Als das Briefporto 30 Rappen kostete

  22.01.2016 Gemeinden, Porträt, Oberes Fricktal, Persönlich

Von Dominik Senn

«Bereits während der Schulzeit in Frick war mein Wunsch, bei der Post zu arbeiten», sagte Urs Liechti mit Jahrgang 1953. Zuerst lernte er im Hotel Engel im Oberdorf Casserolier und arbeitete am Buffet und als Kellner, damals unter Wirt August Düringer. Im Jahre 1969 bot sich ihm die Gelegenheit den Wunschberuf zu ergreifen. Am 5. Mai trat er auf der Hauptpost in Rheinfelden die Lehre als Postbote an.

«Damals gab es A- und B-Post noch nicht. Die Portokosten je Brief betrugen dreissig Rappen», so Liechti. Bestandteil der Lehre war das Auswendiglernen der wichtigsten Postleitzahlen, aber auch der Fahrpläne und Taxen der Postauto- und Bahnlinien im Aargau. Nach Wanderjahren in Stein, Baden und Basel erfüllte sich dem 19-Jährigen 1972 der Herzenswunsch der Anstellung durch Posthalter Franz Wernle in Frick. «Damals wurde man noch gewählt», erinnerte er sich. Dazu hatte er bei Gemeindeammann Adolf Schmid anzutraben, der  ihm nach eingehender Prüfung das nötige Leumundszeugnis ausstellte.

Mit Zustellkarren zum Bahnhof

Die Fricker Post war damals an der Hauptstrasse, gegenüber der Löwen-Apotheke, domiziliert. Postboten gab es fünf in Vollzeit und einen in Teilzeit. «Wochentags schob jeder seinen  Zustellkarren um sechs Uhr früh zum Bahnhof und half den ankommenden Bahnpostwagen mit der Briefpost und den hintersten K-Wagen mit der Paketpost abladen», sagte Liechti. Das gab ansehnliche Fuder, denn schon damals war die Post für die Bewohner in Gipf-Oberfrick, Wittnau, Wölflinswil, Oberhof und Oeschgen dabei. Die Vorsortierung beziehungsweise das Einstellen für die verschiedenen Touren erfolgte im Garagenanbau der Post, bevor jeder Zustellbeamte etwa um halb neun Uhr auf seine wöchentlich neu zugewiesene Tour losmarschierte. Liechtis  erste Tour führte zum Stieracker, wo die ersten Wohnblöcke standen.

«In den Anfangsjahren war eigentlich immer jemand zuhause, der die Paketpost in Empfang nahm», sagte Liechti, «mit der Zeit mussten wir immer mehr Avis ausstellen, damit die Adressaten das Pakt auf der Post abholten.» Meist war die Tour um Mittag herum erledigt. Nachmittags wurden der Fricktal-Bote und der Rest der Briefpost mit Velos auf derselben Tour ausgeführt. Ebenso führten die Beamten grosse Geldmengen mit sich, denn die AHV und verschiedentlich Löhne wurden noch in Bar ausgehändigt. Passiert sei ihm eigentlich wenig auf diesen oft beschwerlichen Touren. Nur insgesamt zweimal sei er von Hunden gebissen worden.

Kontakt mit den verschiedensten Leuten

Gerne erinnert er sich an die anfänglich häufig erfolgten Einladungen auf einen Kaffee und einen kurzen Schwatz, denn die Leute seien begierig gewesen zu erfahren, was es im Dorf Neues gab. Dazu fehle heute leider die Zeit. Ihm habe die Arbeit immer gefallen. «Das Schöne an diesem Beruf ist der Kontakt mit den verschiedensten Leuten. Ich kannte mit der Zeit fast alle Familien und erlebte deren Entwicklungen über zwei, drei Generationen. Ich wollte auch immer Draussen arbeiten, unterwegs war ich mein eigener Herr und Meister.»

Der Postneubau an der Widengasse mit Bezug im Jahre 1975 läutete eine neue Ära des Postbetriebs ein. Ab 1967 hiess man nicht mehr Postbote, sondern «Briefträger», und der Posthalter – auf Wernle folgte Willy Rüede – hiess neu «Verwalter». Es gab Erleichterungen, zuerst in Form von Mofas mit Anhängern. Urs Liechti war es vor etwa zehn Jahren vergönnt, die Einführung elektrischer Dreiräder, wie sie heute verwendet werden, zu testen, «wir konnten damit grössere Anhänger mitführen.» Die Post wurde bald per Sattelschlepper direkt zum Postgebäude herangeführt und musste nicht mehr vom Bahnpostwagen oder Postauto abgeholt werden.

Der Postbetrieb sei mit wachsender Bevölkerungszahl immer hektischer geworden, so Liechti. Der Postdienst wurde von Frick aus  mit der Zeit zusätzlich nach Hornussen, Bözen, Zeihen, Effingen und Elfingen ausgeweitet. Die Zahl der Briefträger erhöhte sich bis auf 16 Personen, die meisten in Teilzeit und vermehrt Frauen. «Mir war wichtig, dass ich postalisch immer auf dem neusten technischen Stand war. Es gab laufend solche Neuerungen, beispielsweise das Einscannen der eingehenden Post.»

Auf Ende 2015 ist er in Pension getreten, nach über 46 Jahren treuer Pflichterfüllung, am 5. Mai wären es 47 Jahre. Behalten hat er von den Arbeitsutensilien als Erinnerung einzig eine alte Uniform mit steifem Hut, eine Pelerine und eine alte Zustelltasche. Die beiden Kinder sind ausgeflogen, die Tochter hat soeben die Zusatzlehre als Gemeindeschreiberin absolviert, in Frick natürlich. Jetzt freut er sich darauf, seinen geliebten Hobbys Velofahren und  Jassen noch mehr zu frönen: Er hatte schon einmal einen Fernsehauftritt beim «Donnschtig-Jass» in Brunnen. Seine Zukunftswünsche sind bescheiden: gute Gesundheit und eventuell wieder einmal eine längere Reisen unternehmen.


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