Spengler und Neurochirurg – Handwerker sind beide
10.09.2016 Herznach, Persönlich, Oberes Fricktal, PorträtSein Traum ist es, Neurochirurg zu werden. Dafür arbeitet der 18-Jährige hart. Nach der Spengler-Lehre mit Berufsmatur drückt er wieder die Schulbank, um in einem Jahr mit dem Medizin-Studium beginnen zu können. Zuerst aber will er Ende September an den Schweizer Meisterschaften der Gebäudetechnik noch einmal seine Fähigkeiten als Spengler unter Beweis stellen.
Von Simone Rufli
Metalldächer, Rinnen und Rohre, Abdeckungen und Blitzschutzanlagen – alles, was ein Gebäude wetterfest und dauerhaft macht, das macht der Spengler. Pascal Gerber ist Spengler. Als Kantonsbester mit der glänzenden Note von 5,5 hat der Wölflinswiler diesen Sommer nach drei intensiven Jahren seine Lehre mit dem Eidgenössischen Fähigkeitszeugnis abgeschlossen. Ebenfalls im Sack hat der 18-Jährige die Berufsmatur, bei welcher er eine 5.0 erreicht hat. Ein Spitzen-Ergebnis, mit dem er seinem Lehrbetrieb zu einer ganz besonderen Ehre verholfen hat. «Dank Pascal haben wir eine Auszeichnung als Top-Lehrbetrieb 2016 bekommen», freut sich Geschäftsinhaber René Meyer und nimmt zum Beweis das gerahmte Diplom von der Wand.
Auch Meyer lebt mit seiner Familie in Wölflinswil. Den Spenglerei- und Sanitärbetrieb aber betreibt er zusammen mit Frau, Sohn, einem Arbeiter und einem Lernenden in Herznach. «Mein Grossvater war Spengler und der Beruf hat mir schon immer gefallen», kommt Pascal Gerber auf seine Motivation Spengler zu werden zurück. Um bei der Berufswahl ganz sicher zu gehen, hat er im dritten Oberstufenjahr trotzdem noch dreimal in der Spenglerei Meyer geschnuppert. «Dabei haben mir nicht nur die Kreativität und die grosse Abwechslung in diesem Beruf gefallen, sondern auch die familiäre Atmosphäre.» Dass der Spenglerberuf ihm zu Beginn auch körperlich einiges abverlangte, wenn er bei Hitze oder Regen im Freien arbeiten musste und schwere Lasten zu stemmen hatte, erwähnt Gerber nur am Rande. «Der Körper gewöhnt sich schnell daran», sagt er rückblickend.
Auch der Grossvater war bereits Spengler
Der Teenager hat sich nach Abschluss der Bezirksschule in Frick ganz bewusst für eine Berufsausbildung mit Matur und gegen die gymnasiale Matur an einer Kantonsschule entschieden. Jetzt ist auch er Spengler wie einst sein Grossvater – ein sehr guter noch dazu, wie Vater René und Sohn Simon Meyer betonen. Und trotzdem zieht es Pascal weiter. «Ich mache nun die Passerelle und sichere mir, wenn ich die Ergänzungsprüfung im nächsten Sommer bestehe, nach einem Jahr Schule den Zugang zu den Hochschulen und Universitäten der Schweiz.» Ist Spengler also doch nicht sein Traumberuf? – «Ich habe sehr gerne als Spengler gearbeitet und ich könnte mir auch vorstellen auf dem Beruf zu bleiben. Mein Traum ist es allerdings seit vielen Jahren, Medizin zu studieren und später einmal als Neurochirurg tätig zu sein.» Spengler oder Neurochirurg – «beide arbeiten mit Werkzeugen, beides ist Handwerk, in beiden Berufen braucht es Fingerspitzengefühl und Präzision», streicht Gerber die Parallelen heraus.
«Es ist allerdings nicht ganz einfach, nach drei Jahren wieder Vollzeit in die Schule zu gehen. Am Abend hatte ich zu Beginn richtig Mühe einzuschlafen, weil ich zu viel Energie hatte und körperlich nicht müde war.» Ein Glück, dass er seit frühester Kindheit im Turnverein aktiv ist und seit Jahren auch bei den Jungschützen schiesst.
Bereits auf dem Wölflinswiler Kirchturm gearbeitet
Sollte es mit der Medizin dereinst trotz allem Engagement nicht klappen – immerhin muss nach der Passerelle auch noch der Numerus Clausus, die Zulassungsbeschränkung, überwunden werden – würde Gerber auch ein Architektur-Studium in Betracht ziehen. Sein Interesse an der Architektur ist im Verlauf der Lehre immer grösser geworden. Auf vielen Hausdächern und sogar schon auf dem Wölflinswiler Kirchturm hat er gearbeitet. Von seinem Zimmer im Elternhaus aus blickt er an eine Lukarne im Dach des Nachbarhauses, an der er selber Hand angelegt hat und jedes Mal, wenn die Wölflinswiler Kirche läutet, erinnert ihn das an seine Arbeit in luftiger Höhe, als er mitgeholfen hat, das Kirchturmdach und die Turmspitze mitsamt Kugel zu erneuern.
Und was sagt der ehemalige Lehrmeister zu den hochfliegenden Plänen seines ehemaligen Schützlings? Was meint er dazu, dass sein Top-Spengler dem Berufsstand aller Voraussicht nach nicht erhalten bleibt? «Wir sind stolz auf Pascal. Aber es tut schon auch ein bisschen weh. Zumal Spengler von Jahr zu Jahr mehr zur Mangelware werden.» Im Kanton Aargau haben in diesem Jahr gerademal elf Lernende den Beruf des Spenglers gewählt, im Kanton Solothurn ein einziger. Dazu kommt, dass nur rund die Hälfte der Lehrlinge die Lehre dann auch wirklich abschliessen. «Wir haben eine Abmachung getroffen», verrät René Meyer schmunzelnd. «Wenn Pascal dereinst ausgebildeter Neurochirurg ist, dann hat er mir versprochen, dass er neben das medizinische Diplom auch das Spengler–Diplom an die Wand hängen wird.»
Dritter Rang im Kreativ-Wettbewerb
Eine Auszeichnung hat Gerber bereits gewonnen. Am 13. Spenglertag in Bern im März 2015 erreichte er mit seiner Skulptur «Ying und Yang» den dritten Rang im Kreativ-Wettbewerb. Dies nachdem er bei Roger Wanner – auch er ein Wölflinswiler – einen einwöchigen Kurs als Kunstspengler besucht hat. Jetzt greift der junge Mann nach einer weiteren Auszeichnung: An der Berufsschule in Lenzburg bereitet er sich auf die Schweizer Meisterschaften der Gebäudetechnik vom 23. bis 28. September in Zürich (Züspa) vor. Sauber, schnell und präzis muss er dann arbeiten. «Präzis und sauber muss ich als Spengler immer arbeiten», gibt der junge Mann zu bedenken «und Zeitdruck gibt es auf Baustellen auch immer wieder.» Keine Frage: Pascal Gerber ist bereit, auch diese Herausforderung anzunehmen.