«Vertrauen zwischen Arzt und Patienten ist das Wichtigste»

  17.02.2019 Rheinfelden

Seit bald einem Jahr ist Dr. Thomas Ernst Hausarzt in Rheinfelden

Immer weniger Mediziner wollen Hausarzt sein. Doch für Thomas Ernst, der im vergangenen April eine Praxis an der Kaiserstrasse in Rheinfelden eröffnete, war es der Beruf, den er suchte. Als Hausarzt ist er autonom – soweit es die manchmal ziemlich engen Vorgaben des Staates und der Krankenkassen erlauben. Und er hat den persönlichen Kontakt mit den Patienten, den er in einem grossen Spital vermissen würde.

Edi Strub

Thomas Ernst hätte die Weichen für seine Karriere auch anders stellen können. Er war Oberarzt am Kantonsspital Liestal und hätte wohl auch an einer Universitätsklinik seinen Weg gemacht. Doch er entschied sich vor ein paar Jahren, Hausarzt zu werden - in Rheinfelden, wo er als Bursche in die Bezirksschule ging. «Was man beruflich tut, muss in erster Linie im Bauch und im Herzen stimmen. Und das muss für mich nicht die superspezialisierte Universitätsmedizin sein.»

«Ich arbeite als Hausarzt, weil ich mich gerne mit Leuten beschäftige, die ich kenne oder wenigstens mit der Zeit kennen lernen werde», sagt Thomas Ernst. Man müsse sich jeden Tag neu um diese Beziehungen bemühen. Das sei nicht leicht und funktioniere manchmal trotz grosser Anstrengungen nicht. «Das fühlt sich dann fast so an wie leichter Liebeskummer. Umso schöner in den Fällen, wo es gelingt.»

Grosses Privileg
Das Geheimnis dabei sei, Vertrauen zu schaffen. Er habe das zum ersten Mal gefühlt, als er als junger Mann bei einer Kapazität für Knieoperationen in Behandlung war. Als ihm der unter dem Spitznamen «Kniemüller» bekannte Arzt die Hand auf sein lädiertes Knie gelegt habe, habe er gewusst, dass dieser Mann der richtige sei. «Ich wusste, dass er so operieren würde, wie wenn er sein eigenes Kind unter dem Messer hätte. Nach diesem Tag war für mich auch klar: Ich will selber Arzt werden», erzählt Thomas Ernst. Kein anderer Beruf, den er kenne, habe so viel mit Vertrauen zu tun. Er empfinde das als grosses Privileg aber natürlich auch als grosse Verpflichtung.

«Ich kann mich noch genau erinnern, als ich vor rund einem Jahr den ersten Patienten in meine Agenda einschrieb», sagt Thomas Ernst. Nebst Freude habe er auch Zweifel gespürt, ob das wirklich eine gute Idee sei, eine eigene Praxis aufzumachen. «Aber alles war schon in die Wege geleitet, viel Geld investiert.» Es gab kein Zurück.

Inzwischen hat Thomas Ernst gut 1200 Patienten in seiner Kartei. Rund tausend waren auch schon mindestens einmal in der Sprechstunde, einige schon über ein Dutzend Mal. Viele Leute kenne er nun schon recht gut, andere natürlich eher oberflächlich. Alles brauche seine Zeit. Aber das sei die Voraussetzung, um gute Entscheide zu fällen.

Was Thomas Ernst oft stört in seinem Beruf, ist, dass sehr viel durch die Vorgaben der Politik und der Krankenkassen «getaktet» sei. Abrechnen könne er pro Gespräch im Normalfall nur maximal zwanzig Minuten. Und wenn dann ein alter Mann mit Stock komme, schlecht höre und die Dinge etwas langsamer verstehe, gehe es eben manchmal länger. Und der Patient frage am Ende dann vielleicht noch wegen seiner Warze und dem Druck auf der Brust, wenn er die steile Treppe hochgehen müsse. So brauche es halt einfach seine Zeit, wenn eine Behandlung eine gewisse Qualität haben soll, auch wenn im Wartezimmer schon der nächste Patient wartet.

Wenn Thomas Ernst am Abend auf das Programm auf seinem Computer schaut, das ihm die abrechenbare Zeit anzeigt, sei es meist viel weniger als seine effektive Arbeitszeit von morgens sieben Uhr bis abends sieben Uhr. Und darum ärgert er sich auch über die Lohnstatistiken, die in den letzten Tagen wieder durch die Presse gingen. Die Medianlöhne für Ärzte, die dort genannt wurden, seien für ihn völlig unerreichbar und dennoch habe er immer wieder das Gefühl, sich dafür rechtfertigen zu müssen. Er mache sich auch immer wieder Sorgen über die wirtschaftliche Nachhaltigkeit seiner Praxis. Aber das sei wie mit Wunden. Es tue manchmal weh, aber dann vergesse er es wieder.

Hier bin ich zuhause
Thomas Ernst fühlt sich wohl in Rheinfelden und in Magden, an seinem Wohnort. Das merke er jedes Mal, wenn er mit seiner Familie aus den jährlichen Ferien in Schweden zurückkehre, wo er es liebt zu baden und zu fischen. «Doch wenn wir heimkommen, mit dem Zug vom Flughafen durchs Fricktal fahren und ich diese saftig grünen Wiesen sehe, die Berge und die Wälder und den Rhein, dann weiss ich, hier bin ich zuhause.»

Am Schluss unseres Gesprächs mahnt Thomas Ernst, dass die Gesellschaft vor lauter Vorgaben und Sparmassnahmen nicht vergessen sollte, dass Hausärzte auch in der heutigen Zeit eine Schlüsselrolle in der medizinischen Versorgung spielen. Dazu müsse Sorge getragen werden.


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