Niklaus Leemann

«Du schreibst so viel von Wirtschaftswachstum. Wieso muss die Wirtschaft eigentlich immer mehr wachsen? Ist sie noch nicht erwachsen?», wurde der Kolumnist kürzlich von einer NFZ-Leserin gefragt. Gute Frage!

Zunächst einmal ist Wirtschaftswachstum ein Ergebnis – und zwar das eines Produktivitätsgewinns. So führte beispielsweise die Erfindung des Traktors zu erheblichem Wirtschaftswachstum. Was früher viele fleissige Hände erledigten, erfolgte plötzlich durch eine unermüdliche Maschine. Die fleissigen Hände konnten anderweitig eingesetzt werden – zum Beispiel in einer Fabrik – während der bisherige Ertrag in der Landwirtschaft auch mit weniger Menschen erwirtschaftet werden konnte. Voilà, es gab Wirtschaftswachstum.

Ähnliche Treiber von solchen Wachstumsschüben waren etwa das Telefon, das Auto oder das Internet. Mit der künstlichen Intelligenz steht uns ein weiterer Wachstumsschub bevor. So korreliert Wirtschaftswachstum immer auch mit einer Steigerung der Lebensqualität der Menschen. Die Beispiele zeigen auch, dass Wirtschaftswachstum nicht unbedingt mit Fleiss oder harter Arbeit zu tun hat. Vielmehr geht es darum, als Gemeinschaft die richtigen Entscheidungen zu treffen, damit die Produktivitätsgewinne möglichst rasch bei der Bevölkerung ankommen.

In diesem Sinne ist Wirtschaftswachstum ein natürliches Phänomen und kein Zwang. Wachsen «müssen» tun wir eigentlich nur, weil wir uns an bestimmte Wohlstandsversprechen gewöhnt haben. Beispielsweise stiegen die Ausgaben des Kantons Aargau in den letzten Jahren mit 2,8 Prozent pro Jahr, die des Bundes mit 2,6 Prozent. Solch stetig wachsende Ausgaben sind nur mit einer wachsenden Wirtschaft finanzierbar. Das zeigt nicht zuletzt die aktuelle Debatte um die Bundesfinanzen. Genauso unterstellen die AHV und die Pensionskassen ein stetiges Wirtschaftswachstum. Gäbe es dieses nicht, wären auch die entsprechenden Rentenversprechen in Gefahr. Doch solange wir Menschen unser Können, unsere Motivation und unseren Mut hin zu immer besseren Lösungen einsetzen, ist das Wirtschaftswachstum und somit unser Wohlstand auch gesichert.

In der Kolumne «Die Wirtschaft sind wir» beschreibt der Ökonom und Unternehmensberater Niklaus Leemann, wie die Wirtschaft fester Bestandteil unserer Gesellschaft und unseres Lebens ist.