Er war der Anker im «Schiff»
18.12.2017 Rheinfelden40 Jahre Kellner im Rheinfelder Hotel
Stjepan Paradzik gehört zum Hotel Schiff wie der Ausblick auf den Rhein. Während vier Jahrzehnten hat der Kellner in diesem Betrieb gearbeitet und ihn mitgeprägt. Jetzt ist er pensioniert.
Valentin Zumsteg
Wo trifft man Stjepan Paradzik für ein Gespräch? Natürlich im Hotel Schiff. Hier hat der gebürtige Kroate am 25. Oktober 1977 als Kellner begonnen. 1990 ist er zum Chef de Service befördert worden – und am vergangenen Mittwoch war der letzte Arbeitstag des 65-Jährigen. Das ergibt 40 Jahre und knapp zwei Monate im gleichen Betrieb – so etwas kommt heute nur noch selten vor.
Den Kaffee holt er selber
In dieser langen Zeit hat das Hotel mehrfach den Besitzer gewechselt – Stjepan Paradzik ist geblieben. Immer wieder wurde das Haus von Hochwasser heimgesucht – Stjepan Paradzik ist geblieben. Es ist also nicht übertrieben, wenn man ihn als Anker im «Schiff» bezeichnet. 1999 traf es das Hotel besonders schlimm, ein Jahrhundert-Hochwasser hinterliess grosse Schäden. Das Hotel musste daraufhin für neun Monate den Betrieb einstellen. In dieser Zeit machte Paradzik die Wirteprüfung und arbeitete vorübergehend im Restaurant «Feldschlösschen», angestellt blieb er aber im «Schiff».
Jetzt sitzen wir in «seinem» Hotel an einem schönen Platz mit Blick auf den Rhein. Pensioniert ist er zwar, doch den Kaffee holt er selber. «Ich wollte nie etwas anderes machen als Kellner. Der Kontakt mit den Menschen ist mir wichtig, ich hätte nicht in einer Fabrik arbeiten wollen», erzählt er. Als Kellner brauche es ein gutes Gedächtnis und Menschenkenntnis. «Mit der Zeit kann man die Menschen einschätzen. Es ist auch wichtig, dass man die Leute mit Namen kennt und den Gästen – vor allem den Stammgästen – die Wünsche von den Lippen ablesen kann.» Wie haben sich in den vier Jahrzehnten die Gäste verändert? «Früher war fast niemand Vegetarier. Heute gibt es auch Veganer. Die jungen Leute sind besser über das Essen informiert – und für den Wein schauen sie auf eine App.»
«Eine gute Zeit»
An seinem letzten Arbeitstag ist nachmittags ein Abschiedsapéro für den langjährigen Kellner organisiert worden. Rund 40 Leute kamen, darunter viele Stammgäste. «Ich war überwältigt.» Danach hat er bis zirka 22 Uhr weitergearbeitet – so wie immer. Pflichtbewusst und unaufgeregt. Blickt er zurück auf die vergangenen 40 Jahre im Schiff, dann zieht er eine positive Bilanz. «Es war eine gute Zeit, doch sie ist schnell vergangen, vor allem die letzten Jahre.» Dankbar ist er, dass er bleiben konnte, als die «Schützen Rheinfelden»-Gruppe 2012 das Schiff übernommen hat. «Damals war ich 59 Jahre alt. So etwas ist nicht selbstverständlich.»
Paradzik war so etwas wie die gute Seele im Restaurant, sagt Hotelière Heidy Freiermuth: «Wir werden ihn vermissen. Gleichzeitig gönnen wir ihm den Ruhestand, denn er hat eine anstrengende Arbeit geleistet.» Der leidenschaftliche Kellner freut sich auf den kommenden Lebensabschnitt. Bald heiratet der Sohn; die Hochzeit wird selbstverständlich im Schiff gefeiert. «Rund 120 Gäste sind eingeladen.» Im Frühling wird zudem das erste Enkelkind erwartet. «Mir wird sicher nicht langweilig», sagt der Grossvater in spe mit einem Lachen. Er geht regelmässig ins Fitnessstudio, fährt Velo und hält sich über das Geschehen in der Welt auf dem Laufenden. «Das war auch wichtig für den Beruf. Man muss sich mit den Leuten ja über mehr als nur das Wetter unterhalten können.»
Wegen seiner Arbeitszeiten musste die Familie auf vieles verzichten; an zahllosen Wochenenden und Feiertagen hat er gearbeitet: «Ohne das Verständnis meiner Frau wäre es nicht gegangen», sagt Paradzik. Dass sie nun mehr Zeit haben, freut ihn besonders.

