Einer muss es ja machen
25.10.2018 MöhlinAuch Mitarbeiter der Steuerverwaltung können nett sein: ein seriöses Gespräch mit nicht ganz bierernsten Elementen, all das aus aktuellem Anlass.
In der Tat, es gibt auch für ihn grössere Momente des Glücks. Kurzes Zögern, dann lächelt er und allein das ist bereits eine Antwort auf die ihm gestellte Frage. Nein, selbst ein Adolf Mösch, Leiter Abteilung Steuern, Gemeinde Möhlin, nein – auch er flippt nicht aus vor lauter Freude, wenn sie ihm denn unweigerlich ins Haus flattert: die Steuerrechnung. «Grundsätzlich aber weiss man ja auch um die Leistungen im Gegenzug.» Allein in diesem Satz manifestieren sich Pflichtbewusstsein und Ernsthaftigkeit. Wäre ja auch gelacht, Mösch würde dem fiskalischen Prinzip nichts Sinnvolles abgewinnen wollen. Und so bedient er sich auch folgender Maxime: «Mit ihrer täglichen Arbeit sorgen Steuerfachleute dafür, dass den Aargauer Gemeinden die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung stehen.» Ebendiese Steuerfachleute kommen morgen Freitag nach Möhlin. Die 71. Jahresversammlung des Verbands «Steuerfachleute Aargauer Gemeinden» steht ins Haus.
Zwischen den Zeilen
Die Versammlung ist ein Stelldichein der Zahlenmenschen; kaum, dass Adolf Mösch widersprechen würde. Doch auf die Frage, ob die Arbeit nicht eine äusserst trockene sei, sagt er: «Ich sehe das nicht so. Eine Steuererklärung ist wie ein Buch und manchmal besteht die Herausforderung darin, zwischen den Zeilen zu lesen; sehen, wo eventuell beim Ausfüllen etwas vergessen gegangen ist.» All das selbstverständlich unabhängig davon, ob zu Gunsten oder Ungunsten des Bürgers, das will Mösch betont haben, denn: Eine Steuerveranlagung müsse am Ende einfach korrekt sein. Nicht mehr. Nicht weniger. Klingt humorlos, ist es auch und apropos Spass, es liegt auf der Hand: durchaus existiert die eine oder andere Berufsgruppe, die sich in der Öffentlichkeit einer grösseren Beliebtheit erfreut. Wir platzieren das mal einfach so im Büro des Leiters Steuern. «Das ist eigentlich richtig, ja», sagt Mösch, aus der Fassung bringt ihn das noch lange nicht. Mit der Zeit lerne man, mit einer gewissen Lockerheit damit umzugehen. «Steuern. Oha!» So klingt manchmal die kreative Reaktion der Leute, wenn er nach seinem Beruf gefragt werde. «Aber ich glaube, heute meinen das viele mit einem Augenzwinkern. Die Leute wissen um die Notwendigkeit.» Man könnte genauso gut sagen: Einer muss es ja machen. Und doch allein, damit ist es nicht getan. Hier schlägt Mösch einen ernsthafteren Ton an.
Angestellte einer Steuerverwaltung erhalten zwangsläufig tiefe Einblicke in unterschiedliche Biographien. Es ist, als kämen bei einer Steuerveranlagung all die nackten Tatsachen auf den Tisch. «Man wird auch mit Schicksalen konfrontiert», sagt Mösch, «Erbstreitigkeiten, Todesfälle, Trennungen», die ganze Palette, und wie er davon erzählt, es hat nichts Voyeuristisches. Im Gegenteil. «Hinter all den Zahlen geht es immer um Menschen.» Nichts von alledem darf per Gesetz die Abteilung verlassen. Mitarbeitende sind ans Steuergeheimnis gebunden.
Die Menschen abholen
«Über achtzig Prozent der Steuerpflichtigen in Möhlin bringen ihre Steuererklärung persönlich vorbei oder sie werfen diese in den Briefkasten beim Gemeindehaus», sagt Mösch. Es ist noch so ein Satz, der zeigen soll, dass man ihn durchaus pflegt: den direkten Kontakt zum Steuerzahler. Und manchmal steht wieder einer am Schalter mit einer dringenden Frage, oder, auch das kommt vor, wenn auch selten, in gereizter Stimmung. «Da liegt es an uns, den Personen aufzeigen zu können, weshalb eine Veranlagung so ausfällt, wie sie ausfällt. Wir müssen die Menschen abholen.» Das gelingt. Meistens. Und doch erinnert sich Mösch an jenen Fall. «Das war in meinen Anfängen als junger Angestellter auf dem Steueramt. Der Mann am Telefon hat mich sowas von zusammengestaucht. Zwei Tage später, Vollmond war gerade vorüber, hat er nochmals angerufen und sich entschuldigt. Es ist halt so. Manchmal kommen viele Sachen auf einmal zusammen und im dümmsten Moment kommt dann auch noch die Steuerrechnung, dann passiert halt mal so etwas.» Zum Schluss hätten wir da noch eine Gegenfrage: Gibt es denn einen perfekten Moment für die Steuerrechnung? Er lächelt. «Ich glaube, den gibt es nie.»
Adolf Mösch, wohnhaft in Wegenstetten, arbeitet in seinem 23. Jahr für die Steuerverwaltung Möhlin, zuvor war er auf der Gemeindeverwaltung Zeiningen tätig. Er gehört dem Verband «Steuerfachleute Aargauer Gemeinden» an, war dort mehrere Jahre als Rechnungsrevisor engagiert.