ESPRESSO ROMANO

  17.08.2018 Nordwestschweiz

Grazie

Es ist wieder einmal heiss in Rom. Sehr heiss. Nichts Neues. Sommer in der Ewigen Stadt ist wie Winter in Moskau. Für uns Gardisten sind die Sommermonate tendenziell ruhig. Keine Empfänge, keine Audienzen. Papst Franziskus verbringt die heissen Monate zwar nicht wie seine Vorgänger in Castel Gandolfo, dennoch schraubt er seine Aktivitäten zurück. Auch ein Papst braucht Erholung: Er ist ein Mensch. Somit können wir ein wenig Sonne und Strand geniessen, in den Süden hinunterfahren und unsere Beachvolleyball-Fähigkeiten verbessern. Doch trotzdem geht der Dienst im Vatikan weiter. Auch im Sommer müssen die Eingänge bewacht werden. Im Sommer machen wir Gardisten aufgrund eines Details unbeliebt: Die Kleiderordnung. Das ganze Jahr hindurch werden wir oft angeschnauzt. Von aufgeheizten Pilgern, genervten Mitarbeitern und beleidigten Priestern. Der Job des Soldaten ist nun mal nervenaufreibend. Man ist oft der Buhmann, weil man der Sicherheit wegen einschreiten muss. Im Sommer müssen nun mal jene Personen, die Zutritt zum Vatikan erwünschen, moderat gekleidet sein. Aus Achtung und Respekt vor dem Kirchenstaat, in dem der Stellvertreter Christi der Boss ist. Einfache Regeln, komplizierte Durchsetzung. Sich unbeliebt zu machen muss man sich angewöhnen. Doch man hört auch ab und zu: «Danke für Ihren Dienst!» Ein kleiner, meist beiläufiger Satz am Ende eines Gesprächs. Eines Gesprächs mit einem australischen Touristen, der die Messzeiten der Petersbasilika wissen möchte. Eines Gesprächs mit einer polnischen Ordensschwester, welche Tickets für die Generalaudienz haben möchte. Eines Gesprächs mit einem der zahlreichen Monsignori im Dienste der Kirche, welche sich über unser persönliches Wohlbefinden erkundigen wollte. Eine beilläufige Aussage, die meiner Meinung nach etwas bewirken kann. Wir Schweizergardisten gehören im Vatikan zum Alltagsbild. Wir sind stets präsent auf unseren Dienstposten. Tag und Nacht, bei Wind und Wetter, auffallend zwar, doch stets diskret den Dienst verrichtend. Diskretion ist schliesslich eine wertvolle Schweizer Tugend. Unsere Dienstzeiten gestalten sich meist unregelmässig und entsprechen nicht getakteten Bürozeiten. Dadurch ergeben sich zusammen mit den ausserordentlichen Events lange und anstrengende Arbeitstage. Nach aussen, für Pilger und Touristen, sind wir ein ungewöhnlicher Anblick. Nach innen, geben wir ein gewohntes Bild ab. Dann tut nur ein kleines Dankeschön gut, eine minimale Würdigung unseres Dienstes, für den wir tagtäglich unsere persönlichen Bedürfnisse zurückstellen. Es ist offensichtlich, dass man als Gardist im Dienst an vorderster Front, an den Eingängen der Vatikanstadt, alles abbekommt. Frust, Gereiztheit, Hektik. Wir müssen alles wegstecken, doch immer freundlich bleiben. Wir sind schliesslich die Soldaten des Papstes. So schätze ich es persönlich sehr, wenn jemand mir in einfacher Weise dankt. Auch wenn ich nur meinen Job tue. Dies stärkt mich und lehrt mich Vieles für die Zukunft. Es ist eines Christen Pflicht, Gutmütigkeit auszustrahlen. Ich bin bemüht, immer lächelnd und freundlich auf die Leute zuzugehen. Nicht immer bekomme ich freundliche Antworten. Der Wille zählt: Mit einfachen Gesten, Grosses bewirken. So wie es ein junger Mann aus Nazareth vor etwa 2000 Jahren gemacht hat…

ROMANO PELOSI (21)


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