«So etwas gibt es sonst nirgends im Aargau»
21.11.2025 WirtschaftBeat Bechtold steht in regem Austausch mit den kleinen und grossen Firmen im Aargau. Als Direktor der Aargauischen Industrie- und Handelskammer kennt er die Sorgen der Unternehmerinnen und Unternehmer.
Valentin Zumsteg
NFZ: Aktuell gibt es viele Herausforderungen für die Firmen: Wie geht es der Wirtschaft im Aargau?
Beat Bechtold: In den Gesprächen mit den Wirtschaftsvertretern spüren wir derzeit eine grosse Verunsicherung. Die Unternehmen sind zurückhaltend mit Investitionen und dem Schaffen von neuen Arbeitsplätzen. Die Aargauer Maschinenbauunternehmen verzeichnen einen Rückgang im Export von über einem Viertel gegenüber dem Vorjahr.
Das tönt dramatisch. Was bereitet Ihnen als Direktor der Aargauischen Industrie- und Handelskammer und damit als Vertreter der KMU-Betriebe und der Grossunternehmen die grössten Sorgen?
Die aktuell noch hohen US-Zölle sind eine grosse Belastung. Wie die Zölle für Pharma-Produkte künftig aussehen werden, das wissen wir noch nicht. Auch das kann die Schweiz stark belasten. Beim Franken ist den Unternehmen wichtig, dass er stabil ist. Damit können sie umgehen. Wenn er sich aber immer weiter aufwertet oder schwankt, führt das zu Problemen. Die Firmen wünschen sich eine gewisse Planungssicherheit.
Sie sind im Austausch mit vielen Firmen im Aargau. Was bekommen Sie aktuell am meisten zu hören?
Obwohl die Firmen etwas zurückhaltender bei der Schaffung von neuen Stellen sind, beschäftigt sie der Fachkräftemangel nach wie vor. Es ist wichtig, dass genügend Berufsnachwuchs ausgebildet wird. Auf der anderen Seite ist der Aargau als Grenzkanton stark auf die Grenzgänger angewiesen. Im dritten Quartal 2025 zählten wir im Aargau über 15 000 Grenzgängerinnen und Grenzgänger. Mehr als die Hälfte davon – genau sind es 7850 – arbeiten im Fricktal. Das zeigt, wie angewiesen wir auf gute Beziehungen mit der Europäischen Union sind.
Rechnen Sie mit einem wirtschaftlichen Abschwung in den kommenden Monaten?
Das Aargauer Konjunkturbarometer zeigt aktuell für den September einen Rückgang von 2,4 Prozent. Die Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH geht in ihrer Herbstprognose von einer stabilen Lage, aber weniger Investitionen aus. Das deckt sich mit den Gesprächen, die ich führe.
Im Fricktal spielen die grossen Life-Science-Firmen wie Roche, Novartis, Lonza und DSM eine wichtige Rolle. Wie sehen Sie die Region?
Ich sehe den Aargau als Kanton der Regionen. Das Fricktal ist eine attraktive Wirtschaftsregion; der Wohnungsnotstand ist hier etwas weniger ausgeprägt als in Richtung Zürich. Das Fricktal profitiert sicher auch von der Grenznähe. Es ist daher kein Zufall, dass das Fricktal zu den Entwicklungsschwerpunkten im Aargau gehört.
Was könnte das Fricktal aus Ihrer Sicht noch besser machen?
Wichtig ist aus meiner Sicht, dass das Fricktal als Grenzregion die deutsche Seite miteinbezieht. Nach meiner Einschätzung wird das aber bereits gut gemacht. Die Verkehrsproblematik spielt dabei eine wichtige Rolle. Mit den Pharma- und Life-Science-Unternehmen ist das Fricktal in den vergangenen Jahren sehr gut gefahren. Es besteht aber ein gewisses Klumpenrisiko. Wenn diese Firmen, wie angekündigt, stärker in den USA investieren, dann bekommt dies das Fricktal wahrscheinlich auch zu spüren. Deswegen ist es wichtig, dass man sich branchenmässig breit aufstellt.
Was wünschen Sie sich von der Politik im Aargau und in der ganzen Schweiz?
Wir sollten versuchen, die unnötigen bürokratischen Hürden abzubauen und zu deregulieren. Daneben ist die Wirtschaft auf eine gute Infrastruktur angewiesen, besonders bei der Energieversorgung.
Ein Ziel der AIHK ist es, das Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge in Staat und Gesellschaft zu fördern. Wie schwierig ist diese Aufgabe aktuell?
Da sind die Herausforderungen tatsächlich gross. Wenn man früher in der Schweiz gesagt hat, «das ist gut für die Wirtschaft» hat man damit Abstimmungen gewonnen. Das ist heute nicht mehr so. Heute sind die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger kritischer. Deswegen braucht die Wirtschaft Botschafter, die in den verschiedenen Regionen bekannt und glaubwürdig sind. Das ist der Grund, warum wir bei der AIHK mit Regionalgruppen arbeiten. Im Fricktal gibt es ebenfalls eine solche mit dem Präsidenten Raphael Jehle. Die macht – auch im Kantonsvergleich – einen sehr guten Job. Was ich ebenfalls sehr wichtig finde, sind Informationsanlässe. Hier hat das Fricktal mit den «Werkgesprächen» ein Leuchtturmprojekt. So etwas gibt es sonst nirgends im Aargau. Ich finde das eine tolle Initiative. Dort kann man die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zusammenhänge aufzeigen.
Beat Bechtold und die AIHK
Beat Bechtold (Jahrgang 1977) hat Internationale Beziehungen im staatswissenschaftlichen Lehrgang an der Universität St. Gallen (HSG) studiert. Seit 2020 ist er Direktor der Aargauischen Industrie- und Handelskammer. Bechtold ist in Mägenwil aufgewachsen. Der Vater von zwei Söhnen wohnt mit seiner Familie in Birr. (nfz)

