Entscheide zu Prämienverbilligung und Steuerabzügen
27.06.2019 NordwestschweizBericht aus dem Grossen Rat
Am vergangenen Dienstag hat der Grosse Rat den Beitrag des Kantons Aargau an die Verbilligung der Krankenkassenprämien für das laufende Jahr um 10,2 Millionen auf 106,2 Millionen Franken erhöht. Das Parlament sagte zudem in erster Lesung Ja zum neuen Steuergesetz.
AARAU. Zu Beginn der Sitzung wurde der Rat über den Rücktritt von Frau Regierungsrätin Roth informiert. Das Rücktrittsschreiben wurde dabei schon gar nicht mehr verlesen. Es sei ja schon bekannt. Aber trotzdem vermisse ich hier etwas den politischen Anstand.
Als erstes Traktandum wurde der Geschäftsbericht 2018 der Aargauischen Gebäudeversicherung (AGV) behandelt und zur Kenntnis genommen. Trotz tieferer Schadensumme war das Betriebsergebnis negativ. Diese Abhängigkeit stimmt nachdenklich. Das Ergebnis hängt offenbar vom Börsenerfolg und weniger von Naturereignissen ab.
Prämienverbilligung
Das Dekret zur Prämienverbilligung gab mehr zu diskutieren. Der Grosse Rat hatte zu entscheiden, wie viele Mittel der Kanton neu für die Prämienverbilligungen zur Verfügung stellen soll. Nach der Rüge des Kantons Luzern durch das Bundesgericht (zu tief angesetzte Einkommensgrenze für Familien mit Kindern und jungen Erwachsenen) hat die Aargauer Regierung ihren ursprünglichen Vorschlag zurückgezogen und jetzt mehr Mittel für Alleinerziehende mit Kind vorgeschlagen. Demnach soll der Kantonsbeitrag rückwirkend um 10,2 Millionen Franken erhöht werden. Das Bundesrecht gibt den Kantonen einen Ermessensspielraum. Der Streit war so vorprogrammiert, denn SP und Grüne verlangten deutlich höhere Nachtragskredite von 20,2 Millionen Franken. Von rechts kam der Antrag, nur fünf Millionen Franken mehr zu sprechen. Schliesslich setzte sich der Regierungsrat durch.
Die Mittel werden damit nachträglich für 2019 um 10,2 Millionen Franken aufgestockt. Für 2019 stehen jetzt 106,2 Millionen beziehungsweise 116 Millionen Franken für 2020 zur Verfügung. Damit setzt sich der interimistische Gesundheitsdirektor Stephan Attiger auf der ganzen Linie durch. Die SP hat angekündigt, den Rechtsweg zu gehen. Mein Fazit nach der Debatte um die Prämienverbilligung: es besteht Handlungsbedarf bei den ständig steigenden Gesundheitskosten. Das ist nicht neu. Der Bund zahlt 2020 (Schätzung) 224 Millionen Franken allein für den Kanton Aargau. Die Politik in Bundesbern muss diese Kosten endlich in den Griff bekommen, weil das heutige System je länger je weniger finanzierbar ist. Kinderreiche Familien leiden unter den hohen Prämien.
Der Jahresbericht und die Jahresrechnung 2018 der Aargauischen Kantonalbank (AKB) wurden zur Kenntnis genommen. Vom Gewinn von 144 Millionen werden 60 Millionen Franken dem Kanton abgeliefert. Das ist ein Drittel weniger als in den Vorjahren. Der Grund ist, dass die Bank in Erwartung strengerer Eigenmittelvorschriften diese freiwillig aufstockt.
Steuergesetz gab zu reden
Viel zu reden gab die erste Lesung des Steuergesetzes. Hauptelement der Botschaft ist die Übernahme von Bundesrecht ins kantonale Steuergesetz, so vor allem die Einführung des Grundpfandrechts. Dieses wurde mit den Stimmen der Ratslinken sehr knapp überwiesen. Der Rat stimmte aber zwei Prüfungsanträgen zu, die etwas Klarheit in die Fakten geben sollen (erstens Haftung des Verkäufers und zweitens Details zum administrativen zum Aufwand).
Nach dem sehr knappen Scheitern letzte Woche waren FDP und SVP diesmal erfolgreich mit zwei überraschenden Prüfungsaufträgen. Die Regierung soll bis zur zweiten Lesung der Vorlage im November prüfen, ob man den Steuerabzug für Krankenkassenprämien entsprechend den Absichten des Bundesgesetzgebers bei der direkten Bundessteuer erhöhen könnte. Der Abzug würde damit etwa um die Hälfte erhöht. Zudem soll ein Mechanismus für jährliche Anpassungen erarbeitet werden. Die CVP hat zudem ein Postulat eingereicht, indem ebenfalls höhere Abzüge bei den Krankenkassenprämien in der Steuererklärung verlangt werden. Klarheit werden wir erst nach der zweiten Lesung haben.
Zudem behandelte der Grosse Rat diverse Vorstösse. Aufgefallen ist dabei der teilweise erfolgreiche Vorstoss von Martina Bircher, SVP, betreffend Schreiben nach Gehör. Sie wollte ein Verbot. Der Bildungsdirektor will nun zumindest die Lehrmittel für Schreiben nach Gehör aus der Lehrmittelliste streichen.
KOMMENTAR
Krankenkassenprämien, die andere Sicht
Im Gegensatz zu Grossrätin Gertrud Häseli sehe ich Handlungsbedarf bei den Steuerabzügen von Krankenkassenprämien. Die letzte Anpassung des Pauschalabzugs liegt 18 Jahre zurück und in der gleichen Zeit ist die Durchschnittsprämie um 135% angestiegen! Eine Anpassung ist dringend angezeigt. Der Bund hat es vorgemacht und eine Anpassung von rund 76 % vorgenommen. Der Kanton Aargau hat die Entwicklung «verschlafen» und eine Anpassung geht jetzt finanziell ins Tuch. Die Mehrheit des Grossen Rates ist nun der Ansicht, man sollte zumindest prüfen, wie der im Steuergesetz festgesetzte Pauschalabzug für Versicherungsprämien an die gestiegenen Krankenkassenprämien angeglichen werden kann. Zudem soll ein geeigneter Mechanismus ausgearbeitet werden, damit der Abzug regelmässig an allfällige Prämienerhöhungen angepasst wird.
Aber dies ist nur die eine Seite der Kostenfalle. Bundesbern sollte endlich eine griffige Lösung erarbeiten, die die ständig steigenden Gesundheitskosten in den Griff kriegt.
BERNHARD SCHOLL, GROSSRAT FDP, MÖHLIN