Das Abenteuer ihres Lebens

  17.08.2019 Fricktal

Zala Bojovic – auf den Spuren von Alma Karlin

Die Tochter von Miha Bojovic, Möhliner Handballlegende der Achtziger und Neunziger, spielte selber vier Jahre lang in der slowenischen Nationalmannschaft. Von Beruf Deutschlehrerin, folgt sie seit fast einem Jahr den Spuren der Reisejournalistin Alma Karlin von Peru, Ecuador, Kolumbien, Panama, Costa Rica, Guatemala, Mexiko bis nach Kalifornien, Hawaii, Japan und Australien.

Clara Rohr-Willers

«Für mich waren Möhlin und unsere Nachbarschaft am Rüttenenweg das reinste Paradies», erinnert sich die 31-jährige Tochter von Miha Bojovic, Zala. «Umgeben von vielen jungen Familien, spielte ich immer draussen oder bei unseren Nachbarn. Dank meiner älteren Schwester konnte ich abends mit den Grossen länger aufbleiben.» Die Wochenenden verbrachte Familie Bojovic in der Steinli-Halle an den Handballspielen des Vaters. «Manchmal auch an Auswärtsspielen», fügt Zala hinzu, «aber die beste Atmosphäre war immer im Steinli». Der TV Möhlin und die Nachbarschaft am Rüttenenweg hätten einen starken Zusammenhalt ermöglicht. «Es war immer etwas los. Manchmal nahmen mich die Nachbarn mit zum Klöpfer-Essen in ihren Garten. Oft haben Anna und Ernst auf mich aufgepasst, meine Schweizer Grosseltern so zu sagen. Insgesamt genoss ich den Aufenthalt in der Schweiz sehr und es fiel mir wie auch meiner Schwester schwer, Ende Neunziger nach Slowenien zurückzukehren. Erleichtert hat den Umzug die Freude auf unsere Grosseltern.»

Abenteuer
Drei Begegnungen mit der Reisejournalistin Alma Karlin, die wie Zala Bojovic aus Celje stammt, waren prägend. «Ich erinnere mich an die Erzählungen meiner Mutter beim Geburtshaus von Alma Maximiliane Karlin in Celje. Das Haus stand zwar nicht mehr, aber eine Erinnerungstafel zeugt von ihrem mutigen Leben als Reisejournalistin in den 1920er Jahren. Als ich zehn Jahre alt war, besuchten wir eine Vorführung des örtlichen Tanzvereins Plesni Forum Celje, an der Almas Leben und Reise tänzerisch dargestellt wurden. Eine Szene, in der Alma Menschen aus einem fernen Land bei einem Tanz zuschaut, prägte sich in mein Gedächtnis ein. Vermutlich ahmte man den Tanz einer indigenen Bevölkerungsgruppe aus Papua-Neuguinea nach.»

Als Studentin zeigte Zala einer Schweizer Freundin die Ausstellung über Almas Reise im Regionalmuseum Celje (Pokrajinski muzej Celje) und entschied schliesslich, die Masterarbeit über Alma Karlin zu schreiben. Der Traum einer eigenen Weltreise sei während der Masterarbeit entstanden und in den Folgejahren gereift.

«Mut und Zielstrebigkeit»
«Nach dem Deutschstudium zog ich nach Berlin und verliebte mich in Johannes, meinen jetzigen Freund», sagt Zala Bojovic, die zuvor 12 Jahre lang Handball, und davon vier Jahre für die Slowenische Nationalmannschaft, gespielt hatte. «Nach einer Anstellung im Berliner Bundestagsbüro habe ich an einer Berliner Grundschule eine Willkommensklasse geleitet, also eine Schulklasse für Kinder, die keine Deutschkenntnisse hatten. Willkommensklassen wurden an den Schulen in Deutschland gegründet, um Kindern aus dem Kriegsgebiet Syriens so schnell wie möglich eine Grundlage zu geben.» Über ihre Arbeit sei sie froh und stolz. «Ich konnte Kindern helfen, schneller und besser Fuss zu fassen. Lehrer spielen eine wichtige Rolle in unserer Gesellschaft. Man lehrt nicht nur, sondern ist Kulturvermittler, Psychologe, Integrationskraft und Vertrauensperson in einem und sorgt für einen Raum, in dem sich die Kinder wohlfühlen und sich frei entfalten können.»

An Alma Karlin faszinieren Zala deren Mut und Zielstrebigkeit, allein auf Reisen zu gehen. Es brauche eine grosse Offenheit und ein Selbstvertrauen, verschiedene Menschen, Kulturen, Länder, Pflanzen und Tiere kennenzulernen und sowohl positive als auch negative Erfahrungen in Kauf zu nehmen. «Almas Lebensgeschichte ist eine inspirierende Erfolgsgeschichte über ein kränkliches junges Mädchen, das sowohl in der Gesellschaft als auch in der eigenen Familie als Aussenseiterin galt, jedoch mit Ehrgeiz, Unabhängigkeit und Schaffungswillen, ohne Gatten oder Reichtum eine Weltreise bewältigte und Bücher veröffentlichte.»

