Lieber Beat Käser
09.09.2025 LeserbriefeEin Held muss nicht immer auf einem weissen Pferd dahergeritten kommen. Manchmal sitzt er auch im Fahrersitz eines schweren Traktors der Marke New Holland und rettet ein Projekt, wenn alle anderen Lösungsversuche versagt haben. Der Freitag hätte eigentlich ein besonderer Tag werden ...
Ein Held muss nicht immer auf einem weissen Pferd dahergeritten kommen. Manchmal sitzt er auch im Fahrersitz eines schweren Traktors der Marke New Holland und rettet ein Projekt, wenn alle anderen Lösungsversuche versagt haben. Der Freitag hätte eigentlich ein besonderer Tag werden sollen: Der Start zum Aufbau einer über zehn Meter hohen Aussichtsplattform, die Lernende der Holzbau-Gruppe Häring AG in Eiken für das Sisslerfeld zimmern – ein Projekt, das Ingo Anders und ich mit dem «Netzwerk Unser Sisslerfeld» ins Leben gerufen haben. Die Plattform mit ihrer 5,80 Meter hohen Aussichtsebene soll Raum für über 20 Personen bieten und künftig den Wandel der grössten Industriebrache der Nordwestschweiz zu einem lebendigen Arbeits- und Erlebnisraum erlebbar machen. Doch dann kam, was offenbar kommen musste: Der 35-Tonnen-Laster mit Kran, der die Holzkonstruktion aufstellen sollte, versank im Sintflutregen vollends im matschigen Flurweg. Nichts ging mehr – weder vor noch zurück. Ein zweiter Laster, der den festgekarrten Koloss befreien sollte, scheiterte ebenso wie eilends durch die Häring-Lehrlinge herbeigeschaffte Holzplatten, die unter den wuchtigen Rädern zerbrachen wie Glas. Das Bauunternehmen Ziegler, das bereits für einen perfekt hergerichteten Bauplatz gesorgt hatte, konnte mit schwerem Gerät auch nicht weiterhelfen. Also suchte die Transportcrew nach einem Bauern in der Region, der mit seinem schweren Traktor vielleicht Abhilfe schaffen könnte.
Und dann geschah, was mich den ganzen Tag über bewegte: Fünf Minuten später rollte ein schwerer Traktor an – und am Steuer sassen Sie, lieber Beat Käser, der Gemeindeammann von Stein, höchstpersönlich. Es war eine Sache von Minuten, bis der Trekker den 35-Tönner aus dem Schlamm in fahrsicheres Gelände brachte. Als der Mann des Transportunternehmens fragte, was diese Leistung koste, sagten Sie schlicht: «Vergiss es! Ich bin vielleicht auch mal froh, wenn mir geholfen wird, wenn ich in einer misslichen Situation stecke.» Diese Haltung, lieber Beat Käser, macht Sie nicht nur zum Helden der Stunde, sondern zum Vorbild für viele. Sie zeigen, was es bedeutet, wenn einer nicht nur als Gemeindeammann ein offenes Ohr für alle hat, sondern ganz selbstverständlich anpackt, wo Hilfe gebraucht wird. Hier mal aushilft, dort mal mit dem Traktor ausrückt; einfach, weil es das Richtige ist. Solche Menschen braucht unser Fricktal. Menschen wie Sie, die Verantwortung übernehmen und dabei bodenständig bleiben. Die spüren und wissen, dass Zusammenhalt keine leere Phrase ist, sondern gelebte Praxis. Nun kann die Aussichtsplattform gezimmert werden, am Montag arbeiten die Lernenden weiter, dank Ihrer unkomplizierten Hilfe. Am nächsten Samstag, am 13. September, wird die Aussichtsplattform am «Sisslerfeld-Tag» in Sisseln eingeweiht, bevor sie 2026 ihren permanenten Platz im Sisslerfeld findet – als mehr als bloss ein Aussichtspunkt. Das Sisslerfeld wird in den nächsten Jahren bis zu 15 000 neue Arbeitsplätze schaffen. Eine Veränderung dieser Grössenordnung betrifft uns alle. Deshalb ist es nur richtig, dass die Menschen nicht nur auf Plänen sehen, was geplant ist, sondern vor Ort erleben können, wie sich ihre Region entwickelt. Bürger haben ein Recht darauf zu wissen, wie sich ihr Lebensraum verändert – und ein Recht darauf, mitzureden. Die Aussichtsplattform ermöglicht dies: Sie macht Planung erlebbar, schafft Verständnis für komplexe Prozesse und ermöglicht den Menschen, Teil der Veränderung zu sein statt ihr ausgeliefert. Das ist gelebte Demokratie; ein Vorbild sein für jede grössere Entwicklung in unserer Region. Ihre spontane Hilfsbereitschaft gestern, lieber Beat Käser, zeigt genau diese Haltung: Als Gemeindeammann haben Sie ein offenes Ohr für die Anliegen Ihrer Bürger – und als verantwortlicher Politiker ist Ihnen daran gelegen, dass die Menschen informiert und einbezogen bleiben, wenn sich ihre Heimat verändert. Genau das will auch diese Plattform ermöglichen. Nun auch dank Ihrem Traktor.
CHRISTOPH GRENACHER, ITTENTHAL