Von lustig bis gruslig – KI hat viele Gesichter
10.09.2024 Wirtschaft, WirtschaftWenn sich eine Wissenschaftlerin, ein Satiriker und ein Visionär Gedanken machen über Chancen und Risiken der künstlichen Intelligenz (KI) dann ist das Publikum zahlreich zur Stelle. So wie am vergangenen Donnerstagabend, als der Planungsverband Fricktal Regio in den Saalbau in ...
Wenn sich eine Wissenschaftlerin, ein Satiriker und ein Visionär Gedanken machen über Chancen und Risiken der künstlichen Intelligenz (KI) dann ist das Publikum zahlreich zur Stelle. So wie am vergangenen Donnerstagabend, als der Planungsverband Fricktal Regio in den Saalbau in Stein einlud.
Simone Rufli
Er habe sich überlegt, ob er die Begrüssung von KI schreiben lassen solle, wandte sich Moderator Patrick Rohr im vollbesetzten Steiner Saalbau ans Publikum. «Ich habe mich dagegen entschieden. Erstens bin ich stur und zweitens lässt das mein Berufsstolz als Journalist nicht zu.» Künstliche Intelligenz durchdringe immer mehr Bereiche unseres Lebens, «wobei sich viele Menschen nicht bewusst sind, wie oft sie im Alltag bereits mit KI konfrontiert sind, bei Streaminganbietern, bei der Wetterapp, bei Übersetzungsprogrammen oder beim Chatbot in der Telefon-Hotline. Die KI ist gekommen, um zu bleiben», so Rohr. Aber: «Die Aussicht, dass es vielleicht schon bald keinen Moderator mehr braucht, die macht mir auch Angst.»
Mischung aus Bewunderung und Angst
Mit dieser Mischung aus Bewunderung für die schier grenzenlosen Möglichkeiten, die uns KI eröffnet und der Angst vor Arbeitsplatzverlust und missbräuchlicher Anwendung wusste sich Rohr am Donnerstagabend in bester Gesellschaft. Der Anlass: Das Wirtschaftsforum des Planungsverbands Fricktal Regio. Das Thema: «KI – Chancen und Risiken der künstlichen Intelligenz». Die Referenten: Prof. Dr. Susanne Suter, Dozentin am Institut für Data Science an der Fachhochschule Nordwestschweiz, Patrick «Karpi» Karpiczenko, Satiriker und KI-Experte und Marcel Aumer, CEO, Verwaltungsratspräsident und Mitgründer der FlexBase Group, die in Laufenburg das Technologiezentrum mit KI-Rechenzentrum bauen will. Gastgeberin: Françoise Moser, Präsidentin des Planungsverbands und Frau Gemeindeammann von Kaiseraugst. «Ich weiss wenig über KI», gestand Moser, «und weiss auch nicht, wo KI schon überall drin ist.»
KI gibt es schon lange
Auch wenn die breite Öffentlichkeit erst jetzt ein allgemeines Bewusstsein dafür entwickelt habe, «KI ist schon seit mehreren Generationen unter uns», erklärte Susanne Suter. Regelbasiert seit 1959, lernend ab 1979, generativ seit 2022 mit dem Chatbot «ChatGPT», der in gewissen Bereichen menschliche Leistung übertreffe. Regelbasiert heisse, den Rüebli-Kuchen nach Rezept zu backen, lernend, den Kuchen unkonventionell zu dekorieren, generativ nur noch die Kuchenform beizubehalten, anstatt Rüebli aber Zucchetti und Brokkoli zu verwenden. «Es geht darum, herauszufinden, was geeignet ist, um automatisiert zu werden», erklärte Susanne Suter. «KI soll als Werkzeug in unseren Alltag integriert werden, wo es Sinn macht.» Um das herauszufinden, sei es wichtig, KI im Alltag zu nutzen und damit zu experimentieren.
