«Ich hatte immer sinnvolle Aufgaben»
22.11.2024 WilBerti Schraner-Schär aus Wil wird heute 100 Jahre alt
Am 22. November 1924 kam Berti in Dürrenrot im Emmental auf die Welt. Sie war das jüngste Kind von Alfred und Marie Schär. Die Familie wohnte zu jener Zeit im Stöckli auf dem Huebehof. Im Emmental ist es ...
Berti Schraner-Schär aus Wil wird heute 100 Jahre alt
Am 22. November 1924 kam Berti in Dürrenrot im Emmental auf die Welt. Sie war das jüngste Kind von Alfred und Marie Schär. Die Familie wohnte zu jener Zeit im Stöckli auf dem Huebehof. Im Emmental ist es Brauch, dass der Jüngste den Bauernhof erbt. Als ältester Sohn musste Alfred mit seiner Familie einen neuen Wohnsitz suchen. 1925 pachteten sie einen Bauernhof in Hornussen. Da wurden sie nicht glücklich und suchten einen andern Pachtbetrieb.
Ein Anwalt aus Baden hatte das ehemalige Restaurant Rössli gekauft und verpachtete ihnen das Haus mit Hof im Ausserdorf von Wil im Mettauertal. Die kleine Berti kam gerade ins Schulalter, als die Familie 1932 nach Wil zog. Sie war ein fleissiges, fröhliches Mädchen und lernte gern. Noch heute kann sie Gedichte aufsagen, die sie damals gelernt hat. Sie erinnert sich, als sie einmal ungerecht bestraft wurde. Einige Mädchen mussten das Schulzimmer putzen. Dabei wollten sie Musik hören und stellten das Radio ein. Am nächsten Tag sagte der Lehrer: «Berta chum füre! Hesch am Radio ume gnipperet?» Sie nickte und der Lehrer schrieb an die Wandtafel: «Man soll fremdes Eigentum in Ruhe lassen!» Diesen Satz musste sie zur Strafe 100 Mal abschreiben.
Während ihre älteren Geschwister nach der Schulzeit eine Arbeit auswärts suchten, blieb die Jüngste Berti zuhause. Gerne erzählt sie von den Aufgaben auf dem elterlichen Bauernhof. Am liebsten war ihr die Arbeit mit ihrem Pferd Fanny. Sie erinnert sich gut an eine Fahrt mit Ross und Wagen nach Schwaderloch, wo sie in den schweren Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg Schilf holen musste, weil es zu wenig Stroh gab.
In ihrer Familie wurde viel gesungen. Während des Krieges hatten sie einen Oberleutnant aus Baden in der alten Wirtsstube einquartiert. Er hatte eine Gitarre dabei, die er Berti beim Wegzug schenkte. Leider hat sie nie spielen gelernt.
Wenn der Turnverein ein Theater aufführte, durfte Berti oft die Hauptrolle spielen, davon schwärmt sie noch heute. Sie tanzte auch gern, vor allem mit Albrecht Schraner. 1947 heirateten die beiden in Flüeli in der Bruderklaus-Kapelle. Sie war stolz auf ihren Militärtrompeter.
Mit dem Töffli auf Sonntagsfahrt
Als Reformierte war sie bei den katholischen Schraners nicht herzlich willkommen. Aber Albrecht hielt in der schwierigen Anfangszeit zu ihr. Fünf Mädchen und ein Sohn wurden der jungen Familie geschenkt. Es gab viel zu tun im Haushalt, im Garten und auf dem Feld. Die junge Frau packte fleissig an. Ferien gab es keine, nur einmal einen Familienausflug auf den Bürgenstock und einmal nach Lungern. Bei kleineren Ausfahrten nahm man das Velo oder den Traktor mit Anhänger. Ein Auto hatte die Familie nicht. Als die Kinder grösser waren, kaufte Albrecht zwei Töffli für Sonntagsausfahrten.
Zur Goldenen Hochzeit wurde für die ganze Familie mit Grosskindern eine Carfahrt nach Flüeli organisiert. In der Bruderklaus-Kapelle gab es einen Gottesdienst mit dem Brautpaar und danach ein fröhliches Fest. Im Alter gönnte sich das Paar jedes Jahr schöne Ferien mit der Pro Senectute. Albrecht unterhielt die Gruppe gern mit seiner Mundharmonika. Als Albrecht 2013 starb, waren sie 66 Jahre verheiratet. Traurig, aber dankbar für die gemeinsame Zeit musste Berti ihn loslassen und glaubt fest daran, dass er auf sie wartet.
Nun ist sie schon hundert Jahre alt und liest noch regelmässig Zeitung und Bücher, sie jasst gerne und wird unterdessen von der Spitex unterstützt. Auf die Frage, wie man hundert Jahre gesund bleibt, antwortet Berti: «Ich hatte ein einfaches Leben, einen guten Mann, täglich sinnvolle Aufgaben, grosse Unterstützung von meiner Familie und meiner Umgebung sowie eine gesunde Ernährung. Ich kann noch zu Hause wohnen und freue mich über die Blumen in meinem Garten. Viel Freude bereiten mir die elf Grosskinder und zehn Urgrosskinder, die mich immer wieder besuchen.»
Zum 100. Geburtstag organisieren ihre Kinder ein Fest. Die Musik wird spielen, Verwandte und Freunde sind zum Apéro eingeladen. «Alles Gute zum Geburtstag liebes Berti!» (mgt)