Rote Linien überschritten
12.12.2023 Mettau, MettauertalTrotz erteilter Baubewilligung für ein Terrassenhaus mit vier Wohnungen durch den Gemeinderat Mettauertal wurde nach Start des Projektes ein Baustopp verfügt (die NFZ berichtete). Nun zeigt sich, dass die Gemeinde eine Baubewilligung erteilt hat, ohne die erforderliche kantonale ...
Trotz erteilter Baubewilligung für ein Terrassenhaus mit vier Wohnungen durch den Gemeinderat Mettauertal wurde nach Start des Projektes ein Baustopp verfügt (die NFZ berichtete). Nun zeigt sich, dass die Gemeinde eine Baubewilligung erteilt hat, ohne die erforderliche kantonale Zustimmung.
Bernadette Zaniolo
«Der Baustopp in Mettau hat nichts mit der überlagerten Inventarf läche (Bundesinventar der Trockenwiesen und -weiden von nationaler Bedeutung TTW-Fläche) zu tun», bestätigt Simone Britschgi, stellvertretende Leiterin Kommunikation im Departement Bau, Verkehr und Umwelt (BVU) des Kantons Aargau auf Anfrage der NFZ. Denn wie aus der Baubewilligung ersichtlich ist, hat der Gemeinderat Mettauertal den Bauherren Lorenz Stocker und Praveena Selvarajah die Erlaubnis erteilt, dass das Terrassenhaus mit vier Wohnungen «an die Kulturlandgrenze gebaut werden darf» und entsprechend eine Ausnahmebewilligung gemäss Paragraf 67 des Baugesetzes erteilt. Das heisst, dass der Mindestabstand von zwei Metern zwischen Bau- und Kulturlandzone nicht eingehalten werden müsste. «Das Kulturland gehört uns, dies war auch der Grund, warum die Gemeinde ein Näherbaurecht erteilt hat», so Lorenz Stocker auf entsprechende Frage der NFZ.
Gemei ndesch rei ber Florian Wunderlin sagt dazu: «In der Bauund Nutzungsordnung der Gemeinde Mettauertal ist bei den Kulturlandabständen keine Regelung zu Ausnahmen vorhanden. Der Gemeinderat als Exekutivbehörde ist deshalb davon ausgegangen, dass die Abstände gegenüber dem Bauzonenrand in Ausnahmefällen reduziert werden können. Im vorliegenden Fall hat sich eine solche Reduktion aus mehreren Gründen angeboten und wurde deshalb vom Gemeinderat im Sinne von § 67 Baugesetz gewährt.» Die Gemeinde darf gemäss ihrer BNO keine Ausnahmebewilligung bezüglich des Mindestabstands zum Kulturland erteilen, heisst es seitens des Kantons und macht folglich die Gemeinde für die Probleme verantwortlich. Wie das BVU weiter festhält, wurde «nach Baubeginn festgestellt, dass die Baugrube erheblich in die Landwirtschaftszone hineinragt.» Deshalb wurde der Gemeinderat Mettauertal vom Kanton aufgefordert, einen Baustopp anzuordnen und das Gesuch zur kantonalen Beurteilung zu überweisen.
Ausserhalb der Bauzone gebaut?
Gegen den Baustopp wurde Beschwerde beim Regierungsrat erhoben. Diese wurde mit Regierungsratsbeschluss vom 18. Oktober 2023 abgewiesen. «Den eingereichten Gesuchsunterlagen muss entnommen werden, dass die hintere Nagelwand mit den 9 Meter tiefen Erdankern ausserhalb der Bauzone in der Landwirtschaftszone erstellt wurde. Auf den zugestellten Fotoaufnahmen ist zudem ersichtlich, dass sich innerhalb der Landwirtschaftszone temporäre Baustelleninstallationen befinden», heisst es in der kantonalen Abweisung des Baugesuchs weiter. Also ein Eingriff beziehungsweise Übergriff auf die Landwirtschaftszone. Der Bauherr muss das TWW-Objekt (Trockenwiesen und -weiden) innerhalb eines Jahres nach Rechtskraft des Entscheides «ausserhalb der Bauzone mit der ursprünglichen Topografie sowie dem ursprüng lichen Bodenaufbau mit den ursprünglichen Bodeneigenschaften fachgerecht und vollständig wiederherstellen. Gegen diesen Entscheid haben die Bauherren bereits Einspruch erhoben.
Neuplanung kostet viel Geld und es bestehen viele Probleme
Wie Lorenz Stocker auf die entsprechende Frage der NFZ sagt, könnten sie ein neues Baugesuch stellen. Folgende Probleme würden sich jedoch ergeben: «Es ist unmöglich in drei Monaten das Projekt neu aufzugleisen. Zumal die Rückabwicklung schon Monate kosten wird. Aufgrund der Wiese wird die Pro Natura sofort Einsprache erheben. Dies wurde uns schriftlich mitgeteilt.» Eine Neuplanung würde enorm viel Geld kosten und alle Planer müssten nochmals von vorne beginnen. Zudem sei die neue Planung mit vielen Einschränkungen verbunden; so sei zum Beispiel ein Schattenwurf auf die Wiese nicht erlaubt. Defacto dürfen wir kein Gebäude auf die Fläche stellen, da jedes Gebäude ein Schatten wirft. Diese Fragen bezüglich der Wiese müssen dringend geklärt werden, um eine Rechtssicherheit wieder herzustellen.» Wie Simone Britschgi auf Anfrage sagte, könne man zu den Inventarflächen zurzeit keine näheren Angaben machen. Der Kanton werde prüfen, wieso es zur Überlappung von Biotopen von nationaler Bedeutung mit dem Siedlungsgebiet gekommen sei und warum die Gemeinde Mettauertal erst am 5. Juni 2023 durch den Kanton darüber informiert wurde. Zudem gelte es zu klären, welche Auswirkungen die TWW-Flächen für die betroffenen Liegenschaftsbesitzer haben, insbesondere auch für bereits seit Jahren in diesem Gebiet erstellten Häuser und Bauten. Der Baustopp beziehungsweise das «versenkte» Bauprojekt im oberen Räbächerli in Mettau sowie die vom Bund überlagerten TWW-Flächen werden noch viel zu reden geben. Wer kommt für den Schadenersatz auf? Eine Frage, die derzeit brennend interessiert. Die Hoffnung auf eine vernünftige Lösung bleibt.