«Es fühlt sich extrem richtig an»
28.01.2019 FrickAnna Schütz ist als reformierte Pfarrerin zurück in Frick
38 Jahre nachdem sie als Gemeindehelferin in Frick verabschiedet worden war, kehrte Anna Schütz zum Jahresbeginn als Pfarrerin auf den Fricker Kirchenhügel zurück.
Simone Rufli
«Ich weiss es wirklich nicht.» Anna Schütz sitzt im Büro im Pfarrhaus neben der reformierten Kirche. In der Hand noch immer das Streichholz, mit dem sie die Kerze auf dem Tisch angezündet hat. «Ich weiss wirklich nicht, was genau mich bewogen hat, für die Stellvertretung hier in Frick zuzusagen. Aber es fühlt sich extrem richtig an.» Sie schüttelt den Kopf, lacht und wird dann wieder ernst. «Man wird im Leben schon geführt – wenn man sich führen lässt.» Eine Erfahrung, die sich wie ein roter Faden durch ihr Leben zieht.
Anna Schütz ist Fricker Pfarrerin in Stellvertretung – so lange, bis neugewählte Pfarrpersonen die Nachfolge von Verena Salvisberg und Johannes Siebenmann antreten werden. Das könnte dauern, geht es nach turbulenten Jahren doch darum, ein solides Fundament zu bauen. Die Pfarrerin nickt, gibt dann aber mit einem Lächeln zu bedenken: «In zwei Jahren werde ich pensioniert.» Apropos pensioniert. Als die Anfrage der reformierten Kirchgemeinde bei Schütz eintraf, war ihre Frühpensionierung bereits eingefädelt. Frei von anderweitigen beruflichen Verpflichtungen und sehr spontan entschied sie sich dennoch – oder gerade deswegen – die Herausforderung anzunehmen. Anstatt in Aarau lange Spaziergänge mit Ehemann Kurt Brand zu unternehmen, hilft sie nun in Frick beim Wiederaufbau einer durchgeschüttelten Gemeinschaft mit. 38 Jahre zuvor, anno 1981, hatte sie als Gemeindehelferin in Frick aufgehört.
Geprägt vom christlichen Engagement
Anna Schütz ist in Strengelbach aufgewachsen und hat die Handelsmatur gemacht. Kaum hatte sie die Matur in der Tasche, machte sie ihr «Konf»- Pfarrer auf eine freie Stelle in der Alkoholiker-Heilstätte in Holderbank aufmerksam. Ein Bürojob als Einstieg – für die Schulabsolventin kam die Anfrage goldrichtig. «Gleich nach der Matura eine praktische Arbeit zu haben, war doch gut», findet Schütz auch heute noch. Daneben engagierte sich die junge Frau in der Jungen Kirche mit dem langjährigen Fricker Pfarrer Paul Jäggi im Vorstand. «Er hat mich gefragt, ob ich mich um die Themenschwerpunkte Unterricht und Jugendarbeit kümmern möchte», erzählt Schütz. «Das ging damals noch ohne Ausbildung.» Das Theologie-Studium hatte sie zu jener Zeit noch vor sich. «Ich stamme aus einer praktisch arbeitenden Familie, der Weg übers Studium war nicht vorgegeben», bemerkt Schütz. «Geprägt hat mich das christliche Engagement, wie es in der Familie gelebt wurde.» Christliches Engagement hätte man auch in anderen Berufen leben können, als Krankenschwester oder Ärztin beispielsweise. «Ja», sagt Anna Schütz, «und mich hat das Leben halt in diese Richtung geführt.»
Noch nicht oft beworben
Sie studierte in Zürich, in Basel, in Montpellier und in Jerusalem. Nach dem Studium machte sie ein Vikariat in Küttigen. Als in Buchs der Pfarrer starb und ein Nachfolger gesucht wurde, erhielt sie eine Anfrage. Anna Schütz unterbricht ihren Redefluss, hält mitten im Erzählen inne. Und mit einem leisen Erstaunen stellt sie fest: «Ich realisiere gerade, dass ich mich in meinem Leben noch nicht oft beworben habe.» Zehn Jahre wirkte sie als Pfarrerin in Buchs, bis sich ganz langsam das Gefühl einschlich, dass es Zeit sei für eine Veränderung. Schütz lacht. «In dem Moment kam das Telefon.» Und mit ihm die Berufung in die Geschäftsführung der Kooperation Evangelischer Kirchen und Missionen in der deutschsprachigen Schweiz (KEM). «Ich habe es so erfahren», sagt Anna Schütz und wiederholt: «Man wird im Leben schon geführt, wenn man sich führen lässt.»
Als nach drei turbulenten Jahren die KEM in der Mission 21 aufging und ein neuer Geschäftsführer übernahm, entschied sich Schütz aufzuhören. «Da habe ich mich doch tatsächlich einmal beworben», sie lacht und kehrt ganz unversehens in die Gegenwart zurück. «Der Garten», sie deutet zum Fenster hinaus, «er bräuchte schon etwas Pflege. Ich hätte da auch noch ein paar Blumenzwiebeln im Keller...» Beworben hatte sie sich damals für eine Stellvertretung in Safenwil. «In der Zeit stiess ich auf ein Inserat vom Verein Lernwerk in Vogelsang. Gesucht wurde eine Projektleiterin im Bereich Arbeitsmarktintegration. Ich dachte das bringt mir ganz neue Erfahrungen. Nach zwei Jahren würde ich dann ins Pfarramt zurückkehren.» Schütz lacht. Sie, die Quereinsteigerin, machte ihren Job so erfolgreich, dass man sie bat, zu bleiben und in die Geschäftsleitung berief. «Ich bildete mich weiter mit einem Management-Studium für Non Profit-Organisationen an der Uni Fribourg und blieb 16 Jahre beim Lernwerk. Bis ich mich Ende 2018 mit 62 Jahren pensionieren lassen wollte...»
Beeindruckt, wie alles aufgeht
Kommt es so, wenn man sich führen lässt? «Bei mir ist es so. Wobei es mich selber beeindruckt, zu sehen, wie alles aufgeht.» Dass da wieder im richtigen Moment ein Freiraum war, der ausgefüllt werden wollte. Vergrössert wurde der Freiraum durch den Umstand, dass ihre Mutter im Mai 2018 im Alter von 96 Jahren gestorben war. Zusammen mit ihren Geschwistern hatte Anna Schütz die Mutter bis vor drei Jahren zu Hause und danach im Heim betreut.
Nun predigt sie also wieder von der Kanzel. Ihre Aufgabe als Präsidentin von Hospiz Aargau erfüllt Schütz daneben weiter. «Es ist eine schöne und befriedigende Aufgabe, Menschen auf dem letzten Lebensabschnitt zu begleiten.» Bei allem, was Anna Schütz tat und tut, es geht immer um Menschen. «Im Grunde genommen war ja auch meine Arbeit beim Lernwerk nichts anderes als eine Umsetzung der pfarramtlichen Tätigkeit im diakonischen Bereich.» Insbesondere bei der Arbeit mit Flüchtlingen habe sie immer wieder erlebt, «dass christliche Werte eine gemeinsame Sprache sein können über alle sprachlichen und kulturellen Grenzen hinweg.»