Heuhändler und Netzwerker
27.05.2023 OberhofenUrs Oeschger hat das Handeln mit Heu in den Genen
Der 80-jährige Urs Oeschger aus Oberhofen ist vielen als Heuhändler bekannt. Dadurch sowie durch sein Engagement in verschiedenen Ämtern hat er sich ein breites Netzwerk geschaffen. Dieses pflegt er noch heute.
...Urs Oeschger hat das Handeln mit Heu in den Genen
Der 80-jährige Urs Oeschger aus Oberhofen ist vielen als Heuhändler bekannt. Dadurch sowie durch sein Engagement in verschiedenen Ämtern hat er sich ein breites Netzwerk geschaffen. Dieses pflegt er noch heute.
Bernadette Zaniolo
«Das Handeln mit Heu ist bei uns absolute Familien-Tradition», sagt Urs Oeschger mit einem Lächeln. «Der Heuhändler war ein Begriff», so der 80-Jährige weiter. Wobei er betont, dass sich dies vor allem auf seinen Vater Viktor bezogen habe. Dies gilt jedoch auch für Urs Oeschger, so wurde er kürzlich zum Abschluss der Renovation einer über 100-jährigen Heuballenpresse nach Hottwil eingeladen (die NFZ berichtete). Früher hielten in den Dörfern etliche Menschen ein oder zwei Kühe oder Schweine zur Selbstversorgung und bewirtschafteten etwas Land. So war es quasi vom November bis Mai täglich usus, dass der Heuhändler auf die Stör ging und die Heuballen direkt bei den «Kleinbauern» presste. Dadurch kennt Urs Oeschger viele Familien in der Gegend und weiss zu fast jeder eine Geschichte zu erzählen. Damit ist er zu einem wandelnden Lexikon geworden. «In Hottwil wurde mir bewusst, welchen Wissensschatz ich in mir trage.» Zirka 1000 Tonnen Heu seien pro «Winter» gepresst worden. Diese wurden mittels Lastwagen in Oberhofen abgeholt. Zwei bis vier Mal wöchentlich je 15 Tonnen. Verkauft wurde das Heu aus der Region Mettauertal, Schwaderloch und dem Sulztal vorwiegend an Händler im Berner Oberland, dem Jura sowie im Wallis. 15 Jahre war Urs Oeschger im siebenköpfigen Vorstand des Schweizerischen Heuhändlerverbandes. Wie er sagt, habe es früher auch einen europäischen Verband gegeben.
Urs Oeschger ist mit drei Brüdern und einer Schwester – sie verstarb mit 19 Jahren an den Folgen eines Verkehrsunfalls – in Oberhofen auf einem Bauernbetrieb aufgewachsen. Für Urs Oeschger war deshalb schon früh klar, dass er die landwirtschaftliche Ausbildung machen will und danach die Meisterprüfung absolviert. So konnte er auch Lehrlinge ausbilden, die auf dem früheren Milchwirtschaftsbetrieb – heute ist es ein Mastbetrieb – mithalfen. Urs Oeschger hat als aktiver Viehzüchter auch die Zusammenschlüsse zum heutigen Viehzucht-Verein Fricktal Ost erlebt und war als Präsident an vorderster Front aktiv. Er wirkte auch im Kantonalvorstand.
Im Fokus
Durch diese Ämter lernte Urs Oeschger auch viele Orte und Gegenden kennen. Auch geriet er in den Fokus für die Übernahme von weiteren Ämtern. So war er acht Jahre im Gemeinderat Oberhofen, davon vier Jahre als Vizeammann. Mit 25 Jahren wurde er Kommandant der Feuerwehr Oberhofen, was er bis zum Ende des Feuerwehrdienstes auch blieb. Er hat die Zusammenschlüsse der Feuerwehren im Mettauertal zur heutigen Feuerwehr Mettauertal-Gansingen miterlebt.
56 Jahre war Urs Oeschger Aktivmitglied der Musikgesellschaft Mettau, dessen Spiel er mit seinem Cornet bereicherte. «Es war ein super Zusammenhalt», hält er rückblickend fest. Wie er im Gespräch mit der NFZ verrät, sei heute oft der Nachwuchs von den gleichen Familien im Verein, die bereits früher für die Musikgesellschaft einstanden. Weil es damals zu viele Bauern und zu wenig Land gegeben habe, schaute sich Urs Oeschger in jungen Jahren – zusammen mit seinem ältesten Bruder Walter – der geschäftlich viel in Amerika unterwegs war, mehrere Farmen im Osten von Kanada an. «Wir hatten auch einige Schweizer besucht, die im Raum Québec und Ontario eine Farm bewirtschafteten.» Es seien Betriebe mit zirka 100 Milchkühen gewesen. Urs Oeschger erkannte jedoch: «Den Grössten geht es im Leben nicht immer am besten.» Wirkliche Auswanderungsgelüste habe er nicht gehabt, aber die Fühler ausstrecken habe sich dennoch gelohnt.
Tradition setzt sich fort
So blieb Urs Oeschger der Schweiz und seinem Oberhofen treu. Im benachbarten Sulz lernte er seine Frau Dorli kennen. Aus der Ehe – Urs und Dorli sind seit über 50 Jahren verheiratet – gingen zwei Söhne und eine Tochter hervor. «Ich habe grosse Freude, dass Dominik auch als Heuhändler weitermacht», sagt Urs Oeschger sichtlich gerührt. Er betont, dass der Zusammenhalt auf einem Bauernhof anders sei, beziehungsweise sie es sehr gut hätten. Dabei windet er insbesondere seiner auf dem Hof lebenden Schwiegertochter Sandra ein Kränzchen. Auch die mittlerweile vier Enkel bedeuten ihm sehr viel. Sowohl körperlich wie geistig ist Urs Oeschger fit. «Ich habe keine körperlichen Gebrechen», hält der 80-jährige Familienvater voller Freude und Dankbarkeit fest. Er ist sich bewusst, dass dies in seinem Alter nicht selbstverständlich ist, zumal die Hofarbeit früher beschwerlich war.
Als mögliches Rezept nennt er seine immer positive Einstellung, das Zeitungslesen und dass er auch gerne mit jungen Menschen ins Gespräch kommt. Seit seiner Pensionierung vor 15 Jahren findet man ihn ab und zu an einem Stammtisch in einem Restaurant im Tal, wo er sich, wie er sagt, mit Gleichgesinnten trifft. Durch sein vielfältiges Engagement und etliche Reisen hat Urs Oeschger, der politisch der «Mitte»- Partei zugehört, viele Menschen weit übers Tal hinaus kennengelernt und ein grosses Netzwerk aufgebaut. «Ich fahre gerne Auto», sagt Urs Oeschger und verrät, dass «wir auch viel im Ausland unterwegs waren, vor allem in Österreich.»
Zum Schluss des Gesprächs erzählt Urs Oeschger, dass sein Grossvater Johann gebürtig aus Mettau komme und in Etzgen mit Obst und Heu handelte; im Lagerhaus, wo später die Firma Perlini geschäftete.