Streit zwischen Asylsuchenden endet vor Gericht

  01.02.2019 Wegenstetten

In einer Asylunterkunft in Wegenstetten ist es im März 2018 zu einem Streit gekommen, bei dem ein Beteiligter zu einem Messer gegriffen haben soll. Der beschuldigte 27-jährige Somalier musste sich am Mittwoch vor dem Bezirksgericht Rheinfelden verantworten.

Valentin Zumsteg

Was in der Nacht auf den 17. März 2018 in der Asylunterkunft in Wegenstetten genau geschehen ist, darüber gehen die Aussagen und Ansichten auseinander. Klar ist, dass es einen Streit gab. Offenbar hatte ein junger Somalier um 0.40 Uhr in der Küche lautstark Musik gehört. Ein Sudanese störte sich daran und forderte ihn auf, die Musik leiser zu drehen. Es kam zu einer Auseinandersetzung, in deren Verlauf der stark alkoholisierte Somalier zu einem Küchenmesser gegriffen und damit den Sudanesen bedroht haben soll. Mit der flachen Seite der Klinge habe er ihn auf den Arm geschlagen, sagte das Opfer aus. Später soll der Täter mit dem Messer auch in seine Richtung gestochen, ihn aber verfehlt haben. Schliesslich flüchtete das Opfer auf die Toilette, wobei der Somalier mindestens zwei Mal mit dem Messer in die abgeschlossene Türe schlug. Ein weiterer Bewohner der Asylunterkunft alarmierte daraufhin die Polizei. Als diese eintraf, stellte sie Einstichstellen in der Tür fest und fand auf dem Boden zwei Bruchstücke des Messergriffs.

«Das ist ein Kollege»
Am Mittwochnachmittag musste sich der heute 27-jährige Somalier vor dem Bezirksgericht Rheinfelden verantworten. Die Verhandlung führte Gerichtspräsident Christoph Lüdi. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Beschuldigten versuchte schwere Körperverletzung vor. «Ich habe nichts mit einem Messer zu tun gehabt. Der andere ist mein Kollege, es ist unmöglich, dass ich ihn verletzen wollte», sagte der Angeklagte. Er könne sich allerdings an vieles nicht mehr erinnern. Wie er erzählte, hatte er vor der Tat den ganzen Tag Bier, Whisky und Wodka getrunken sowie Marihuana geraucht. Zur Tatzeit hatte er rund 1,8 Promille Alkohol intus. Es sei für ihn ein Rätsel, was genau passiert war. Wiederholt erklärte er aber, dass der Sudanese ihn für eine Haftstrafe verantwortlich mache, die dieser in einem anderen Fall absitzen musste.

Die Aussagen des Somaliers vor Gericht waren widersprüchlich, häufig berief er sich darauf, dass er sich nicht mehr erinnern könne. Ein Gutachten hat ergeben, dass bei ihm eine mittelgradige Alkoholabhängigkeit vorliegt und aus forensisch-psychiatrischer Sicht wurde eine mittelgradige Verminderung der Schuldfähigkeit festgestellt.

Aber auch die Aussagen des Opfers waren teilweise unklar. Dazu trug bei, dass er nur schlecht Deutsch verstand und kein Übersetzer für Englisch vor Ort war. Ein weiterer Zeuge, der in jener Nacht die Polizei gerufen hatte, verweigerte vor Gericht weitgehend seine Aussage. Offenbar hatte er Angst um seine Sicherheit. Ein dritter Zeuge hingegen bestätigte, dass er den mutmasslichen Täter mit einem Messer in der Hand gesehen hatte. Viel mehr wollte er aber auch nicht sagen.

«Nur durch Zufall wurde das Opfer nicht verletzt oder getötet»
Der Angeklagte kam 2009 in die Schweiz. Seit 2010 ist er bereits acht Mal verurteilt worden, teilweise wegen Gewaltdelikten. Die Staatsanwältin forderte für ihn eine unbedingte Freiheitsstrafe von 20 Monaten sowie eine Landesverweisung für zehn Jahre. «Er ging aus einem nichtigen Anlass mit einem Küchenmesser, das eine 19 Zentimeter lange Klinge aufwies, auf einen Mitbewohner los. Nur durch Zufall wurde das Opfer nicht verletzt oder getötet. Seine Aussagen sind unglaubwürdig und widersprüchlich», erklärte sie. Er habe auch keine Reue gezeigt.

Das sah der Verteidiger ganz anders. Es sei nicht erwiesen, dass der Beschuldigte tatsächlich zu einem Messer gegriffen habe. Hier müsse der Grundsatz «im Zweifel für den Angeklagten» gelten. Zudem wies er daraufhin, dass sein Mandant aus einem Konfliktgebiet stamme und traumatisiert sei. Er habe nie eine Schule besucht, könne weder lesen noch schreiben. Der Verteidiger forderte einen Freispruch und eine Genugtuung für den Angeklagten für die mehr als 300 Tage, die er bereits in Haft sitzt.

Das Urteil ist noch nicht gefällt. Zuerst muss sich das Obergericht noch mit der Frage beschäftigen, ob Gerichtspräsident Christoph Lüdi in den Ausstand hätte treten müssen. Dies verlangte die Staatsanwaltschaft, da Lüdi in diesem Verfahren eine Zwischenverfügung unterzeichnet hatte und deswegen als befangen gelten könnte. Heisst das Obergericht das Gesuch der Staatsanwältin gut, muss sich wahrscheinlich ein anderes Aargauer Bezirksgericht mit dem Fall von neuem beschäftigen. Fortsetzung folgt.


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