«Ich wollte eigentlich Milchmann werden»

  27.05.2019 Stein

Er ist immer am Ball. Als Fussballer beim FC Möhlin, als Chefredaktor bei der BaZ, als Ansprechpartner für seine Leser. Er sucht Herausforderungen und findet Erholung beim Sport – am liebsten in der Natur des Fricktals, wo er seit 1974 wohnt.

Simone Rufli

Der Kaffee ist serviert, das Smartphone in Reichweite platziert. Marcel Rohr nimmt sich an diesem Nachmittag gerne Zeit für ein Gespräch – aber erreichbar muss der Chefredaktor der Basler Zeitung immer sein. Wobei immer für den 52-Jährigen wirklich immer ist, einschliesslich Freizeit und Ferien. Eine Belastung sei das nicht für ihn, sagt er, checkt kurz den Mail-Eingang und fügt hinzu: «Ich versuche auch alle E-Mails aus der Leserschaft, die an mich gerichtet sind, persönlich zu beantworten. Allein seit ich Chefredaktor bin, sind das bereits ein paar Hundert.» Spüren, was die Menschen in der Region bewegt, das ist dem Mann wichtig. Und er ist überzeugt: «Journalismus ist heute wichtiger denn je. Viele Leute sind verunsichert. Indem Journalisten Öffentlichkeit herstellen, tragen sie zur Sicherheit bei. Und doch ist es eine schwierige Zeit für den Journalismus. Einerseits findet eine Verlagerung in den Online-Bereich statt, andererseits müssen die Leute bereit sein, für journalistische Inhalte zu bezahlen. So eine ausgeprägte Gratiskultur wie in der Schweiz gibt es sonst nirgends.»

Vom Baselbiet ins Fricktal
Aufgewachsen ist Marcel Rohr in Birsfelden, Pratteln und Arlesheim. Dass er sich trotzdem als Fricktaler fühlt, ist dem Umstand zu verdanken, dass er anno 1974, im Alter von sieben Jahren, nach Möhlin kam und seither im Fricktal lebt. Bis 1990 in Möhlin, dann folgte der Umzug nach Rheinfelden. Im Zähringerstädtchen blieb er 27 Jahre lang, bis er vor zwei Jahren nach Stein übersiedelte. Pro Fricktal führt Rohr die schöne Natur, die gute geographische Lage und damit verbunden die Infrastruktur ins Feld: «In 20 Minuten bin ich mit dem Zug in Basel, in 35 Minuten in Zürich – beides ohne Stau!» Seit die BaZ im Oktober 2018 ins Zeitungsnetzwerk von Tamedia integriert worden ist, gehören für Rohr auch Fahrten nach Zürich zum Alltag.

Am 30. Oktober 2018 ist Marcel Rohr als Chefredaktor der Basler Zeitung vorgestellt worden. «Auf den Tag genau 30 Jahre nachdem ich beim ‹Doppelstab› meine ersten Schritte in den Journalismus gemacht habe.» In der Basler Wochenzeitung hat Rohr damals unter anderem regelmässig über den FCB geschrieben, nachdem er zuvor schon 3.-Liga-Matchberichte für den FC Wallbach verfasst hatte. Seine Liebe zum Fussball lebte er auch als aktiver Fussballer. In Pratteln spielte er noch in der Saison 1988/89 in der 1. Liga, «bis ich mir eingestehen musste, dass ich zu langsam bin und in den unteren Ligen weiterspielte». Mittlerweile spielt Rohr bei den Senioren 50+ des FC Möhlin. Seine bevorzugte Position? Die Antwort kommt postwendend und mit einem Augenzwinkern: «Ballverteiler, Mittelpunkt – so wie im Beruf auch.»

«Schulzeit» im Boulevard
Als FCB-Schreiber habe er bereits in den Jahren beim «Doppelstab» gelernt, in der Öffentlichkeit zu stehen und mit Kritik aus der Öffentlichkeit umzugehen. «Das hat mich weitergebracht.» Matchentscheidend seien aber die zwölf Jahre beim «Blick» gewesen. «Wenn du mal durch den Boulevard-Journalismus gegangen bist und dich dort behaupten konntest, bist du für alles Weitere bestens gerüstet, weil du eine grossartige Schule durchlaufen hast.» Rohrs «Schulzeit» dauerte von 1993 bis 2005. Dann kehrte er beruflich nach Basel zurück und wurde Sportchef bei der Basler Zeitung und bald darauf Blattmacher. Eine Tätigkeit, die den Sportjournalisten Rohr dazu zwang, sich weit über den Fussballplatz hinaus zu lehnen. «Ich habe mich als Blattmacher in den vergangenen zehn Jahren täglich mit der Arbeit in allen Ressorts auseinandergesetzt und mich selbstverständlich auch über das politische Geschehen informiert», betont Rohr nicht ohne Grund. Denn im Zusammenhang mit seiner Beförderung zum Chefredaktor gab es auch kritische Stimmen, die an seiner Fähigkeit für diese Position zweifelten. Rohr hebt die Achseln, lächelt: «Wie gesagt, ich bin durch eine gute Schule gegangen und komme mit Kritik bestens zurecht. Ich suche Herausforderungen und als leidenschaftlicher Journalist arbeite ich mich gerne in jedes Thema ein.»

Am Anfang war das Inserat
Und doch träumte Rohr einst von einem ganz anderen Beruf. «Ich wollte Milchmann werden und habe auch in diesem Beruf geschnuppert.» So richtig gepasst habe ihm diese Arbeit dann aber doch nicht. Am Ende der Sekundarschule in Möhlin entschied er sich für eine kaufmännische Lehre in der Spedition und arbeitete später auf einer Bank im Zahlungsverkehr und an der Kasse. Und wie fand er dann 1988 zum Journalismus? «Dank meiner Mutter. Sie hat in einem Inserat gelesen, dass der ‹Doppelstab› einen Volontär suchte.» Marcel Rohrs Mutter ist die ehemalige Fricktaler SP-Grossrätin Doris Benker. Und da hat die Politikerin also einen Sohn, der stets auf der Suche nach Herausforderungen ist, gerne im Zentrum steht, TV-Auftritte mag, ehrgeizig und zielstrebig ist, nahe bei den Leuten, respektvoll im Umgang und an allem interessiert – zog es ihn denn nie in die Politik? Marcel Rohr lacht und schüttelt den Kopf: «Meine Mutter hat mich zwar dazu ermutigt, doch für die Politik fand ich nie Zeit.» Seine Freizeit verbringt Rohr viel lieber in der Natur beim Joggen oder Spazieren. Im Winter hält er sich mit Saunagängen fit und einmal schrieb er ein Buch. Im Jahr 2012 erschien Rohrs bislang einziges Buch. Eine Biographie mit dem Titel «Alex Frei – König des Strafraums». «Ein Buch zu schreiben, war eine spezielle Herausforderung», sagt Rohr. Im Februar kam wieder eine ganz neue Herausforderung dazu: Der Vater von zwei erwachsenen Töchtern wurde zum ersten Mal Grossvater.


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