Ein Musiker und Jäger aus Leidenschaft

  18.07.2018 Möhlin

Robert Obrist bewahrt gelebte Tradition

Seit 1974 dirigiert Robert Obrist aus Möhlin die Jagdhornbläser Fricktal. Im Mai 2017 kehrte das 20-köpfige Ensemble als Schweizer Meister vom eidgenössischen Jagdhornbläserfest in Zürich heim. Rund 50 schweizerische und ausländische Gruppen mit gut 550 Bläserinnen und Bläsern in verschiedenen Kategorien waren am Start. Für Obrist ist das ein schöner Erfolg, seine eigentliche Intention ist jedoch eine ganz andere.

Hildegard Siebold

Das Spiel auf dem Jagdhorn ist für Robert Obrist «gelebte Tradition». Eine Tradition, der er sich als Jäger verbunden fühlt und die er erhalten und weitergeben möchte. Ein Blick in die Geschichte des Jagdhorns verdeutlicht, was er meint. Das Jagdhorn war einst das Sprachrohr der Jäger. Mit ihm wurden Signale für die Jagd geblasen. «Es gibt sehr viele unterschiedlich Signale, die bei der Jagd zum Einsatz kamen», erklärt Obrist. Jedes Signal habe seine eigenen Worte, diente also fernab des mobilen Zeitalters der Verständigung. Auch über grosse Distanzen. Und jedes erlegte Tier hat sein eigenes Totsignal, mit dem der Jäger ihm die letzte Ehre erweist. «Man hat dabei das Tier vor Augen», sagt er. Dieses alte Brauchtum zu bewahren, ist sein grosses Anliegen, seit er mit der Jagd und dem Jagdhorn in Berührung kam. Das sollte allerdings noch eine Weile dauern, auch wenn Obrist seit der sechsten Klasse ein Blasmusiker war.

Wie alles begann
Begonnen hat seine musikalische Karriere mit der Blockflöte, die er in der Bezirksschule gegen die Trompete eintauschte und deren Spiel er als junger Bursche in der Musikgesellschaft Sulz weiter ausbaute. Als das Militär rief, hatte Obrist mittlerweile fast jedes Blasmusikinstrument ausprobiert. Nach einem Spielführerkurs wechselte er auf die Dirigentenseite und leitete als Wachtmeister über acht Jahre sein eigenes Militärspiel. Mit 21 Jahren übernahm er zudem die Leitung der Musikgesellschaft Gipf-Oberfrick. Beruflich schlug er mit der Ausbildung zum Konstruktionsschlosser in Rheinfelden ganz andere handwerkliche Wege ein. «Die Musik lief nebenher», erzählt er, auch wenn er sie gerne zum Beruf gemacht hätte. Aber damals habe es im Aargau noch keine Möglichkeit gegeben, Musik zu studieren. So wählt er für sein musikalisches Hobby den zweiten Bildungsweg, nahm während der Lehrzeit Unterricht an der Musikakademie in Basel. Die Musik lag gewissermassen in der Familie: Seine beiden Schwestern wurden Sängerinnen. Bis 2004 dirigierte Obrist verschiedene Blasmusikorchester in Tegerfelden, Gipf-Oberfrick. Gelterkinden und in Zeiningen.

«Dabeisein ist das Wichtigste»
Zum Jagdhorn kam er nach der Heirat mit seiner Frau Esther durch seinen Schwiegervater. Und wie es der Zufall im Leben manchmal so will, suchten die Jagdhornbläser Fricktal gerade einen neuen Leiter. So fing 1974 alles an. Wie schon so oft zuvor, machte er sich die Mühe, das Instrument kennenund spielen zu lernen. «Es ist ja so, dass der Dirigent mitspielt», erklärt er. Ein Jahr später, 1975, bestritt das damals elfköpfige Ensemble in Winterthur seinen ersten Wettbewerb mit einem «vorzüglichen» Abschluss. Mit dem Titel Schweizer Meister heimsten die Jagdhornbläser Fricktal im vergangenen Jahr ihren bislang grössten Erfolg ein. Für Obrist ist der Titel jedoch sekundär. «Dabeisein ist das Wichtigste», sagt er. Und die Kameradschaft. Und weil das Jagdhorn und die Jagd für ihn eng verbunden sind, legte er 1980 die Jagdprüfung ab. Seither geht er auf die Jagd. «Man muss den Menschen erklären, warum es die Jagd braucht», sagt Obrist und fügt hinzu: «D’Jagd bruchts, sunscht chunts nit guet». Ein Jagdpächter bezahle für sein Revier und übernehme damit eine Verpflichtung. Der Kanton schreibt ihm vor wie viele Rehe er schiessen muss. Insbesondere das hohe Aufkommen der Wildschweine sei wegen der immensen Schäden ein akutes Problem. Über eines ist sich der Jäger Robert Obrist bewusst, wenn er auf seinem Jägerstand sitzt: «Du entscheidest über Leben und Tod, diese Verantwortung darf man nicht vergessen.» Und immer nimmt er sein Jagdhorn mit auf die Jagd, weil das für ihn einfach zusammengehört. «Auf jeder Jagd soll geblasen werden», findet er. Es sei ein wichtiger Abschluss einer Jagd. So stehen die Auftritte der Jagdhornbläser Fricktal in der Regel in engem Zusammenhang mit der Jagd und der Natur. Sie spielen etwa auf Märkten und landwirtschaftlichen Ausstellungen. «Im Moment sind wir dabei, eine kirchliche Messe einzustudieren», verrät er.

Positive Lebensdevise
Müde wird er seiner Ämter noch lange nicht. Seit 20 Jahren präsidiert er das Bläserkorps Aarau, seit 18 Jahren gehört er dem Vorstand der Jagdhornbläser Schweiz an, war nebenberuflich lange Zeit als Musiklehrer tätig und leitete mehr als zehn Jahre die Musikschule Zeiningen. Dazu schrieb er Zeit seiner heute 72 Lenze 15 eigene Stücke für Jagdhorn. Seine Frau hat ihn immer unterstützt, ihm den Rücken freigehalten. Jetzt bleibt er beim Jagdhorn, getreu seiner positiven Lebensdevise: «Hüt läb ich, morn lueg ich wiiter.» Und als der Blick zum x-ten Mal auf die Sammlung feinster Whisky-Kreationen auf der Anrichte im Esszimmer von Robert Obrist fällt, lüftet er auch dieses Geheimnis. Das ist nämlich noch so ein Hobby von ihm. Er sammelt Whisky.
«Ausschliesslich Single Malt», betont er. Verschnitt hat in seiner Sammlung nichts zu suchen, schliesslich steht der Genuss im Vordergrund. Man glaubt ihm aufs Wort, wenn er von den unterschiedlichsten Aromen zu schwärmen beginnt: würziger Rauch, duftendes Heu, frische Seeluft oder feine Vanille faszinieren ihn einfach.

Rund 50 schweizerische und ausländische Gruppen mit gut 550 Bläserinnen und Bläsern in verschiedenen Kategorien waren 2017 am Jagdhornbläserfest in Zürich am Start.


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote