«Die Agglo Basel sieht Rheinsteg als Chance»

  05.10.2019 Nordwestschweiz

Interview mit dem Geschäftsführer des Agglomerationsprogramms

Walter Herzog

NFZ: Sehr geehrter Herr Dr. Leypoldt, Sie sind Geschäftsführer von Agglo Basel und koordinieren die Raumentwicklung im trinationalen Raum Basel. Welche überregionale Bedeutung hat für Sie der geplante Rheinsteg in Rheinfelden?
Patrick Leypoldt:
Der Rheinsteg Rheinfelden ist ein Projekt des Agglomerationsprogramms Basel der 2. Generation und wurde bereits im Jahr 2012 beim Schweizer Bund zur Mitfinanzierung eingereicht. Das Projekt ist ein wichtiger Baustein im Hinblick auf die übergeordneten Ziele der Agglomerationsstrategie, wonach u.a. der Ausbau der Velonetze in und zwischen den Korridoren der trinationalen Agglomeration Basel gefördert werden soll. Konkret ist der Rheinsteg eine wichtige Verkehrsverbindung für Fussgänger und Velofahrer zwischen den beiden Rheinfelden. Zudem wird mit diesem Projekt die historische grenzüberschreitende Fuss- und Fahrradbeziehung wiederhergestellt. Das Projekt ermöglicht die Verbindung der nationalen Radroute und die Aargauer Wanderwege (Rheinuferwanderweg) mit der deutschen Hochrheinseite.

Sehen Sie eher Chancen oder eher Risiken für Rheinfelden? Warum?
Aus Sicht der Agglomeration stellt das Projekt klar eine Chance dar. Wir stellen in der gesamten Agglomeration eine starke Zunahme des Fuss- und Veloverkehrs fest, dementsprechend ist der Bedarf an entsprechenden Infrastrukturen gross. Der Rheinsteg steht vielen Nutzergruppen offen: Berufspendler, Freizeitverkehre und sogar touristische Nutzen aufgrund der Nähe zum Kurzentrum und zur Altstadt.

Sind 14 Millionen Franken für den geplanten Steg nicht zu viel Geld?
Dass eine neue Brücke über den Rhein nicht gratis zu haben ist, versteht sich von selbst. Man muss allerdings bedenken, dass die beiden Rheinfelden nicht die gesamten Investitionskosten stemmen müssen, da sowohl das Agglomerationsprogramm Basel als auch die Europäische Union namhafte Anteile übernehmen. Auch der Kanton Aargau steuert einen Beitrag bei.

Könnte mit deutlich weniger Geld nicht auch ein einfacherer Steg realisiert werden?
Das ist eine Frage, zu der die Agglo Basel keine Auskunft geben kann, da hier ausschliesslich die Projektträger Rheinfelden (CH) und Rheinfelden (Baden) Kompetenzen haben.

Warum ist Agglo Basel bereit, 2 Millionen Franken an die Baukosten des neuen Rheinstegs zu bezahlen?
Das Eidgenössische Parlament hat die 2 Millionen Franken im Rahmen des Agglomerationsprogramm Basel der 2. Generation gesprochen. Das Programm wurde damals als wirkungsvoll beurteilt und der Rheinsteg ist ein wichtiger Teil dieser Programmbewertung. Die Agglomeration Basel hat sich in den Verträgen mit dem Schweizer Bund dazu verpflichtet, das Projekt zu realisieren. Tut sie das nicht, wird von Seiten Bund die positive Bewertung der 2. Generation unter Umständen in Frage gestellt. Dies kann sich in den nächsten Programmgenerationen negativ auswirken, da der Bund Malusregeln vorsieht, falls Programme eine ungenügende Umsetzungsperformance ausweisen.

Gegner monieren, der Rheinsteg sei schlecht an den öffentlichen Verkehr und das Radwegnetz angeschlossen. Ist der Standort richtig?
Der Rückbau des Rheinstegs bei der Gaststätte «Rheinlust» im Jahr 2011 hinterliess eine Lücke in den Verbindungswegen der beiden Städte und wurde in weiten Teilen der Öffentlichkeit beidseits des Rheins als ein grosser Verlust wahrgenommen. Daher wurde rasch die Forderung nach einem neuen Rheinsteg formuliert. Mit dem Bau des neuen Wasserkraftwerks Rheinfelden wurde zwar ein neuer Rheinübergang für den Langsamverkehr zwischen den beiden Städten geschaffen. Die neue, 2,5 km stromaufwärts gelegene Kraftwerksanlage kann von Fussgängern und Radfahrenden überquert werden. Dieser Weg liegt aber deutlich abseits des innerstädtischen Verkehrsnetzes. Für die Berufspendler bedeutet das einen erheblichen Umweg und begründet die geringe Akzeptanz dieser Wegeverbindung; auch für SpaziergängerInnen ist dieser Uferrundweg mit ca. 6 km Länge vielfach zu weit und für Behinderte stellenweise nicht begehbar.

Befürworter erwarten dank dem Rheinsteg eine deutliche Attraktivitätssteigerung für Rheinfelden und eine Belebung der Altstadt. Was sagen sie dazu?
Die neue Brücke soll als zusätzlicher Verkehrsweg die Verbindung der beiden Rheinfelden ausbauen und stärken. Arbeitnehmenden soll die neue Fuss- und Radwegverbindung den Weg an ihren Arbeitsplatz erleichtern und verkürzen. Bewohnerinnen und Bewohnern sowie Gästen soll die Brücke zusätzlichen Naherholungsraum erschliessen. Der neue Rheinsteg ist aber nicht nur Langsamverkehrsverbindung und Naherholungsraum für Bewohnende und Arbeitnehmende, sondern auch ein Brückenschlag über die Landesgrenze mit grosser Symbolkraft. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der beiden Rheinfelden hat europaweit Ausstrahlung und gilt mittlerweile als beispielhaft. In diesem Sinne ist der neue Rheinsteg ein Leuchtturmprojekt für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und dient der Bevölkerung, der Wirtschaft sowie dem Tourismus.

Welches sind die nächsten wichtigen Projekte von Agglo Basel für das Fricktal?
Wenn wir bei Fuss- und Veloverkehr bleiben, stehen folgende 4 Projekte unmittelbar vor dem Baustart:
• Rheinfelden (CH): Rheinuferweg-Passage
• Rheinfelden (CH): Weg Chleigrüttgraben – Aussichtspunkt Kraftwerk
• Stein (CH): Aufwertung und Umgestaltung Rheinuferweg
• Mumpf (CH): Rheinuferweg Engstellen

Mit welchen konkreten Massnahmen stellen Sie sicher, dass die verkehrsmässige Anbindung des Fricktals an den Grossraum Basel sichergestellt und verbessert werden kann?
Ganz oben auf der Prioritätenliste steht der Ausbau der trinationalen S-Bahn Basel mit der Elektrifizierung der Hochrheinstrecke auf der deutschen Seite und in einem späteren Zeithorizont die Taktverdichtung der Schweizer Seite. Strassenseitig muss v.a. vom Bund eine Lösung für die Stausituation auf der A3 zwischen August und Rheinfelden gefunden werde.


Patrick Leypoldt

Patrick Leypoldt ist Direktor des Vereins Agglo Basel mit Sitz in Liestal. Agglo Basel ist eine trinationale Planung- und Koordinationsplattform im Bereich Siedlung- und Verkehrsplanung. Zuvor arbeitete Patrick Leypoldt für die Beratungsunternehmen Prognos AG und Prog Trans AG sowie für die Stadt Zürich. Patrick Leypoldt studierte Geographie an der Universität Basel. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt in Basel.


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