Als in Gipf-Oberfrick noch gebadet wurde

  26.01.2019 Gipf-Oberfrick

Vor dem Baustart «Alti Badi» ein Rückblick aufs «Solbad Hirschen»

In einer Zeit, als entlang der Landstrasse noch vor jedem Haus ein Miststock stand, kamen Gäste zum Kuren und Baden nach Gipf-Oberfrick. Mit den Rodungsarbeiten für die Überbauung «Alti Badi» wurde jetzt der Blick frei auf ein Stück Dorfgeschichte.

Simone Rufli

Zwischen der Metzgerei Biland und dem Hirschen steht seit einiger Zeit ein Schild, das auf den Bau von Eigentumswohnungen am Hammerstätteweg hinweist. Die Bezeichnung «Alti Badi» für die geplante Überbauung und das «Strandbadwegli» erinnern an längst vergangene Tage, als Oberfrick ein Kur- und Badeort war. Karl Schib, ehemaliger Rektor der Landwirtschaftlichen Schule Frick, hat die Geschichte der Kurhausanlage Hirschen zusammengefasst. Seine Artikel in der Dorfzeitung der Gemeinde Gipf-Oberfrick (Usem Dorf) aus den Jahren 2009 und 2017 zeichnen ein Bild der damaligen Zeit. Es war Albert Gass, Metzger und Viehhändler, der am Anfang der Oberfricker Kurhausgeschichte stand. Anno 1909 war Gass mit seiner Familie aus dem Baselbiet ins Fricktal umgezogen. Er hatte den Gasthof Hirschen samt Metzgerei erworben und von 1927 bis 1929 aus der zweistöckigen Wirtschaft mit Landwirtschaftsbetrieb ein viergeschossiges Hotel gemacht. Das Hotel, schreibt Karl Schib, bot 30 Gästezimmer, Restaurant und Speisesaal, Metzgerei, Badekabinen und eine Kegelbahn. Die Sole wurde mit Pferdefuhrwerken aus der Saline Ryburg in Rheinfelden nach Oberfrick gefahren. «Im Kurhaus wurden dann die Wannenbäder nach der ärztlichen Verordnung bereitgestellt.» In der Umgebung wurden Spazierwege angelegt, Linden gepflanzt und in ihrem Schatten Ruhebänke aufgestellt. «Bedienstete aus dem Dorf fanden Arbeit in der Küche und im Hotel», schreibt Schib.

Wasser aus dem Bach
In die grosszügige Aussenanlage baute Albert Gass 1932 mit seinen Söhnen schliesslich ein 840 Quadratmeter umfassendes Schwimmbassin mit Garderobenanlage. Das Wasser für das Gartenbad war reines Bachwasser und wurde über den Mühlekanal oberhalb der oberen Mühle direkt aus dem Bruggbach bezogen. Gemäss Schib hat Gass das Wasser damals zuerst ohne Bewilligung abgeleitet. Die Kurgäste kamen vor allem aus der Region Basel und sie blieben in der Regel für zwei bis drei Wochen.

Das Gartenbad war das erste Schwimmbad im oberen Fricktal. «Der gemischte Badebetrieb von Frauen und Männern war der Geistlichkeit im katholischen Fricktal ein Dorn im Auge. Sie wetterte gegen diesen Ort des ‹Müssiggangs und des Lasters›», wird in der Dorfgeschichte festgehalten. Schib stellte fest, dass der Kurbetrieb anfänglich auf Skepsis stiess, die Bevölkerung mit Misstrauen reagierte und die Gäste erst nach und nach in grösserer Zahl kamen.

Militär statt Badegäste
Mit der aufkommenden Wirtschaftskrise vor dem Zweiten Weltkrieg nahm die Blütezeit des Bade- und Kurortes dann ein jähes Ende. Albert Gass musste alsbald Konkurs anmelden und den Hirschen anno 1937 verkaufen. Neuer Besitzer wurde Otto Matter. Er führte den Betrieb über die Kriegsjahre weiter und bei Karl Schib kann man nachlesen, dass einquartiertes militärisches Kader einen Teil der ausbleibenden Badegäste kompensierte. Das Hotel wurde noch bis Ende der 1950er Jahre weiter betrieben. Auch später wechselte die Liegenschaft mehrmals den Besitzer. Das Gartenbad war dem Niedergang geweiht und wurde Ende der fünfziger Jahre aus hygienischen Gründen geschlossen.

Erinnerungen eines Badegastes
Dem Thema Hygiene im Gartenbad von Oberfrick hat auch der Fricker Autor Heinz Picard in seinem Buch «Von Paukersdorf nach Dingsda» (erschienen 2016) ein paar Zeilen gewidmet. Er hat das Bad in seiner Jugend ab und zu besucht und schildert seine Erinnerungen wie folgt: «Das erst noch so klare Wasser war nach ein paar sonnigen Tagen viel wärmer geworden und begann sich zu verfärben, nahm grüne und gelbliche Farben an, schwärzliche Schlammfetzen schwebten darin und schlangen sich beim Schwimmen um Arme und Beine.»

Am Samstag, so erinnert sich Picard weiter, seien viele Kinder mit Handtuch und Seife ins Bad gekommen, da manche Häuser damals noch über kein eigenes Bad verfügt hätten. «Gelegentlich nahm ich an der gemeinsamen Reinigungszeremonie teil, schwang mir das Tuch um die Schultern und stieg stolz, ein Stück Seife in der Hand, die sechs Stufen hinunter, bis ich bis über die Knie im Wasser stand und sich langsam Schlammteile wohlig an meine Beine schmiegten.»

Quellen: AT/BT/FT vom 10. Dezember 1986; AZ vom 27. Mai 2010, – Usem Dorf, Dorfzeitung der Gemeinde Gipf-Oberfrick Nr. 1 März 2009 und Nr. 1, März 2017, Autor Karl Schib; – «Von Paukersdorf nach Dingsda», 2016, Autor Heinz Picard.


Überbauung «Alti Badi»

Am Hammerstätteweg entsteht ein Komplex mit fünf Mehrfamilienhäusern. Bauherr ist die Niederer Ralph Generalunternehmer AG aus Heerburg SG. Die Baukosten belaufen sich auf zehn Millionen Franken. In den fünf Einzelbauten auf der rund 6100 Quadratmeter grossen Parzelle am Bruggbach sollen in jedem Haus maximal fünf Eigentumswohnungen entstehen. Das alte Schwimmbecken soll als öffentlich zugängliches Biotop in die parkähnliche Umgebung integriert werden. Die Baubewilligung ist bereits erteilt. Der Baustart ist für Sommer 2019 vorgesehen.


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