Fortschritt dank «SwissFEL»

  19.10.2018 Nordwestschweiz

Erfolgreiches Pilotexperiment hilft, neue Medikamente entdecken

Für die Entwicklung neuer medizinischer Wirkstoffe ist die genaue Kenntnis biologischer Vorgänge im Körper Voraussetzung. Am Paul Scherrer Institut PSI hat jetzt der Freie-Elektronen-Röntgenlaser SwissFEL sein starkes Licht erstmals auf Proteinkristalle gerichtet und damit deren Struktur sichtbar gemacht.

VILLIGEN. Die besonderen Eigenschaften des Röntgenlasers ermöglichen völlig neuartige Experimente, bei denen man zusehen kann, wie sich Proteine bewegen und ihre Form verändern. Die neue Methode ist in der Schweiz nur am PSI möglich und wird künftig bei der Entdeckung neuer Medikamente helfen. Weniger als zwei Jahre nach seiner Inbetriebnahme haben PSI-Forschende gemeinsam mit der Schweizer Firma leadXpro ihr erstes Experiment an biologischen Molekülen am Freie-Elektronen-Röntgenlaser SwissFEL erfolgreich beendet. Damit haben sie einen weiteren Meilenstein erreicht, bevor diese neue PSI-Grossforschungsanlage Anfang 2019 allen Nutzern aus Akademie und Industrie für Experimente zur Verfügung steht. Der SwissFEL ist eine von nur fünf Anlagen weltweit, in denen Forschende biologische Vorgänge in Proteinen oder Proteinkomplexen mit Hochenergie-Röntgenlasern untersuchen können.

Die extrem kurzen Röntgenlichtpulse des SwissFEL erlauben es uns künftig hier am PSI, nicht nur die Struktur von Molekülen, sondern auch ihre Bewegungen zu erfassen, freut sich der PSI-Physiker Karol Nass, der das Experiment leitete. Damit werden wir viele biologische Prozesse aus einer völlig anderen Perspektive betrachten und verstehen können.

Dies eröffnet insbesondere für die Pharmaforschung neue Möglichkeiten. Davon ist Michael Hennig, CEO der Biotech-Firma leadXpro, überzeugt. Die Firma hat ihren Sitz im Park innovaare am PSI und untersucht die Struktur bestimmter Proteine, die wichtige Funktionen in der Zellmembran übernehmen und sich daher als Ziel für Medikamente eignen. Deshalb hat er schon in diesem ersten biologischen Experiment am neuen SwissFEL ein Membranprotein unter die Lupe genommen, das bei Krebskrankheiten eine wichtige Rolle spielt.

Licht ins Unbekannte
Membranproteine sind an vielen biologischen Vorgängen im Körper beteiligt und damit der Schlüssel für neue Behandlungsmöglichkeiten; für ihre Erforschung wurden bereits mehrere Nobelpreise verliehen. Sie sind Eiweissmoleküle, die fest in der Zellmembran integriert und für die Kommunikation zwischen der Zelle und ihrer Umgebung verantwortlich sind. Wenn ein medizinischer Wirkstoff an ihnen andockt, ändern sie beispielsweise ihre Form und leiten dadurch ein Signal ins Innere der Zelle. Das beeinflusst den Zellstoffwechsel und andere Zellfunktionen. Bereits von den heutigen Medikamenten wirken viele über Membranproteine. Dennoch ist meistens nicht im Detail bekannt, welche Veränderungen die Wirkstoffe dort auslösen. Man weiss, welcher Wirkstoff bindet und welchen Effekt er verursacht, doch die Signale werden über Strukturveränderungen des Proteins übertragen. Welche das genau sind, können wir nur vermuten, sagt Hennig. Diese ultraschnelle Dynamik, mit der Medikamente an Membranproteine koppeln, und die damit verbundenen Mechanismen will man mit dem SwissFEL besser verstehen. Mit diesem Wissen lassen sich neue Wirkstoffe gegen Krankheiten entwickeln und Nebenwirkungen verringern, so die Hoffnung des Forschers. Mit diesen Experimenten zeigt das PSI, dass am SwissFEL gleichzeitig exzellente Grundlagenforschung und angewandte biopharmazeutische Forschung möglich ist, die den Patienten zugutekommen wird. Dadurch sollen Wirkstoffe entdeckt werden, die zu grossen Verbesserungen bei der Behandlung von Krankheiten führen – indem sie winzig kleine Bewegungen in den Proteinen beeinflussen. (nfz)


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