Wo die Aare rückwärts fliesst
23.07.2019 MöhlinMöhlins Wasserfahrer an den Schweizermeisterschaften
Nach einer beeindruckenden Leistung am jüngsten Wettfahren kämpfen die Wasserfahrer aus Ryburg-Möhlin kommendes Wochenende in Aarburg um den Schweizermeistertitel.
Ronny Wittenwiler
Mit einer starken Teamleistung am vorletzten Wochenende gewann der Wasserfahrverein Ryburg-Möhlin als Gastgeber den Aargauer Cup, mehrere Podestplätze in den einzelnen Kategorien schauten heraus und Reto Wunderlin, Sieger bei den Senioren, fuhr gar die schnellste Zeit aller Wettkämpfer (die NFZ berichtete). «Die ganz grosse Show wird es wahrscheinlich nicht geben», sagt jetzt Pascal Sacher. Es ist die Antwort des Präsidenten auf die Frage, ob nach dieser starken Leistung die Möhliner Wasserfahrer als Kronfavorit an die Schweizer Meisterschaften kommendes Wochenende reisen.
Nicht in Bestbesetzung
Tatsächlich werden die Karten neu gemischt. Eine Floskel ist das nicht, denn für die Wettkämpfer vom Wasserfahrverein Ryburg-Möhlin wird vieles anders sein als beim letzten Kräftemessen. Der Aargauer Cup war ein Einzelfahren. Die Schweizermeisterschaften in Aarburg kommenden Samstag und Sonntag werden als Paarwettfahren ausgetragen. Und wie es scheint, werden die Möhliner auf ein paar leistungsstarke Fahrer verzichten müssen. Das ist deshalb nicht unwesentlich, zumal jeweils die fünf besten Fahrzeiten jedes Vereins für die Gesamtwertung zählen. Hinzu kommt, dass die Möhliner zwar auch in Aarburg in ihrem Element sein werden, aber nicht in ihrem vertrauten Wohnzimmer, dem Rhein. Sacher erzählt von den besonderen Gegebenheiten, die dort auf der Aare herrschen.
Wenn die Strömung aus dem Ruder läuft
«Je nach Zeitpunkt ändern die Strömungsverhältnisse enorm, so, dass plötzliche andere Kräfte auf den Weidling einwirken», sagt Sacher und räumt ein: «Gewisse Dinge lassen sich dort nicht steuern und man braucht ganz einfach auch ein bisschen Glück.» Das Herzstück der Wettkampfstrecke befindet sich auf der sogenannten «Aarbiger Woog» und tatsächlich herrschen dort Verhältnisse, die ihresgleichen suchen. «Hier fliesst die Aare rückwärts», berichtete das SRF Regionaljournal Aargau Solothurn einst in einer Reportage, auch die Nachrichten- und Informationsplattform «Swissinfo» griff dieses «einzigartige Naturphänomen» auf: Treibgut wird bis zu 300 Meter weit den Fluss hinaufgetragen, manchmal mehrere Male, bevor es den Weg flussabwärts nimmt.
Im Jahr 1996 wurde die Aarewaage in das Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung aufgenommen. «Swissinfo» beschrieb das Phänomen so: «Die Aare wird vom Aarburger Festungsfelsen in ein Knie gezwungen. Mitten im Fluss treffen die starke Strömung und das ruhige Wasser im naturgeformten Hafen aufeinander. Mächtige Wasserwirbel markieren diese Grenze. Das Wasser im Becken wird von ihnen zurückgehalten und flussaufwärts gedrängt. Erst wenn nach ein paar Minuten der Druck zu stark wird, entleert sich das Becken. Der Wasserstand im Hafen sinkt dann jeweils um ein paar Zentimeter. Verstärkt wird die Gegenströmung von zwei Bächen, die bei der ‹Woog› (Waage), wie die Aarburger ihr Naturwunder nennen, in die Aare fliessen.»
Auch der Rheinclub Rheinfelden ist am Start
Nicht auszuschliessen, dass hier der eine oder andere Wasserfahrer ebenfalls sein Wunder erlebt. «Es gab auch Stimmen, die sagen, es sei nicht gerecht, hier einen Wettkampf durchzuführen», erklärt Sacher. «Ich finde die Ausgangslage durchaus interessant. Tatsächlich hat jemand vielleicht auch mal die Chance, nach vorne zu fahren, von dem man es nicht zwingend erwartet.»
Für Möhlins Wasserfahrer gilt es am Samstagnachmittag ernst – um 15.20 Uhr werden sie in den Wettkampf eingreifen. Der Rheinclub Rheinfelden als zweiter Fricktaler Wasserfahrverein nimmt mit seinen Mitgliedern ebenfalls teil. Sie werden bereits um 11.25 Uhr die Strecke in Angriff nehmen. Und auch wenn die Aare hier manchmal rückwärts fliesst: mögen die beiden Fricktaler Vereine möglichst schnell vorwärts kommen.