Lieber Urs Hofmeier
31.07.2025 LeserbriefeVierzehn Jahre lang haben Sie die Schweizer Salinen geführt – und jetzt das: Kurz vor der Pensionierung gibt‘s noch ordentlich auf den Deckel. Wegen drei Betonklötzen am Kreisel Riburg toben und sirachen die Kleingeister im Unteren Fricktal. «Schandfleck!», ...
Vierzehn Jahre lang haben Sie die Schweizer Salinen geführt – und jetzt das: Kurz vor der Pensionierung gibt‘s noch ordentlich auf den Deckel. Wegen drei Betonklötzen am Kreisel Riburg toben und sirachen die Kleingeister im Unteren Fricktal. «Schandfleck!», «Zumutung!», «Sauteuer!» – die Leserbriefspalten quellen über wie ein überkochender, versalzener Suppentopf.
Dabei wollten Sie der Region doch bloss ein Geschenk machen, nachdem Sie vom Kanton Aargau für weitere fünfzig Jahre eine Konzession zum Abbau von Salz erhalten haben. Das muss gefeiert werden, sagten Sie sich, aber bitte nicht mit einem Festakt, nicht mit einem Brunzbrunnen oder einer salzigen Abschiedstorte. Sondern einem Zeichen: Ein Kunstwerk, das an etwas Gewaltiges erinnern soll. An das Urmeer, das hier vor 240 Millionen Jahren über die Schweiz schwappte.
Wo heute Kreisel und Kantonsstrassen sind, war einst ein endloser Ozean; riesige Wellen und salziges Wasser. Keine Autos, keine griesgrämigen Leserbrief-Schreiber, nur das Meer in seiner ganzen Urgewalt. Als das Wasser verdunstete (jawoll, es gab schon damals diese Klimaerwärmung!) blieb das Salz zurück, tief unter der Erde. Davon leben wir noch heute. Vom Streusalz im Winter bis zum Kochsalz für die Spaghetti – alles kommt aus diesem urzeitlichen Meer.
Esther Mathis, die Künstlerin hinter der Idee, hat sich darum etwas gedacht mit ihren Tetrapoden: rau, kantig, unten sandgestrahlt, mit Platz für Moos und Flechten. Ein Mahnmal für Zeit, Wandel und Vergänglichkeit. Die verkeilten Wellenbrecher erinnern an die Kraft des Wassers, das hier einst tobte. Ein Kunstwerk, sieben Meter hoch, sechzig Tonnen schwer, das nicht nur steht, sondern sich verändert. Wie damals dieses Meer, aus dem unser Schweizer Salz stammt.
Natürlich: Kunst im öffentlichen Raum hat’s nicht leicht. Sie soll auffallen, aber bitte nicht stören. Inspirieren, aber niemanden verwirren. Und ganz sicher nichts kosten. Bloss: So funktioniert Kunst nicht. Kunst im öffentlichen Raum ist nicht da, um zu gefallen. Sie ist da, um zu stören. Sie darf auch Unmut erzeugen. Weil sie dann etwas berührt.
Die Kritiker werfen Ihnen mangelnde Ökologie vor – tonnenschwerer Beton, wo doch Blümchen hübscher wären. Dabei übersehen sie: Wenn sich erst mal Moos und Flechten auf die Wellenbrecher setzen und das Denkmal stetig verändern, wird‘s richtig urig. Natur pur, quasi – nur etwas langsamer als beim Gärtner. Und allemal besser, billiger und pflegeleichter als die Rabatten und Blumentröge voller Petunien, Tagetes oder Begonien.
Vielleicht ist dieses Kreisel-Monument darum das ehrlichste Geschenk, das man machen kann. Eines, das Fragen stellt, statt sich gefällig zu machen. Eines, das an unsere tiefsten Wurzeln erinnert – an das Urmeer, aus dem alles kam.
Danke, lieber Urs Hofmeier, für Ihr Salz. Und Ihren Widerstand gegen den Stillstand.
CHRISTOPH GRENACHER, ITTENTHAL, (WWW.AZKOLUMNE.CH)