Angelo Zurlino arbeitet als Bekleidungstechniker und Jugendarbeiter
15.05.2016 Persönlich, WittnauVon Daniela Leimgruber
Besucht man Angelo Zurlino in seinem Zuhause in Wittnau, schreitet man durch einen mit viel Liebe eingerichteten verwunschenen Garten. Im Gespräch sagt er: «Wir wollten hier eine Oase schaffen.» Im Sommer schneidet seine Frau Connie Beurret ihren Kunden auch draussen die Haare.
Er näht seit seiner Jugend
Zurlino ist 1959 in Italien geboren und kam 1966 mit seinem Vater ins Zürcher Oberland. Seine Passion galt seit der Jugend dem Nähen und Entwerfen von Kleidungsstücken.
Als sogenannter Bekleidungstechniker arbeitete er in 43 Ländern auf der ganzen Welt und war für verschiedene Kleider-Marken in der Produktion vor Ort für das Qualitätsmanagement zuständig. Mitte der 80er Jahre wanderte er aus und lebte in Pakistan, Mauritius oder Indien, bevor er sich mit seiner damaligen Frau und den beiden Söhnen in Tunesien niederliess. Dort lebte und arbeitete er während zehn Jahren.
Nach der Trennung von seiner damaligen Frau kehrte er 2001 in die Schweiz zurück, wo er in Lausanne lange Zeit bei der Firma Switcher als Technischer Leiter tätig war. Zusammen mit seiner neuen Partnerin, die auch zwei Kinder hat, fanden er und seine eigenen zwei Kinder ein neues Zuhause im Fricktal.
«Faire Kleidung kann nicht billig sein»
Dass Zurlino und seine Frau Connie auch auf geschäftlicher Basis ein gutes Team sind, beweisen sie mit ihrer Produktionsfirma «Nell’s GmbH» und der «Style Factory». Sie produzieren Kleiderlinien für verschiedene Marken und Auftraggeber aus ganz Europa. So haben sie beispielsweise vor Kurzem eine Modelinie für Töff- Bekleidung hergestellt. Auch Turnvereine und lokale Handwerksbetriebe haben die beiden schon ausgestattet. «Der Vorteil ist, dass Vereine oder Arbeitgeber kein fertiges Produkt ab der Stange auswählen und dann teuer in der Schweiz bedrucken lassen müssen, sondern dass wir eine Kleiderlinie nach ihren Wünschen und Bedürfnissen produzieren», erklärt Angelo Zurlino.
Während den 38 Jahren in welchen Zurlino nun schon in der Kleidungsproduktion tätig ist, hat er schon einiges gesehen; Fabrikarbeiter, welche mit Ketten an den Maschinen befestigt waren; Männer, die giftige Färbungsmittel mit der nackten Hand rührten oder Näherinnen, welche zu einem Hungerlohn bis zu 15 Stunden täglich in den Fabriken schufteten. «Ich kann nicht nachvollziehen, dass Leute sehr viel Wert darauf legen, woher die Lebensmittel kommen, welche sie konsumieren, ihnen es aber gleichzeitig egal ist, unter welchen Bedingungen ihre Kleidungsstücke produziert werden.» Schon bei Switcher, während fast elf Jahren Arbeitgeber von Angelo Zurlino, war er für die Umsetzung der sozialen Ziele des Kleiderherstellers zuständig. In Zusammenarbeit mit Experten organisierte er die Eröffnung von sieben Schulen in Indien. Seine Erfahrungen nutzt Zurlino nun auch in der Produktion seiner eigenen Textilfirma. Alle Kleider, welche von «Nell’s GmbH» produziert und vertrieben werden, stammen von Produzenten, welche sowohl soziale als auch ökologische Standards erfüllen. So erhalten beispielsweise ihre Näherinnen in Bangladesch das Vierfache des gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohns. Zudem sind alle Kleider, sofern möglich, pflanzlich gefärbt. Dies ist sowohl für die Gesundheit der Produzenten als auch für jene der Kunden ein Vorteil. «Faire Kleidung kann nicht billig sein, doch ist sie ein Luxus den wir uns leisten sollten, ja müssen», sagt Zurlino.
Angelo – der Jugendarbeiter
Ursprünglich kontaktierte die NFZ Angelo Zurlino, um ein Portrait über einen engagierten Jugendarbeiter zu schreiben; ohne die spannende Lebensgeschichte zu kennen, welche sich hinter dem grossgewachsenen Mann mit langen, gekrausten, grauen Haaren verbirgt. Denn Angelo Zurlino ist seit 2013 zu 50 Prozent als Jugendarbeiter für die Gemeinden Frick, Gipf-Oberfrick und Wittnau zuständig.
Zu diesem Job kam er eher zufällig; ihn reizte die neue Herausforderung: «Jugendarbeit war völlig neu für mich.» Für den nötigen fachlichen Background sorgen neben Dario Hauri auch zwei Coaches der Jugend- und Familienberatung des Gemeindeverbandes Bezirk Laufenburg.
Flüchtlingsprojekt zusammen mit Jugendlichen geplant
Ab Sommer startet das Team von Zurlino, welches aus engagierten Jugendlichen und jungen Erwachsenen besteht, ein neues Grossprojekt. Denn für Juli ist der Einzug von über 200 Flüchtlingen im alten Werkhof in Frick angekündigt (die NFZ berichtete). Zusammen mit anderen Jugendarbeitern aus der Region ist Zurlino in Kontakt mit dem Amt für Migration und Integration in Aarau. Sind die Flüchtlinge dann vor Ort, wollen die Jugendlichen der Region verschiedene Angebote für sie auf die Beine stellen und auch die Jugendtreff-Räumlichkeiten zur Verfügung stellen. «Ich möchte wirklich betonen, dass diese Idee von den Jugendlichen stammt. Sie waren es auch, welche die Idee hatten, für jugendliche Flüchtlinge eine Art Gotti/Götti-System einzuführen.» Weil Zurlino lange in muslimischen Ländern gelebt hat und die Kulturen und deren Bräuche kennt, eignet er sich gut als interkultureller Vermittler und unterstützt die Jugendlichen gerne in ihrem Vorhaben. «Das Ganze wird ein laufender Prozess», so Zurlino.
Fürs Foto begibt man sich dann nochmals in den Garten. Auch dieser zeugt von den vielen Erlebnissen aus Zurlinos Leben. So steht beispielsweise eine indische Rikscha im Garten; Zurlino kommen weitere Anekdoten aus seinem Leben in den Sinn. Alle seine Erlebnisse würden wohl ein Buch füllen.