Zwischen schweigen und darüber reden
06.05.2025 WallbachAmtsträger, die zur Zielscheibe für Beleidigungen werden, würden oft schweigen, sagt Wallbachs Frau Gemeindeammann Marion Wegner-Hänggi. Sie ging einen anderen Weg.
Ronny Wittenwiler
Es war im November. Sie habe es sich redlich überlegt und sich ...
Amtsträger, die zur Zielscheibe für Beleidigungen werden, würden oft schweigen, sagt Wallbachs Frau Gemeindeammann Marion Wegner-Hänggi. Sie ging einen anderen Weg.
Ronny Wittenwiler
Es war im November. Sie habe es sich redlich überlegt und sich gefragt, was für ein Fass sie damit aufmachen würde. Marion Wegner-Hänggi sprach damals zu Beginn der Gemeindeversammlung von «üblen, teils anonymen Beschimpfungen» gegenüber Gemeindepersonal und Gemeinderäten.
Viele Reaktionen ausgelöst
Die NFZ berichtete über jene Gemeindeversammlung. Sie verlief hart in der Sache, doch stets respektvoll, und ebenso erfreulich: Seither hat sich der Furor gelegt. Jetzt im Rückblick sei also die Frage erlaubt: Hat Marion Wegner-Hänggi überreagiert? «Nein», sagt sie, und gerade die seither gemachten Erfahrungen hätten das noch einmal gezeigt: «Es kamen und kommen noch immer Personen aus dem Dorf auf mich zu, die sich über die Beschimpfungen betroffen zeigen und sowas nicht für möglich hielten.» Selbst über die Gemeindegrenze hinweg bei Zusammenkünften mit anderen Exekutivmitgliedern bekam die stark vernetzte Frau Gemeindeammann etliche Reaktionen auf ihre Schilderungen. Viele würden ähnliche Erfahrungen machen. «Gemeinderätinnen, die abends ins Bett gehen und sich fragen: Warum tue ich mir das und meiner Familie überhaupt noch an? Das Thema ist bei vielen Behördenmitgliedern sehr präsent.»
Sie selbst sei im Vorfeld jener Gemeindeversammlung zum ersten Mal derart massiv angegangen worden, sagt Marion Wegner-Hänggi. «Ich möchte aber betonen, dass ich damit nicht gewisse Posts im Internet meine. Vielleicht war dort die Wortwahl nicht die feine Art, aber immerhin hatte da jemand den Magen, mit seinem Namen zu zeichnen. Das ist dann okay. Was aber gar nicht geht, sind anonyme Drohungen.» Und das sei damals eben mehrfach geschehen, wie sie nun auf Nachfrage konkret wird – womöglich auch als Antwort auf die Frage, ob sie vielleicht überreagiert habe. «Ich bekam nachts anonyme Anrufe mit obszönen Lauten, unterm Scheibenwischer am Auto fand ich mehrfach Zettelchen mit wenig erquickenden Worten.»
Abschreckende Wirkung
Grundsätzlich habe sie diese Vorfälle nicht allzu ernst nehmen wollen, sagt Wegner-Hänggi, die von einer Einzelperson ausgeht. «Wir sollten aber verhindern, dass solches Verhalten einreisst. Denn das hat eine abschreckende Wirkung für ganz viele fähige Personen, die so nicht gewillt sind, ihre Zeit für die Allgemeinheit einzusetzen. Personen, die es lange Zeit schweigend zu ertragen versuchen und dann heisst es plötzlich: Demission aus persönlichen Gründen.» Auch diese Erkenntnis zieht sie aus den Reaktionen, die sie seither im Austausch mit anderen Behördenvertretern erlebte.
Gehe das so weiter, sagte Marion Wegner-Hänggi damals an der Gemeindeversammlung, könne es schwierig werden, neue Gemeinderäte und Gemeinderätinnen zu finden. Das Amt auszuüben sei zeitraubend, zudem bescheiden entlöhnt – da komme es schlecht an, auch noch respektlos behandelt zu werden. «Ich wollte ins Bewusstsein rufen, dass wir die Demokratie als wertvolles Gut hegen und pf legen müssen.» Sie würde es rückblickend wieder tun. Die vielen Reaktionen von Amtsträgern aber auch von zahllosen weiteren Bürgerinnen und Bürgern, die das genauso sehen, zeigen ihr: manchmal reicht schweigen nicht aus.