Lange Wartezeiten bei der Logopädie

  12.09.2019 Laufenburg

Antonia Grimm Bovens ist seit dem 1. September 2018 Stellenleiterin des Logopädischen Dienstes im Gemeindeverband Bezirk Laufenburg. Die NFZ unterhielt sich mit ihr über Wartezeiten, kantonale Vorgaben und die Vorteile eines Pools.

Simone Rufli

NFZ: Frau Grimm, bis ein Kind, das zur Logopädie angemeldet wurde, mit einer Therapie beginnen kann, vergehen durchschnittlich 6 bis 9 Monate. Wie kommt es denn zu den langen Wartefristen?
Antonia Grimm:
Die uns zur Verfügung stehenden Logopädie-Ressourcen werden aktuell noch vom Kanton festgelegt. Der Kanton verteilt die Ressourcen aufgrund der Anzahl Kindergarten- und Primarschulkinder auf die Schulen. Dabei geht er von 6,02 Prozent der Kinder aus, die therapeutische Massnahmen benötigen werden. Wir versuchen mit allen therapeutisch möglichen Massnahmen, die Wartezeit für die betroffenen Kinder möglichst tief zu halten. Beim momentanen Mangel an Logopädinnen und Logopäden sind wir froh, dass an unserem Dienst das ganze Pensum abgedeckt werden kann, was im Aargau vielerorts nicht der Fall ist. Dank der Zusammenführung aller Logopädie-Pensen der Schulen im Bezirk bei unserem Dienst können wir lokale Schwankungen des Bedarfs einzelner Gemeinden sehr gut ausgleichen.

Mit anderen Worten, Sie können einer Gemeinde kurzfristig mehr Mittel zukommen lassen, wenn andernorts weniger Bedarf besteht?

Das ist richtig. Der Kanton gibt die Pensen aller Schulen im Bezirk Laufenburg in einen Pool. Die Zuteilung übernehmen dann wir.

Im 2018 konnten mehr Kinder abgeklärt werden als im Vorjahr. Die Gesamtzahl der behandelten Kinder aber sank, ebenso die Anzahl Therapiestunden. Warum?

Es gab diesmal mehr Kinder, die keine Therapie benötigten. Zudem stiegen die Hürden für die Bewilligung der verstärkten Massnahmen (VM) für Kinder mit schweren Spracherwerbsstörungen, welche in die Regelschule integriert werden. Daher gibt es weniger VM-Kinder und auch weniger Therapiestunden. Für die Behandlung der Kinder mit verstärkten Massnahmen waren die entsprechenden Ressourcen aber vorhanden.

Seit dem Schuljahr 2018/19 wird auf eine flächendeckende logopädische Erfassung aller Kindergartenkinder verzichtet. Es werden nur noch sprachauffällige Kinder geprüft. Wie beurteilen Sie diese Veränderung?
Der Kanton hat die gesetzliche Grundlage für die bisherigen logopädischen Reihenerfassungen aufgehoben und empfiehlt, nur noch sprachauffällige Kinder auf Zuweisung der Kindergärtnerinnen zu erfassen. In vielen anderen Kantonen bestehen seit längerem keine flächendeckenden Reihenerfassungen mehr. Ich stehe hinter der Logopädischen Erfassung, wie diese Veränderung bezeichnet wird. Es macht aus Ressourcengründen absolut Sinn, nur Kinder zu begutachten, bei denen eine Sprachauffälligkeit beobachtet werden kann.


«Sehr oft kommt der Impuls von den Eltern selber»

Antonia Grimm steht den Veränderungen positiv gegenüber

Seit dem Schuljahr 2018/19 wird auf eine flächendeckende logopädische Erfassung aller Kindergartenkinder verzichtet. Für die Stellenleiterin Logopädie im Gemeindeverband Bezirk Laufenburg macht das Sinn.

Simone Rufli

NFZ: Frau Grimm, wie sind die Erfahrungen aus dem ersten Jahr? Antonia Grimm: Die Erfahrungen sind aus Sicht des Logopädischen Dienstes und vieler Kindergärtnerinnen positiv. Die Zusammenarbeit mit der Logopädie bleibt ja bestehen und im Austausch können offene Fragen geklärt werden. Bereits zuvor wurden im Bezirk Laufenburg im ersten Kindergartenjahr nur die auffälligen Kinder erfasst. Die Erfahrung zeigt: Kindergärtnerinnen haben die Fähigkeit, mögliche Sprachauffälligkeiten zu erkennen und sie melden sich bei Fragen und Unklarheiten.

Liegt es nun hauptsächlich an der Kindergartenlehrperson, die Auffälligkeiten bei den Kindern früh zu erkennen und bei der Logopädin zu melden?
Die Kindergärtnerin hat mehr Verantwortung bei der Erfassung sprachauffälliger Kinder, doch sie wird dabei unterstützt vom Logopädischen Dienst. Ausserdem ist sie nur eine von mehreren Stellen, welche Kinder beim Logopädischen Dienst anmelden. Sehr oft kommt der Impuls für eine Anmeldung zur logopädischen Abklärung von den Eltern selber. Auch Spielgruppenleiterinnen, Ärzte und Ärztinnen oder die Stiftung Netz empfehlen den Eltern, ihr Kind logopädisch abklären zu lassen. Viele Kinder mit Sprachproblemen sind somit bereits beim Logopädischen Dienst angemeldet, wenn sie in den Kindergarten kommen.

Was sind eigentlich die Ursachen für Spracherwerbsstörungen?
Die Ursachen sind unterschiedlich. Von Sprachauffälligkeiten in der Familie über Störungen in der Hörverarbeitung bis zu psychischen Faktoren gibt es eine Reihe von Faktoren. Und es ist entgegen anderslautenden Äusserungen nicht so, dass Spracherwerbsstörungen heute häufiger vorkommen als früher.


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