Bedingungen einer Korrespondentin
Das Reisen hat sich in den letzten hundert Jahren vollkommen verändert. Während Almas Mitreisende Geschäftsmänner und Arbeiter waren, die in die Kolonien auf andere Stellen versetzt wurden oder ihr Glück in den besetzen Ländern versuchen wollten, ist das Reisen heute Ausdruck für Wohlstand und eine stark individualisierte Gesellschaft. Auslandaufenthalte sind an der Tagesordnung und dienen dazu, andere Länder und sich selber besser kennenzulernen. Die Wahrnehmung neuer Kulturen und unbekannter Natur ist eine andere. «Durch Bücher und Zeitungen, Fernsehen und soziale Medien verfügt der moderne Reisende über viele Informationen und das Reisen ist bei weitem weniger überraschend und somit auch weniger fesselnd», stellt Zala aus eigener Erfahrung fest.

Als weibliche Reisereporterin erfuhr Alma Karlin in den 1920er Jahren viele Widerstände und wurde mehr schlecht als recht bezahlt. «Meist wurde Alma mit «Sehr geehrter Herr Karlin» angesprochen, weil keiner einer Frau eine Weltreise zutraute. Auch gab es vor hundert Jahren keinen Luftverkehr und der Briefund Postverkehr dauerten lange», schildert Zala Bojovic.

Wenn auch aus anderen Gründen, sind die Bedingungen für heutige Reisejournalistinnen und Reisejournalisten alles andere als hervorragend. Seit der Erfindung des Internets und dem Verlust an Werbeeinnahmen können immer weniger Zeitungen Korrespondentinnen und Korrespondenten engagieren, die Zeit für tiefgreifende Reportagen haben.

An den Reisejournalismus glaubt Zala Bojovic dennoch. «An Brisanz und Relevanz haben Reisereportagen nichts verloren. Wichtig wäre, dass möglichst viele Menschen mit unterschiedlichem kulturellem Background neue Kulturen und Länder wahrnehmen und somit eine Perspektivenvielfalt ermöglichen würden.» Sie selber möchte zur Bekanntheit Alma Karlins beitragen, die wie viele andere grossartige Frauen in Vergessenheit geraten sei. «Durch meine Vlogs und Blog-Beiträge in slowenischer und deutscher Sprache möchte ich Alma Karlin, die selber einer deutschen Minderheit Sloweniens angehörte, den deutschsprachigen Bevölkerungen und natürlich den Sloweninnen und Slowenen bekannt machen.»


Alma Karlin wird wiederentdeckt

1889 kam Alma Maximiliana Karlin im deutschslowenischen Cilli (Celje) im damaligen Österreich-Ungarn zur Welt. 1908 ging sie nach London, wo sie sich dem Sprachenstudium widmete und ihren Lebensunterhalt mit Übersetzungen und Privatstunden verdiente. Nebenbei legte sie an der Royal Society of Arts und am Chamber Of Commerce hintereinander Prüfungen in Norwegisch, Schwedisch, Dänisch, Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch und Russisch ab und lernte Sanskrit, Chinesisch und Japanisch. Nach dem Ausbruch des ersten Weltkriegs 1914 verliess sie London und lebte bis 1918 in Norwegen und Schweden, bevor sie für kurze Zeit nach Cilli zurückkehrte. 1919 brach sie zu einer Weltreise auf, die sie in den folgenden acht Jahren durch fünf Kontinente führen sollte.

Alma Karlin bereiste die Welt, arbeitete als Dolmetscherin in Panama, tauchte in die Welt des Voodoo, der Flüche und des Zaubers ein, war auf Hawaii beim Wellenreiten und sah eine Vorführung des damals verbotenen Hula-Tanzes auf dem Strand von Waikiki. In Australien hielt sie Vorträge über ihre Reise. Gleichzeitig kämpfte sie immer gegen Vorurteile, weil sie nicht in das kleinbürgerliche Weltbild anfangs 20. Jahrhundert passte. Auf der Weltreise wurde sie sexuell belästigt, mehrmals überfallen und riskierte in einigen Situationen ihr Leben. Obwohl Geld und Nahrung ständig fehlten, recherchierte sie in Bibliotheken aller Herren Länder über alte Zivilisationen, Bräuche, Mythen und Geschichte, entdeckte Pflanzen und Gegenstände, sammelte sie und machte Notizen.

Durch ihre Reiseerlebnisbücher «Einsame Weltreise» und «Im Banne der Südsee» nach ihrer Heimkehr nach Cilli, wurde sie zu einer der berühmtesten europäischen Reiseschriftstellerinnen. Auch in der deutsch- und französischsprachigen Schweiz stiessen ihre Texte auf hohe Resonanz.

Im Gegensatz zu den meisten ihrer zur deutschen Minderheit in Slowenien gehörigen Verwandten und Bekannten war sie entschiedene Gegnerin des Nationalsozialismus, unterstützte jüdische Flüchtlinge und wurde nach der Besetzung Jugoslawiens durch die Deutschen inhaftiert. Nach ihrer Entlassung schloss sie sich dem slowenischen Widerstand an, gemeinsam mit Thea Schreiber-Gammelin, mit der sie von 1931 bis zum Tod zusammenlebte. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs war sie als deutschsprachige Schriftstellerin in Jugoslawien verpönt und erhielt keinen Reisepass. Arm und vergessen starb sie 1950 in der Nähe von Celje (Cilli). Erst seit der Unabhängigkeit Sloweniens 1991 wird sie allmählich wiederentdeckt. (Quelle: AvivA Verlag)

Die Bücher von Alma M. Karlin erscheinen m AvivA Verlag.

www.aviva-verlag.de


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