«Ein seltsamer Bub»
Einer, der das leidenschaftlich tut, ist Patrick Karpiczenko. Mutter Informatikerin, Vater Musiker, er «ein seltsamer Bub, der immer schon mit Robotern gespielt hat». «Seit drei Jahren hören mir die Leute zu und kann ich zu Geld machen, womit ich mich immer schon beschäftigt habe», meinte er. Mit der automatisierten Bildmanipulation stellten sich zwei Fragen: Kann man Bildern noch trauen? Und was will ich glauben?» Das Bild des Papstes im Daunenmantel sei lustig – «creepy», was so viel wie gruslig und unheimlich bedeutet – sei hingegen, wenn KI einen «weissen Bankräuber» zu einem schwarzen Mann in einem weissen Anzug mache.
Das Problem: «Vertrauen wird aufgelöst. Vor allem unter den Jungen macht sich Zynismus breit, viele glauben gar nichts mehr. Das ist gefährlich», so Karpiczenko. Mit einer Reihe von KI-generierten Bildern brachte er das Publikum auf andere Gedanken und zum Lachen. Karpi zeigte, wo KI an Grenzen stösst und warum er den Begriff «künstliche Intelligenz» lieber durch «maschinelles Lernen» ersetzen würde. Er gab zu bedenken, dass KI immer nur so gut ist, wie die Daten, womit sie gefüttert wird – «KI hat folglich mehr mit der Vergangenheit zu tun als mit Zukunft, dessen müssen wir uns bewusst sein» – und er warnte davor, die Entwicklung zu verschlafen. Wichtig sei auch zu erkennen: «KI ist nicht Wahrheit. Es ist Mittelmass. Wollen wir Wahrheit, müssen wir zur Überprüfung andere Quellen heranziehen.» Ob uns KI gefährlich werden könne durch die Verbreitung all der Daten, die es sich zusammensuche und wieder ausspucke. Karpi: «Ihr schreibt alle E-Mails, was Ihr darin preisgebt und was damit für immer im Netz bleibt, darüber solltet Ihr Euch Gedanken machen.»
Milliardenprojekt in Laufenburg
Je mehr KI zum Einsatz kommt und weiterentwickelt wird, umso höher ist die Anforderung an die dafür benötigte Rechnungsleistung. In Laufenburg wird derzeit der Weg geebnet für den Bau eines hochmodernen KI-Datencenters. Bereits 2028 werde KI so viel Strom verbrauchen, wie ein Land in der Grösse Argentiniens, erklärte Marcel Aumer. «Es sind gewaltige Rechner nötig, um die benötigte Leistung zu erbringen.» Neben dem KI-Datencenter plant Aumer zusammen mit namhaften Unternehmen aus dem Energiebereich den weltweit grössten Batteriespeicher (mit einer Kapazität von über 500 Megawattstunden). Der Batteriespeicher ermögliche die effiziente Nutzung erneuerbarer Energien, stabilisiere die Stromnetze und sichere die Energieversorgung der Zukunft. Der «Stern von Laufenburg», das weltweit grösste Stromverbundnetz mit 41 grenzüberschreitenden Leitungen, sei der ideale Ort, um das zu realisieren. «Es braucht Mut und ein Netzwerk wie ich es habe, um etwas derart Grosses und Neues aufzubauen», so Aumer, dessen Milliardenprojekt seit Bekanntwerden so viel Bewunderung auslöst, wie Fragen aufwirft. Auch Patrick Rohr wollte wissen: «Kann das Projekt scheitern?» Marcel Aumer: «Nein! Eine Garantie gibt es nicht, aber ich bin davon überzeugt.» Er arbeite persönlich wenig mit künstlicher Intelligenz, sei aber von Experten umgeben. Mit im Boot sei auch ein grosser ausländischer Investor – «kein chinesischer», mehr wollte Aumer nicht preisgeben. Das Technologiezentrum mit 300 bis 350 Arbeitsplätzen soll spätestens 2028 in Betrieb gehen.