«Lothar» – vom Zerstörer zum Kunstobjekt
02.04.2024 WittnauDie Skulptur von Stefan Hort wird zu neuem Leben erweckt
Am 26. Dezember 1999 fegt ein zerstörerischer Sturm übers Land. Die Spur der Verwüstung ist immens – auch im Fricktal, auch im Wald von Wittnau. Stefan Hort hat «Lothar» ein Gesicht gegeben und ...
Die Skulptur von Stefan Hort wird zu neuem Leben erweckt
Am 26. Dezember 1999 fegt ein zerstörerischer Sturm übers Land. Die Spur der Verwüstung ist immens – auch im Fricktal, auch im Wald von Wittnau. Stefan Hort hat «Lothar» ein Gesicht gegeben und dieses braucht jetzt eine Auffrischung.
Simone Rufli
Mit gewaltigen Windgeschwindigkeiten bis 165 km/h (gemessen auf der Lägern bei Baden) und unberechenbaren Böen knickt und entwurzelt der Orkan «Lothar» im Dezember 1999 unzählige Bäume. Grosse Teile des Schweizer Waldes fallen ihm zum Opfer, darunter der Wald auf der Hochebene im Gebiet Limperg zwischen Wittnau, Rothenf luh und Anwil. «In den Wäldern im Gemeindebann Wittnau sind rund 20 000 m3 oder 3 bis 4 Jahresnutzungen vom Orkan beschädigt worden», schreiben die Chronisten im «Adlerauge» des Jahres 2000.
Ende 2024 jährt sich «Lothar» zum 25. Mal. Die Schäden, die der Orkan damals angerichtet hat, sind heute kaum mehr sichtbar. Die Natur hat sich erholt, neue Bäume sind nachgewachsen. In Vergessenheit geraten soll «der schwarze Tag in der Geschichte des Wittnauer Waldes» (Zitat «Adlerauge») aber nicht.
Zerstörerischer Charakter
Einer, der hilft, die Erinnerung wachzuhalten, ist Stefan Hort. Der Wittnauer, von Beruf Zimmermann und leidenschaftlicher Holzbildhauer, hat dem Orkan wenige Wochen nach der Naturkatastrophe ein Gesicht gegeben. Aus einer vom Sturm gebrochenen und verwirbelten Weymouth-Föhre hat er einen «Lothar» geschnitzt. Pausbäckig, den Mund zum Sturm blasen geöffnet, auf dem Haupt lodernde Flammen, die seinen zerstörerischen Charakter unterstreichen.
Hort hat sein Handwerk an der Schule für Holzbildhauerei in Brienz gelernt, an zahlreichen Wettbewerben teilgenommen und viele Skulpturen im Auftrag angefertigt – unter anderem für die katholische Kirche in Wittnau.
«Lothar hier liess mir nicht viel Spielraum.» Stefan Hort fährt dem Hölzernen übers Gesicht. «Der Stamm war nicht allzu dick, dazu kam der Bruch». Es ist Samstagmorgen, 23. März; ob Zufall oder nicht – es ist ein stürmischer Morgen.
Schicksalshafte Begegnung
Die Skulptur ist in die Jahre gekommen, Wind und Wetter haben ihre Spuren hinterlassen, dürre Äste von benachbarten Tannen drohten ihr den Rest zu geben. Stefan Hort musste entscheiden: verfallen lassen oder restaurieren. «Zwischen Weihnachten und Neujahr traf ich beim Holzen zufällig auf meinen Wald-Nachbarn.» Er habe Hans Ryhner vorher nicht gekannt, erzählt Stefan Hort. «Er aber hat meinen ‹Lothar› gekannt.» Er lächelt, taucht den Pinsel in den Kessel mit dem Konservierungsmittel und macht sich am Ohr von «Lothar» zu schaffen. «Wir sprachen lange über die Skulptur.» Mit dem erfreulichen Ergebnis, dass «Lothar» erhalten bleibt – und zwar mit Unterstützung von Hans Ryhner. «Er stellt den Sockel zur Verfügung, den Lothar jetzt braucht, weil er von den Wurzeln getrennt ist, er übernimmt die Kosten für das Holzkonservierungsmittel und er stellt in seinem Waldstück einen neuen Aufstellungsort zur Verfügung, damit Lothar in Zukunft besser sichtbar ist.» Stefan Hort ist die Freude ins Gesicht geschrieben.
Gebürstet und mit Falten
Im Februar hat er die Skulptur zwecks Überarbeitung zu sich in die Garage geholt. «Ich musste sie gründlich abbürsten, aber das Kernholz ist in erstaunlich gutem Zustand.» Er lacht. «Lothars Backen sind etwas eingefallen und die Jahrringe sind besser sichtbar – wie Altersfalten.»
Draussen vor der Garage beim Eglerhof in Wittnau hat der Wind erneut einen Zacken zugelegt. Die unberechenbaren Böen könnten der Skulptur gefährlich werden. Stefan Hort hebt «Lothar» hoch und legt ihn vorsichtig auf den Boden. Noch diese Woche kommt sein Schützling nach Anwil, wo ihm ein metallenes «Rückgrat» als Stütze angepasst wird. In ungefähr sechs Wochen soll «Lothar» dann auf dem Limperg ob Wittnau neu und sichtbar aufgestellt werden.