Wenn das Leben plötzlich eine andere Richtung nimmt
15.07.2024 HottwilDie letzten eineinhalb Jahre standen ganz im Zeichen der Qualifikation für die kommenden Paralympics in Paris. Ilaria Renggli aus Hottwil hat die Qualifikation sowohl im Einzel als auch im Doppel geschafft.
Janine Tschopp
«Ich bin damals gerade 18-jährig ...
Die letzten eineinhalb Jahre standen ganz im Zeichen der Qualifikation für die kommenden Paralympics in Paris. Ilaria Renggli aus Hottwil hat die Qualifikation sowohl im Einzel als auch im Doppel geschafft.
Janine Tschopp
«Ich bin damals gerade 18-jährig geworden und freute mich, endlich alles tun zu können, was ich wollte», erinnert sich Ilaria Renggli. Es kam dann ganz anders: «Statt total selbstständig zu werden, war ich von einem Tag auf den anderen auf meine Mitmenschen angewiesen. Ohne Hilfe konnte ich mich im Bett nicht einmal von der einen auf die andere Seite drehen.» Bei einer Blutung im Rücken kam es zu einer Komplikation, welche bei Ilaria Renggli zur Paraplegie führte.
«Das Schlimmste war, dass ich keinen Sport mehr machen konnte», erzählt sie von der Zeit nach dem einschneidenden Ereignis. Sie war damals noch Schülerin an der Kantonsschule. Entsprechend war sie geistig ausgelastet, aber die körperliche Betätigung fehlte ihr stark. Kunstturnen war vor dem Unfall ein für sie sehr wichtiges Hobby.
Mit Schwimmen begonnen
In der Rehabilitationsphase erhielt sie eine Sportberatung und begann vorerst mit Schwimmen. «Dass es einmal Badminton würde, hätte ich nie gedacht.» Bei ihrem ersten Badminton-Training im Rollstuhl habe sie nie getroffen, erzählt sie mit einem Lachen. Sie machte dann trotz «Corona-Zwangspause» schnell Fortschritte und nahm 2021 an ihrem ersten internationalen Turnier in Dubai teil.
Beruf lich ging es bei ihr nach der Matur am Sportgymnasium mit Tätigkeiten als Lehrpersonen-Assistentin sowie mit Aufgaben im administrativen Bereich weiter. Anschliessend absolvierte sie die Spitzensport-Rekrutenschule in Magglingen. Seit einigen Monaten konzentriert sie sich zu hundert Prozent auf die Qualifikation für die Paralympics, welche vom 28. August bis 8. September 2024 in Paris ausgetragen werden. «Das ist ein Fulltime-Job», erklärt sie. Neben Trainings, die sie zweimal pro Tag absolviert, standen in den letzten Monaten zahlreiche internationale Turniere auf dem Programm.
Was fasziniert sie eigentlich am Para-Badminton? «Man kann Badminton sowohl allein als auch im Doppel spielen. Zudem fasziniert mich, dass alle Gegner völlig unterschiedlich spielen und man jeden Schlag stetig perfektionieren kann.»
Qualifiziert für Paris
Seit ein paar Wochen weiss sie, dass sie – sowohl im Einzel als auch im Doppel mit Cynthia Mathez – für die Paralympics qualifiziert ist. Die Selektion durch den Verband «Swiss Paralympic» wird am 19. Juli 2024 erfolgen.
Es ist ihre erste Teilnahme an den Paralympischen Spielen und sie freut sich sehr darauf. Auf die Stimmung, auf das Zusammentreffen mit anderen Athleten und Nationen und darauf, «ihre bestmögliche Leistung auf den Platz zu bringen». Im Doppel erhofft sich die Athletin, welche auf der Weltrangliste im Doppel derzeit den zweiten und im Einzel den fünften Platz belegt, «mindestens ins Viertelfinale zu kommen». Sie freut sich auch, dass Paris so nahe liegt und sie sich weder mit Klimaveränderung noch mit Zeitverschiebung auseinandersetzen muss. Zudem freut sie sich sehr, dass aufgrund der kürzeren Distanz auch Familie und Freunde dabei sein werden.
Apropos Heimat: Seit einiger Zeit lebt Ilaria im Fricktalischen Hottwil. Wie gefällt es ihr dort? «Mir gefällt es sehr gut. Es ist megaschön im Fricktal. Wir haben viel mehr Sonne als in anderen Regionen (lacht). Zudem geniesse ich die Natur und die Ruhe. Das ist schön. Gerade, wenn man so viel auf der ganzen Welt unterwegs ist.»
Backen, Kochen, Gärtnern, Zeichnen …
Wenn die Para-Badmintonspielerin nicht trainiert oder irgendwo auf der Welt an einem Turnier teilnimmt, beschäftigt sie sich gerne mit Backen, Kochen, Gärtnern und Zeichnen. Einige ihrer Werke, die sie mit Ölfarben gemalt hat, schmücken ihre Wohnung.
Ilaria Renggli hadert nicht mit dem Schicksal, obwohl sie heute viele alltäglichen Dinge nicht mehr im gewohnten Tempo erledigen kann. Hat sie einen Wunsch für die Zukunft? «Irgendwann hätte ich gerne einen eigenen Bauernhof.» Auf die Frage, ob sie sich diesen Wunsch mit oder ohne Rollstuhl vorstellt, sagt die 24-Jährige: «Das ist egal.»