«Wir sollten das Essen wieder schätzen lernen»

  01.09.2019 Zuzgen

Martin Käser wirtet seit 24 Jahren im Restaurant «Rössli» in Zuzgen

1995 hat Martin Käser als Pächter im «Rössli» in Zuzgen begonnen. In dieser Zeit hat sich vieles verändert, aber es macht ihm noch immer grossen Spass, seine Gäste kulinarisch zu verwöhnen.

Janine Tschopp

Es ist Mittwochmorgen, 8.30 Uhr. Via Garteneingang kommt die NFZ ins Restaurant, wo die Journalistin mit dem Wirt zum Gespräch abgemacht hat. In der Gaststube findet sie ihn nicht. Martin Käser ist bereits in der Küche, vermutlich sein Lieblingsort. In der Pfanne brutzelt Pouletgeschnetzeltes, auf dem Tisch liegt frisches Gemüse. «Ich mache ‹Mise en Place› für morgen. Es gibt Curry», erklärt der Koch.

Dann setzen wir uns in die Gaststube. Nächstes Jahr am 1. Mai sind es 25 Jahre, dass Martin Käser auf dem «Rössli» in Zuzgen wirtet. «Wir werden noch vier, fünf Jahre dranhängen und uns zusammen mit unseren treuen Stammgästen pensionieren lassen», sagt er mit einem Lachen. Er ist heute 55-jährig, seine Lebenspartnerin Lucie Recher, die ebenfalls intensiv im Betrieb mit anpackt, ist fünf Jahre älter. Martin Käsers Wunsch ist, seinen Kochlöffel nach der Pension nicht definitiv an den Nagel zu hängen. Falls sich Gelegenheiten ergeben, würde er gerne hie und da als Koch einspringen und sein Wissen weitergeben.

Schon als kleiner Bub in die Töpfe geguckt
Martin Käser ist in Hellikon aufgewachsen. «Ich bin Fricker Bürger. Mein Urgrossvater kam damals als Lehrer nach Hellikon», präzisiert er. Er erzählt von seiner Mutter, die eine sehr gute Köchin gewesen sei. «Mit wenig Zutaten hat sie immer etwas Hervorragendes gekocht. Und ich habe ihr immer in die Töpfe geschaut.»

Als er in der Schule während vier Jahren Französisch lernte, war er fasziniert von dieser Sprache und wollte sie weiterhin anwenden. So wurde für ihn bald klar, dass er Koch lernen will. Einerseits weil ihm die französische Sprache, die im Kochberuf wichtig ist, gefiel und andererseits weil er schon als Bub vom Kochen fasziniert war. Er absolvierte die Lehre im «Rössli» in Eiken. Anschliessend arbeitete er, unterbrochen durch einen kurzen Kanada-Aufenthalt, während insgesamt drei Jahren als Jungkoch im Zürcher Luxushotel «The Dolder Grand». Wie ein Sprung ins kalte Wasser habe er den Wechsel vom kleinen ländlichen Restaurationsbetrieb in Eiken ins grosse Hotel in Zürich empfunden. «Im Grand Hotel waren wir 50 Köche. An grossen Anlässen wie dem Offiziersball oder dem Sächsilütte-Ball kochten wir für 400 Gäste.» Gerne erinnert sich Martin Käser an den zwischenzeitlich verstorbenen Dolder-Küchenchef Paul Spuhler. «In der Küche hat immer nur einer gesprochen, nämlich der Chef. Wir mussten viel arbeiten, wurden aber immer korrekt behandelt.»

Nach dem «The Dolder Grand» arbeitete Martin Käser als Koch im Parkhotel in Rheinfelden und anschliessend als Küchenchef im Hotel «Al Ponte» in Wangen an der Aare. 1995 hatte er die Gelegenheit, sich selbständig zu machen und das «Rössli» in Zuzgen als Pächter zu übernehmen.

«Ich würde es wieder tun»
Martin Käser erzählt von einigen Veränderungen, die er im Laufe des letzten Vierteljahrhunderts erlebt hat, und die auch Einfluss auf das Wirten haben. Ganz deutlich sagt er aber: «Ich würde es wieder tun.» Er liebt seine Arbeit und den Kontakt mit den Gästen. Auch darf er mit dem Geschäftsverlauf zufrieden sein. «Wir konnten den Umsatz immer halten.» Da die Gäste im Laufe der Jahre verhältnismässig mehr Essen und weniger Getränke konsumiert haben, ist der Aufwand für den gleichen Ertrag für ihn grösser geworden. Er freut sich aber, dass er in all den Jahren eine konstante Gästezahl, sowohl aus dem Tal, als auch aus Rheinfelden, Basel und von anderen Orten bewirten darf.

Rund 70 Prozent der Gäste von Martin Käser sind Stammgäste. «Unsere treuen Gäste sind alle in unserem Alter», stellt der Wirt fest. In der heutigen Zeit gebe es weniger junge Menschen, die regelmässig ins Restaurant kommen. «Die Jungen wachsen heute anders auf und ernähren sich auch anders als früher», sagt Martin Käser. «Früher haben die Kinder das Kochen von ihren Müttern mitbekommen.» Die Zeiten hätten sich verändert: Heute arbeiten viele Mütter, und nicht mehr alle Frauen sind über Mittag zu Hause und kochen aufwändige Gerichte mit frischen Zutaten. Auch dass heute vermehrt Fertig- und Halbfertigprodukte konsumiert werden, ist eine Entwicklung, die Martin Käser erwähnt.

«Die Wertschätzung gegenüber den Lebensmitteln ist nicht mehr gegeben. Wir sollten das Essen wieder schätzen lernen. Vielleicht sind die Lebensmittel zu billig geworden. Während meiner Lehre, kostete ein Kilogramm Koteletts mehr als heute.» Vielleicht habe die geringere Wertschätzung auch mit dem Überfluss zu tun. «Früher gab es zwei Sorten Brot und drei Sorten Käse. Und es schmeckte wunderbar. Heute ist die Auswahl an Lebensmitteln riesig, die Qualität ist aber teilweise schlechter geworden. Das finde ich schade.»

Auch habe sich in den letzten Jahren gesellschaftlich einiges verändert, und die Jungen suchen den Kontakt am Stammtisch weniger. «Um Neues zu erfahren, gehen die Leute nicht mehr ins Restaurant, sondern informieren sich übers Internet. Das ist eine Zeiterscheinung. Vielleicht geht es uns zu gut», denkt Martin Käser laut nach.

Er und Lucie Recher erinnern sich gerne an viele lustige Stunden, die sie früher im «Rössli» erlebt haben. Am Abend habe plötzlich ein Gast die Handorgel ausgepackt, und es wurde gesungen und gefeiert. Martin Käser denkt wieder an die Gegenwart und stellt fest, dass es auch heute im «Rössli» noch viele schöne Momente gibt.

Nach dem Gespräch verschwindet der Wirt wieder in der Küche. Zusammen mit seiner Lebenspartnerin Lucie und der Küchenangestellten Marlene, welche schon seit 17 Jahren im «Rössli» arbeitet, bereitet er alles vor, um seine Gäste auch am nächsten Tag kulinarisch zu vewöhnen.


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