Der Sturm wirkt bis heute nach

  07.07.2018 Möhlin

Boris Burkhardt

Förster Urs Steck steht am Fusse des Sonnenbergs am Mittleren Talmattweg vor einer Fläche von etwa 40 Aren. Schwarzerlen wachsen hier auf einem unebenen Feld, das an einigen Stellen von Radspuren der schweren Forstmaschinen martialisch zerfurcht ist. In den Fahrrillen steht das Wasser wie in einem Moor: «Die Schwarzerlen wachsen gut in verdichtetem Boden», sagt Steck. Die strauchartigen Bäume fühlten sich ausserdem wohl im stehenden Wasser. Wirtschaftlich lukrativ seien die Erlen nicht, fährt Steck fort: «Aber sehr ökologisch.»

Noch vor einem halben Jahr lagen auf derselben Fläche 50 Bäume auf dem Boden, in erster Linie Fichten: Das herausgerissene Wurzelwerk und das daran hängende Erdreich wirkten mit über drei Metern Durchmesser gigantisch; sie überragten Steck um doppelte Länge. Viele der Wurzelteller haben die Forstarbeiter um Steck wieder auf den Boden zurückgestossen; man erkennt die Stellen heute noch an den Erhebungen: Hie und da lugen auch noch die Wurzelenden aus dem Erdreich hervor.

Steck sprach damals von einem Schaden von 50 bis 100 Prozent der Jahresnutzung, das heisst, dass die Gemeinde nach dem Verkauf des beschädigten Holzes nur noch die Hälfte bis gar nichts mehr von der üblichen Jahresnutzung von 6000 Kubikmetern schlagen darf. Mit der Solidarität der benachbarten Forstreviere, die etwas weniger als üblich verkaufen müssten, hoffte Steck damals, den Holzpreis vor zu starkem Verfall zu bewahren. Wenn Steck nun jedoch nicht ein Auge auf das geschlagene Holz behält, das noch im Wald liegt, könnte mit dem Borkenkäfer die nächste harte Prüfung für den Wald in ökologischer und ökonomischer Hinsicht warten.

Borkenkäfer Buchdrucker
Das geschlagene Holz wurde deshalb vorsorglich auf eigene Kosten mit Spritzmitteln behandelt. Sie sollten den Borkenkäfer abwehren und Larven eingehen lassen. Ausgerechnet auf die Fichte haben es die Borkenkäfer abgesehen, jene Baumart, die bereits wegen ihrer flachen Wurzeln besonders unter «Burglind» leiden musste. Tatsächlich findet Steck unter der Borke in einem geschlagenen Stamm die häufigste Borkenkäferart, den Buchdrucker: Die meisten Larven sind bereits verendet.

Der Borkenkäfer ist im Fricktal zurzeit keine so grosse Plage wie auf der anderen Rheinseite im südlichen Schwarzwald. Dort rechnen die Förster mit spürbaren Auswirkungen für die nächsten drei Jahre. Steck macht sich bis jetzt jedoch keine Sorgen: Die 15 Borkenkäferfallen, die er alle zwei Wochen leere, seien nur mässig gefüllt. Ausserdem hätten er und sein Team die von «Burglind» betroffenen Gebiete gut ausgeräumt, um kein Totholz für die Käfer zurückzulassen. Die Regionen mit vielen Fichten werde er aber weiterhin alle zwei Wochen kontrollieren: Befallene Bäume müssten dann sofort gefällt und entrindet oder aus dem Wald gebracht werden.

97 Prozent der Setzlinge sind eingegangen
Während die Gefahr durch den Borkenkäfer noch abgewendet werden kann, ist ein grosser Schaden schon irreparabel entstanden: Seine Ursache hat aber nur indirekt mit «Burglind» zu tun. Rund 3000 Traubeneichen haben Steck und seine Mitarbeiter nämlich nach dem Sturm gepflanzt, um die kahlgewehten Flächen wieder aufzuforsten: Von diesen Bäumen sind 97 Prozent im Frühlingsfrost eingegangen. Steck kann sich die Schwäche der Setzlinge nicht erklären, weil er bewusst die teurere Setzlingsvariante gewählt habe: Im sogenannten «Quick-Pot» wurzeln die jungen Bäumchen nämlich direkt in der Erde und sollten eigentlich robuster gegen Witterungsschäden sein. Die finanzielle Verantwortung hierfür übernehmen laut Steck zwar die Baumschulen, die die Setzlinge lieferten: Ein Mehraufwand von 10 000 bis 15 000 Franken, um die Plastikrohre für den Bissschutz zu entfernen, die neuen Bäume zu pflanzen und den Bissschutz wieder anzubringen, werde aber wohl an der Gemeinde hängen bleiben.

Steck bleibt in ökonomischer Hinsicht weiterhin zuversichtlich: Für allen Holzschlag durch «Burglind» habe er bereits Abnahmegarantien von guten Kunden zu Festpreisen. So sei das Revier Möhlin wenigstens für dieses Jahr vor eventuellem Käferholz geschützt, das den Preis noch weiter drücken könnte. Was der Wald und vor allem die geschundenen Fichten nun bräuchten, um wieder zu Kräften zu kommen, sei ein nasskalter Sommer. Steck weiss, dass es Überwindung kostet, sich das zu wünschen.


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