisen kann, ist dennoch davon überzeugt, dass all diese Ähnlichkeiten sie zusammenschweissen würden. «Wir verstehen einander, erzählen uns unsere Ideen, bestärken uns gegenseitig, das ist ein richtig gutes Gefühl». Und Gabor ergänzt: «Ähnliches verbindet, das ist wie bei Freunden, die die gleichen Hobbys teilen».

Der richtige Abstand
Apropos Hobbys, auch da liegen sie auf einer Wellenlänge. Motorräder, Amateurfunk und Astronomie zählen zu ihren weiteren Leidenschaften, die sie von ihrer Familie geerbt haben – nur für das Angeln konnte sich Gabor bislang nicht begeistern. Leicht zögerlich bekennt er aber: «Das stimmt, aber diesen Sommer habe ich schon etwas Lust darauf bekommen» – «Echt? Dann haben wir nächsten Sommer gleich ein gemeinsames Projekt: Fischen gehen, zelten, ausschalten». Privat also steht wieder mal ein gemeinsames Projekt, beruflich jedoch steht dieses noch aus. Doch vielleicht ist es ja auch besser so, schliesslich lautet eine Einsicht der Brüder: «Mit etwas Abstand kommen wir sehr gut miteinander aus. Wir telefonieren zwar viel, wohnen aber getrennt», das ist wohl auch ihre Lebensweisheit fürs Arbeiten – sich unterstützen und beraten, aber jedem sein eigener Verein, seine eigene Musikgesellschaft. Dann harmoniert’s.


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