«Elternsein ist doch nicht eine reine Frauensache»

  21.04.2019 Frick

Er sagt von sich, er lebe in der klassischen Rollenverteilung und doch schafft er es immer wieder, daraus auszubrechen. Vor zwei Jahren kam der 43-Jährige in den Vorstand des Elternvereins, Anfang April wurde er einstimmig zum Vize-Präsidenten gewählt.

Simone Rufli

Es geschah an einer Lesenacht. Man schrieb das Jahr 2017. Es war November und nichts deutete auf eine derartige Entwicklung hin. Nichts ahnend sass der Vater von zwei kleinen Kindern damals im Kaffee des Elternvereins. Einziger Mann unter 20 Frauen. Prompt wurde er angesprochen, in ein Gespräch verwickelt – und seither sitzt er im Vorstand des Elternvereins. Wie ihm das als Mann passieren konnte? Reto Zurflüh lacht, wird dann aber wieder ernst, wenn er feststellt: «Elternsein ist doch nicht eine reine Frauensache! Was ich über die Arbeit des Elternvereins an diesem Abend zu hören bekam, beeindruckte mich.» Und doch sei es ihm ergangen wie vielen Männern: «Ich bin nach Hause gekommen und habe meiner Frau gesagt: Du das wäre doch etwas für dich, der Elternverein sucht dringend Vorstandsmitglieder. Du könntest doch, vielleicht...» Zurflüh schmunzelt bei der Erinnerung an die Reaktion seiner Frau. «Sie meinte nur: ja dann übernimm doch du eine Aufgabe in diesem Verein.» Zuerst sei er in die Falle des klassischen Musters getappt. «Auch bei uns zu Hause wird ein Grossteil der Haus- und Erziehungsarbeit von meiner Frau geleistet.» Dann aber habe er sich einen Ruck gegeben. «Ich war damals noch zu 100 Prozent selbstständig tätig, arbeitete ziemlich flexibel und von zu Hause aus.» Training und Coaching für Teamentwicklung und in der Arbeit mit Stellenlosen.

Wertvolle Inputs
Das war das Tätigkeitsfeld von Zurflüh, der vor 20 Jahren bei der Sunrise-Vorgängerfirma diAx quasi über Nacht Mediensprecher wurde. «Damals fand ich es noch toll, in der Öffentlichkeit zu stehen», sagt Zurflüh augenzwinkernd. Weil die Familie Stabilität verlange, habe er sich dann nach und nach um ein regelmässigeres Einkommen bemüht und dafür die Selbstständigkeit reduziert. Seit einem Jahr arbeitet er hauptsächlich bei der Suchtprävention Aargau in Aarau. Aus seiner Arbeit kommen denn auch immer wieder wertvolle Inputs für den Elternverein. «Am 9. Mai startet eine dreiteilige Workshopreihe in Frick zum Thema Freiräume und Grenzen im Elternalltag», erzählt Zurflüh. «Für mich sind die beiden Betätigungsfelder sehr spannend und ich stelle zahlreiche Berührungspunkte fest. Themen wie psychische Gesundheit sind bei meiner Arbeit mit Erwachsenen genauso wichtig, wie im Kleinkindesalter als Prävention.» Im Alter zwischen Null und vier Jahren werde idealerweise der Grundstein gelegt, damit später gar kein Grund entstehe, in irgendeiner Form süchtig zu werden. «In dem Alter aber fühlen sich viele Eltern überfordert», stellt Zurflüh fest. Die Suchtprävention versuche dem Umfeld der Kinder Werkzeuge und Haltungen in die Hand zu geben, auch mittels der kostenlosen Mediothek. «Das gleiche versuchen wir im Elternverein mit Kursen und Vorträgen für die Eltern.»

Mit Blick auf die Stadt Basel
Aufgewachsen ist Reto Zurflüh in Gelterkinden. Er war Mitte 20, als er mit seinem Vater eine Firma gründete im Bereich Unternehmensberatung, Marketing, Kommunikation und Auftrittskompetenz. «Ich musste erst aus dem Schatten des Vaters treten», erklärt Zurflüh seinen baldigen Absprung. In Bern fand er eine neue Herausforderung im Marketing, bevor er sich entschied, auf Reisen zu gehen. «Zusammen mit meiner Frau bin ich ein halbes Jahr durch Südamerika gereist.» Argentinien, Chile, Bolivien, Peru, Ecuador. Nach der Rückkehr haben sich die beiden dann in der Liebrüti in Kaiseraugst niedergelassen. «In einer Wohnung im zehnten Stock mit Blick auf die Stadt Basel und nahe genug am Baselbiet.» Zurflüh lacht. «Nach Frick sind wir eher zufällig gekommen. Mit zwei Kindern wollten wir gerne in den eigenen vier Wänden leben und in Frick fanden wir etwas Passendes.»

Eine zusätzliche Sicht einbringen
Er bemühe sich, ein engagierter Vater zu sein und im Haushalt mitzuarbeiten. «Trotzdem bin ich noch nie in Versuchung gekommen, eine Leidenschaft für Waschmaschinen oder Staubsauger zu entwickeln.» Denn trotz Flexibilität mit Teilzeitanstellung und eigener Firma sei es auch im Jahr 2019 noch schwierig, sich die Familienarbeit gleichwertig aufzuteilen, ohne im Arbeitsmarkt Einbussen hinnehmen zu müssen. Im Vorstand des Elternvereins aber bringe er gerne eine zusätzliche Sicht ein. «Und doch käme es mir nicht in den Sinn, als Mann im Frauenvorstand hinzustehen und zu sagen, jetzt machen wir das so und so. Ich empfinde es als erfrischend, dass Frauen oftmals intuitiver und ergebnisoffener, dafür zuweilen etwas weniger strukturiert ans Werk gehen.» Viel liegt Zurflüh am Austausch mit dem Gemeinderat und mit der Schule, am Thema Sicherheit im Strassenverkehr. «Und wenn es in Frick eines Tages mehr Babysitter geben würde, wäre das auch ein Gewinn.» Zurflüh ist auch für den Aufbau und Unterhalt der Webseite verantwortlich. Präsent sein, aktuell sein, regelmässig in Erscheinung treten – das ist ihm für den Verein wichtig.

Nachwuchs rekrutieren
«Wichtig ist auch, dass immer wieder neue Leute für die Arbeit im Vorstand des Elternvereins gewonnen werden können. Denn anders als bei irgendeinem anderen Verein, entwachsen Mütter und Väter zusammen mit ihren Kindern dem Verein relativ schnell», gibt Zurflüh zu bedenken. «Und es wäre super, wenn ich nicht mehr lange der einzige Mann im Vorstand des Fricker Elternvereins bin.»

www.elternverein-frick.ch www.deschnällschtfricker.ch www.suchtpraevention-aargau.ch www.mediothek.ch


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