«Auf der Zielgeraden nicht aufgeben»

  23.06.2018 Frick, Leichtathletik

Er war verantwortlich für den Kaderbetrieb, für den Umbau eines regionalen Leistungszentrums und kümmert sich seit drei Jahren um das Sponsoring.

Clara Rohr-Willers

«Meine ersten Erfahrungen im Lauf? Ich hatte einen Schulweg von zwei Kilometer», sagt Christian Winter schmunzelnd an diesem warmen Sommerabend am Rheinfelder Bahnhof, wo ich den Präsidenten des ALVs Aargau nach einem langen Arbeitstag treffe. Christian Winter, der mit fünf Geschwistern auf einem Herznacher Bauernhof aufgewachsen ist, wohnt seit zehn Jahren mit seiner Frau in Frick und ist heute Leiter der Logistik an der Universität Zürich.

«Als Kind haben wir viel gearbeitet auf dem Hof. Während andere im Sommer ans Meer gefahren sind, mussten wir wochenlang Kirschen pflücken. Ich trainierte, wann immer möglich. 1986 habe ich erstmals an einer Schülermeisterschaft teilgenommen.»

Heute UBS-Kids-Cup, früher Volksbank-Grandprix
«Was heute der UBS-Kids-Cup, war bei uns früher der Volksbank-Grandprix. Als Kind nahm ich regelmässig an regionalen Ausscheidungen teil und lief mit André Bucher am Finale des Grandprixs in Bern», erklärt Christian Winter.

Nach der obligatorischen Schule begann er 1991 eine Lehre als Postbeamter bei der PTT (heutige Post) in Aarau. «Fünf bis zehn Mal pro Woche trainierte ich Circuit, Krafttraining, Fahrtspiele, Stehvermögen, Laufschule oder Dauerläufe. Meine Leidenschaft war der 3000m-Steeple, der über Wassergraben und Holzböcke führte. Hier musste man Aspekte wie Technik, Beweglichkeit, Ausdauer, Kraft und Koordination vereinen. Diese Vielseitigkeit entspricht meinem Wesen», schildert der 43-jährige Athlet heute.

In den Neunzigern waren die meisten europäischen Post- und Telekom-Betriebe staatlich und führten alle vier Jahre Europa-Meisterschaften in der Leichtathletik durch. «1992 qualifizierte ich mich zum ersten Mal für eine Meisterschaft in Holland, und zwar als neunter von zehn Schweizern der rund 70 000 Mitarbeitenden. Als Cross-Läufer und Mittelstreckler konnte ich alle zwei Jahre an den Postund Telecom-Europameisterschaften teilnehmen und traf auf viele Gleichgesinnte.»

Ab der Jahrtausendwende wurden viele europäische Post-Betriebe privatisiert, was einen rasanten Teilnehmerschwund zur Folge hatte und wodurch das Niveau an Stellenwert verlor. Vor sechs Jahren wurde auch der Schweizer Verband aufgelöst.

«Die Person muss im Mittelpunkt stehen»
Nach zwei Jahren beim TV Buchs schloss sich Christian Winter 1996 der LAR Windisch an, der er bis heute treu geblieben ist. «Die LAR Windisch war in den Neunziger Jahren die Hochburg der Mittelstreckler im Kanton Aargau und beheimatete unter anderem die Gebrüder Hacksteiner.» Markus Hacksteiner konnte zwei Mal an der Olympiade teilnehmen und war Christian Winters Trainer während seiner Aktivzeit als Leistungssportler. «Als Mittelstreckler ist man darauf angewiesen, im Team zu trainieren. Die LAR Windisch war wie eine Familie für mich», erinnert er sich.

Leichtathletik sei eine effiziente Sportart und man müsse seine Hausaufgaben machen. Währenddem eine Sportmannschaft dank zwei, drei talentierter Spieler Goals erzielen könne, sei ein Athlet selber für seine Leistung verantwortlich. «In der Leichtathletik wird einem am Wettkampf die Quittung vorgeführt», so Christian Winter. «Der LAR Windisch gelingt es seit vielen Jahren, viele Jugendliche anzuspornen. Dasselbe lässt sich heute über den Leichtathletik-Verein Fricktal und überhaupt über den Leichtathletikverband Aargau sagen. Ohne Breite, keine Spitze.» Die Professionalität eines Verbands und der Trainer zeige sich darin, die Athletinnen und Athleten richtig einzuschätzen. Dabei müsse die Person im Mittelpunkt stehen. «Es gibt keine Regel, die für alle gilt. Kein richtig oder falsch. Jeder Mensch funktioniert anders. Als Athlet lernt man seinen eigenen Körper und seinen Charakter gut kennen.»

«Ich möchte etwas zurückgeben»
Neben den Post- und Telekom-Europameisterschaften wurde Christian Winter als Elite-Läufer an Stadtläufen in Basel, Zürich, Genf, Martigny oder im Ausland an Einlage-Rennen eingeladen. 1993 erreichte er den dritten Platz an der Weltklasse Zürich, an der er zwei Mal teilgenommen hat. Ein weiteres Highlight war die Staffel-Europameisterschaft in Dänemark im Jahr 2000.

Mit 25 Jahren musste er sich die Frage nach seiner sportlichen, aber auch beruflichen Zukunft stellen. «Als Leichtathlet an der nationalen Spitze muss man sich irgendwann fragen: Was braucht es, um international eine Medaille zu holen? Während einige meiner Trainingskollegen studiert haben, arbeitete ich zu 100 Prozent», erklärt der ehemalige Leistungssportler. Er entschied sich für berufsbegleitende Ausbildungen zum technischen Kaufmann und zu Ausbildungen im Personalbereich. Bei der Post hat er während eines Vierteljahrhunderts eine eindrückliche Karriere absolviert. Seit gut einem Jahr leitet er die Logistik der Universität Zürich.

Bereut er die Entscheidung zur beruflichen Karriere anstatt zu einer sportlichen? Christian Winter verneint. «Der Sport hat mir viel gebracht. Im Sport wie auch im Leben geht es darum, auf der Zielgeraden nicht aufzugeben. Ich hatte tolle Trainer, Vereine und Verbände. Jetzt möchte ich als Präsident dem Aargau etwas zurückgeben.»


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