«Immer wieder etwas Neues gehört einfach dazu»

  28.07.2019 Frick

Martin Plüss ist seit 33 Jahren Lehrer und hat in dieser Zeit die Entwicklung der Schüler, der Schule und der Lehrer miterlebt. Langweilig wird ihm als Lehrer nie.

Andrea Marti

Martin Plüss hatte ursprünglich vor, Biochemiker zu werden. Sein erster Lehrauftrag war lediglich ein Nebenjob während seinen Semesterferien. Doch am Ende der Semesterferien war sich Martin Plüss sicher: «Ich will Lehrer werden!»

Zu dieser Entscheidung bewogen hat ihn der Umgang mit Menschen im Lehrer-Alltag, der ihm besser gefallen hat als die Arbeit mit biochemischen Prozessen. So brach er sein Studium kurzerhand ab und wurde Lehrer. Langweilig wurde ihm als Klassenlehrperson und Fachlehrer für Mathematik, Physik, Chemie und Biologie nie. Denn die Entwicklung der Schüler zu sehen, sei immer wieder interessant, erklärt Plüss. Auch der Umstand, dass den Schülern in diesem Alter viel mitgegeben werden kann, macht Martin Plüss Freude: «Wenn ich mit Schülern zu tun habe, so gebe ich jedes Jahr rund 100 Personen etwas fürs Leben mit. Und das erscheint mir viel.»

Vielseitige Entwicklung
Während den 33 Jahren, in denen Plüss an der Bez Frick gearbeitet hat, hat sich vieles verändert. Die Schüler seien heute selbstbewusster und selbstständiger, teilweise aber auch respektloser als früher. Werten will Plüss dies aber nicht: «Man darf aber nicht sagen, dass es früher besser oder schlechter war. Es war einfach anders.» Neben dem Selbstbewusstsein der Schüler sei auch deren Stresslevel gestiegen. An der Schule läge das aber grösstenteils nicht, meint Plüss. Er macht vor allem die allgegenwärtige digitale Kommunikation für den zusätzlichen Stress verantwortlich. Ausserdem hat sich auch die Freizeit verändert: «Heute ist die Freizeit ein Programm. Alle müssen ins Reiten, ins Ballett oder ins Fussballtraining. Früher gab es das nicht.»

Wie die Schüler hat sich auch die Schule selbst stark verändert. Am Anfang gab es verschiedene Lehrpläne für Mädchen und Jungen. Mädchen konnten aussuchen, ob sie Textiles Werken oder Geometrie-Unterricht besuchen wollten. «Die meisten», schmunzelt Plüss, «haben Geometrie genommen». Die Jungs hatten, während die Mädchen Nähen und Stricken lernten, allgemeines Werken. Plüss erinnert sich, dass Jungs im Textilen Werken oder in der Hauswirtschaft unvorstellbar waren. Eine weitere grosse Veränderung, sagt Plüss, sei der Wechsel von fünf auf sechs Jahre Primarschule. «Es ist einfach nicht mehr dasselbe», bedauert Plüss. Dadurch, dass die Klassen nur noch drei Jahre an der Bezirksschule seien, kenne man die Schüler weniger. Man merkt: Der langjährige Lehrer unterrichtet gerne Klassen, die er gut kennt.

Neben dem Wechsel von 5/4 auf 6/3 und der Veränderungen der Lehrpläne hat Martin Plüss auch die Einführung der Schulsozialarbeit miterlebt. «Am Anfang», so Plüss, «habe ich mich gefragt, für was wir die denn brauchen. Heute sind wir froh, dass es sie gibt.» Heute gäbe es mehr Situationen als früher, in denen die Schulsozialarbeit gefragt sei. «Vielleicht hat man aber früher auch einfach weniger darauf geachtet.», relativiert Plüss. Heute gelangen vor allem Mobbingfälle, Familienprobleme und Selbstverletzungsfälle an die Schulsozialarbeit. Vor allem Familienprobleme sind vor zwanzig Jahren noch viel seltener vorgekommen.

Musik und Ostdeutschland
Doch Martin Plüss befasst sich auch noch mit anderen Themen: Als Ausgleich zu Schule hört er klassische Musik, verbringt Zeit mit seiner Familie oder in seiner Zweitwohnung in Leipzig. Die Region im Osten Deutschlands fasziniert Plüss wegen ihrer geschichtlichen und kulturellen Bedeutung. Seine Vorliebe für den Osten Deutschlands hielt Martin Plüss aber nicht davon ab, auch andere Orte Europas zu bereisen: Island, Albanien und Polen sind nur einige der Destinationen, die er schon besucht hat. Gemeinsam ist all seinen Reisezielen einzig, dass es sich nicht um typische Touristenziele handelt. «Ich gehe einfach nicht dorthin, wo alle anderen sind.»

Diese Ausgleiche sind für den Bez-Lehrer wichtig: «Wenn man 33 Jahre lang dasselbe macht, gehört es dazu, dass man dazwischen immer mal wieder etwas Neues ausprobiert.» Etwas Neues, das war für Martin Plüss auch eine Zeit als Redaktor einer Finanzzeitschrift, wofür er vorübergehend sein Pensum an der Schule reduziert hat, oder als Geschichtslehrer. Wegen dieser Möglichkeiten hat dem langjährigen Lehrer die Abwechslung nie gefehlt. Martin Plüss ist als Lehrer zufrieden.

Zu dieser Zufriedenheit tragen klare Vorstellungen vom Unterrichten bei: «Als Lehrer habe ich drei Ziele: Den Schülern muss es wohl sein, mir muss es wohl sein und die Schüler müssen etwas lernen. Wenn es gelingt, alle drei Sachen zu erreichen – dann ist es gut.» Um das zu erreichen, findet Plüss, muss man sich als Lehrer auf die Schüler einlassen und Verständnis haben – ohne dabei die eigene Linie zu vernachlässigen. Ausserdem findet der langjährige Bez-Lehrer, dass der Schulstoff nicht immer das wichtigste ist im Klassenzimmer. Manchmal müssen dringende Probleme in der Klasse direkt angegangen werden. «Ich habe immer das Gefühl, dass es auch noch anderes gibt, das man den Schülern fürs Leben mitgeben muss.» Um den Schülern auch noch Erfahrungen ausserhalb des Klassenzimmers zu ermöglichen, ist Martin Plüss momentan damit beschäftigt, einen Schüleraustausch mit einem Leipziger Gymnasium zu organisieren. Auch dieses Projekt zeigt: Martin Plüss wird es nicht langweilig werden.


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