Erst mit 75 zum Arzt

  05.01.2019 Fricktal

«Das ist doch der Beweis, dass die Eigenverantwortung spielt»

Maximilian Reimann beginnt 2019 mit einem politischen Erfolg

Seit 1. Januar 2019 müssen Automobilisten nicht mehr mit 70 sondern erst ab 75 – und danach alle zwei Jahre – einen verkehrsmedizinischen Check bestehen, um weiter Auto fahren zu dürfen. Urheber dieser Änderung des Strassenverkehrsgesetzes ist der Gipf-Oberfricker SVP-Nationalrat Maximilian Reimann (76).

Simone Rufli

NFZ: Herr Reimann, seit dem 1. Januar müssen Senioren nun erst im Alter von 75 Jahren zum ersten Mal zum Medizinalcheck. Das haben die Senioren Ihrem Einsatz zu verdanken. Und nun hat auch das Warten auf die Umsetzung ein Ende. Sind Sie zufrieden?

Maximilian Reimann: Ja und Nein. Zufrieden bin ich, dass die Änderung nun endlich in Kraft getreten ist. Die eidgenössischen Räte hatten sie schon in der Herbstsession 2017 verabschiedet. Die Mühlen der Bürokratie brauchten für die Inkraftsetzung viel zu lange, auch wenn es noch drei Monate Referendumsfrist abzuwarten galt. Insbesondere die Strassenverkehrsämter taten sich schwer, nun fünf Jahrgänge in ihrem «Herrschaftsbereich zu verlieren». Absolut nicht zufrieden bin ich, wie die Strassenverkehrsämter jene Senioren drangsaliert hatten, die vor zwei Jahren aus Termingründen den Medizinalcheck noch ins alte Jahr vorverlegt hatten. Ihnen wurde der Entzug des Fahrausweises angedroht, wenn sie nicht nochmals zum Test antreten. Positiv hingegen ist die neue Übergangsregelung für die 74-Jährigen; sie werden erst mit 76 zur nächsten Prüfung aufgeboten.

Für Sie persönlich kommt diese Gesetzesänderung zu spät. Sie sind 76 und müssen seit sechs Jahren alle zwei Jahre zum Check.
Und trotzdem wurde mir von «ideologisierten Gegnern» vorgeworfen, ich sei von Eigeninteressen geleitet gewesen, um selber um den Check herumzukommen… Tatsächlich hatte ich den Check schon dreimal gemacht, bevor ich meine parlamentarische Initiative zur Heraufsetzung dieser nicht mehr zeitgerechten Alterslimite lanciert hatte. Dabei erkannte ich, dass es völlig unverhältnismässig ist, 100 Senioren zum Medizinalcheck antreten zu lassen, um einen einzigen «Sündenbock» ausfindig zu machen. Der Präsident des Schweizerischen Hausärzteverbandes pflichtete mir in dieser Erkenntnis übrigens völlig bei. Er sprach von unsinniger Verschwendung der immer knapper werdenden Hausärztekapazität!

Die Strassenopfer-Vereinigung Roadcross gibt zu bedenken, dass im letzten Jahr doch rund 1200 Fahrzeuglenker zwischen 70 und 74 in den Checks hängen geblieben sind und auf ärztlichen Entscheid hin den Fahrausweis abgeben mussten. Was sagen Sie zu den geäusserten Befürchtungen, dass es gefährlicher werden könnte auf unseren Strassen, wenn man diese Fälle künftig erst später erkennt?
Wir haben Meinungsfreiheit in unserem Land und den Teufel an die Wand zu malen, ist jedermann gestattet! Aber bleiben wir auf dem Boden der Realität: In unseren Nachbarländern Deutschland, Österreich und Frankreich gibt es überhaupt keine solchen verkehrsmedizinischen Prüfungen; da wird auf die Eigenverantwortung gesetzt und die Statistik erbringt den Beweis, dass es dort nicht mehr Verkehrsunfälle gibt, die von Senioren verursacht werden. Was sagt «Roadcross» dazu? Ginge es nach deren Willen, müsste den Ü-75-jährigen Deutschen, Österreichern und Franzosen die Einreise in die Schweiz im eigenen Auto ja wohl verboten werden…

Es gibt Senioren, die setzen sich frühzeitig eine persönliche Altersgrenze und geben bei Erreichen dieser den Fahrausweis aus freien Stücken und ohne ärztliches Zutun ab. Haben Sie sich schon mit dem Ende der eigenen Automobilität befasst?
Das ist doch förmlich der Beweis, dass die Eigenverantwortung spielt. Der Eine kauft sich mit 94 Jahren, wie ich es eben miterlebt habe, noch einen Ferrari. Die Andere gibt mit 73, vielleicht sensibilisiert durch das familiäre Umfeld, das Billet freiwillig ab. Irgendwo dazwischen werde ich dereinst wohl auch liegen.

Sie setzen sich in Bern seit vielen Jahren für die Anliegen der Senioren ein, weil diese keine Lobby haben, aber einen bedeutenden Teil der Bevölkerung ausmachen.
Es gibt sehr wohl lobbyistische Seniorenverbände, auf kantonaler wie auf eidgenössischer Ebene. Aber setzen sich diese wirklich für das Wohl der Senioren ein? Das unrühmlichste Beispiel erlebte ich im Jahre 2012, als es um die Volksinitiative «Sicheres Wohnen im Alter» ging. Diese hätte den Wohneigentümern bei Erreichen des AHV-Alters das Recht eingeräumt, den stossenden Eigenmietwert nicht mehr als Einkommen versteuern zu müssen, dafür aber den Unterhalt nur mehr beschränkt abziehen zu können. Die grossen Seniorenverbände bekämpften die Initiative – warum? Weil die Mieterinnen und Mieter verbandsintern das Sagen hatten! Am besten ist politisch somit den Senioren gedient, wenn sie in einer Volkskammer selber möglichst angemessen vertreten sind. Das ist in der Schweiz leider nicht der Fall. Die Senioren-Jahrgänge sind massiv untervertreten.

Am 20. Oktober 2019 werden die Mitglieder des Nationalrats neu gewählt. Ihre Amtszeit neigt sich dem Ende zu. Sie spielten mit dem Gedanken, mit einer eigenen Senioren-Liste anzutreten. Ist das noch ein Thema?
Ich wiederhole mich: Die Senioren-Jahrgänge sind im Nationalrat massiv untervertreten. Dieser Zustand wird durch die zunehmende Einführung von parteiinternen «Alters-Guillotinen» in verschiedenen Kantonen noch verschlimmert. Das hat im Aargau, wie auch andernorts, zur Bildung von «Think Tanks» geführt, die nicht gewillt sind, diese Entwicklung tatenlos hinzunehmen. Einem solchen Team gehöre auch ich an. Ob daraus eine eigene NR-Liste für die Wahlen 2019 entstehen wird, wird sich in absehbarer Zeit zeigen. Übrigens, dem Alter sind in der Politik keine Grenzen gesetzt, wie eben das Beispiel Deutschland zeigt: Da verzeichnet Wolfgang Schäuble, der neue Präsident des Bundestages, den gleichen Jahrgang wie ich…


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