«Dorfträff» in Herznach: Ein soziales Werk mit grossem Wohlfühlfaktor
10.11.2024 Herznach, UekenIn der NFZ-Serie «Treffpunkt in …» geht die Reise diesmal ins Staffeleggtal, in die Gemeinde Herznach-Ueken. Halt machen wir heute im «Dorfträff» in Herznach. Eines vorneweg: Hier kommt nie Langeweile auf.
Willkommen im «Dorfträff» in ...
In der NFZ-Serie «Treffpunkt in …» geht die Reise diesmal ins Staffeleggtal, in die Gemeinde Herznach-Ueken. Halt machen wir heute im «Dorfträff» in Herznach. Eines vorneweg: Hier kommt nie Langeweile auf.
Willkommen im «Dorfträff» in Herznach. In der NFZ-Serie «Treffpunkt» dürfen Sie, liebe Leserinnen und Leser, heute mit der Redaktorin ins schöne Staffeleggtal reisen. Nehmen Sie bitte Platz im «Dorfträff». Heute erfahren Sie viel über die Akteure, Raritäten, PC-Probleme und andere Sorgen, besonders viel jedoch über ein soziales Projekt, das gerne kopiert werden darf.
Bernadette Zaniolo
Dienstagmorgen im «Dorfträff» in Herznach. Dort hat sich die NFZ mit Dora Jenny, Heinz Krautter, Martin Müller und Regula Kläusler, der Initiantin des Projektes «Dorfträff», verabredet. Draussen auf einer Tafel steht «Heute Repair-Café». Die Gäste, die bereits im Lokal Platz genommen haben, geniessen jedoch einfach ihren Kaffee – mit oder ohne Gipfeli – und unterhalten sich mit anderen Menschen am langen Stammtisch. «Wir haben viele Spiele, aber die meisten möchten jassen», sagt Dora Jenny. Die gelernte Drogistin ist mittlerweile pensioniert und organisiert und betreut jeweils am Montagnachmittag den Spiel- und Jassnachmittag. Es dürften noch mehr Teilnehmer sein, hält Jenny fest, während sie mit einem Schmunzeln verrät: «Ich habe schon immer gerne gespielt.» Martin Müller, der jeweils am Donnerstagmorgen aus Aarau anreist und sich im Dorfträff jenen Menschen annimmt, die Handy- oder PC-Probleme haben, fragt bei Dora Jenny nach: «Sind es mehrheitlich Pensionierte, die jassen?»
Vom Filzen und Reparieren
«Jetzt kommt mein Kunde», sagt Heinz Krautter und wechselt den Tisch. Vorne bei der Fensterfront hat er ein kleines Sortiment an Werkzeug. Dennoch, den Handmixer des Kunden kann der gelernte Elektromechaniker nicht mehr reparieren. Derweil hat Martin Müller die ausgestellten Filzartikel entdeckt und fragt: «Kann man diese auch kaufen?» Dora Jenny nickt zustimmend und erklärt, dass sie schon immer gerne gefilzt habe und sie es eine gute Möglichkeit findet, dass man im «Dorfträff» auch kleinere Sachen ausstellen kann. Während Heinz Krautter andere Gesprächspartner gefunden hat, erzählt der pensionierte Informatiker Martin Müller, dass er seit 50 Jahren in Aarau wohnt. Die Jugend hat er im Züribiet und in Herznach verbracht. Seine Mutter ist hier aufgewachsen. «Ich habe keine Kinder und keinen Hund», erklärt er sein soziales Engagement. Etwas wehmütig schiebt er nach: «Meine Frau ist vor 18 Jahren gestorben.»
Ein kurioser Fall
Schnell lenkt er den Fokus wieder auf seine Tätigkeit für den «Dorfträff». «Der Grossteil der Kunden kommt mit den Handys.» Sie möchten etwas installiert haben – so etwa den SBB-Fahrplan, «sehr viele Twint», haben WhatsApp- oder Kartenprobleme (Google-Maps usw.). «Sehr viele Fragen kommen auch bezüglich E-Banking. Vor allem die Angst betreffend Sicherheit ist immer wieder ein Thema.» Müller erinnert sich auch an einen kuriosen Fall. So kam ein Mann zu ihm, der sagte: «Wenn jemand meine Frau anruft, dann höre ich das Gespräch in meinem Hörgerät.» Der IT-Spezialist Martin Müller merkte schnell, dass dies irgendwie mit einer Fehlkoppelung des Hörgerätes zusammenhängen muss. Und wie Müller nach drei Jahren Wirken im «Dorfträff» feststellt, können die Menschen heute viel besser mit dem Handy umgehen, als früher. Natürlich würden auch oft die Kinder oder Enkelkinder den Erwachsenen beim Umgang oder bei Problemen mit dem Handy helfen.
Heute nutzt Dora Jenny Müllers Anwesenheit. Ihr Handy gab keinen Ton mehr von sich. Obwohl ihm diese Handy-Marke weniger geläufig ist, macht er sich akribisch auf die Suche nach dem Problem.
Soziale Kontakte und Flexibilität
Derweil erzählt Heinz Krautter, dass er für Dora auch schon ein Spinnrad geflickt habe. «Ja, das läuft wieder», sagt Dora Jenny. Sie schätzt die sozialen Kontakte, die der «Dorfträff» möglich macht, denn einer ihrer beiden Söhne lebt in Australien. Plötzlich, ein grosses Aufatmen. «Ich habe gesehen, wo der Fehler steckt», so Martin Müller in die Runde. Das Handy von Dora Jenny war auf «Bitte nicht stören eingestellt.» Während sich Jenny und Müller weiter über das Handy unterhalten, erzählt Heinz Krautter, der noch nicht pensioniert ist, der Redaktorin, dass er sich auch intensiv mit der Imkerei befasst und für den Imkerverein Fricktal Kurse gibt. «Dank meiner Selbständigkeit bin ich zeitlich sehr flexibel», sagt Krautter.
Er engagiert sich auch im Repair-Café in Rheinfelden und wie er weiter verrät, bietet er am Samstag, 15. Februar 2025, von 10 bis 14 Uhr, in Rheinfelden einen Reparierkurs für Schüler und Erwachsene an. «Schon als Kind habe ich viel gebastelt, auseinandergenommen und geflickt». Krautter ist in Zürich aufgewachsen und hat vor 15 Jahren seine Partnerin, eine Herznacherin, kennengelernt. Nach der Lehre als Elektromechaniker sei er in die IT-Branche gerutscht und 40 Jahre für verschiedene Firmen im Aussendienst tätig gewesen. Die letzten Jahre, bevor er sich selbständig machte, war Krautter für die Gemeinde Möhlin, als Verantwortlicher für die Schulinformatik, tätig.
Wo ist eigentlich die Projekt-Initiantin Regula Kläusler geblieben, fragt sich die Redaktorin, als ihr Blick Richtung der angrenzenden Konfi-Manufaktur geht, wo an diesem Morgen Markus Kunz am Wirken ist. Kläusler sitzt am langen Stammtisch und ist mit einem Gast im Gespräch. Gleich neben ihr nimmt ein weiterer Mann Platz; auch eine Frau setzt sich dazu. «Ja, das macht uns nichts aus», sagen die drei Handwerker oben am Tisch, als sie die Redaktorin fragt, ob es für sie okay sei, dass ihr Bild in die Zeitung kommt. Doch was wäre der «Dorfträff» an diesem Morgen ohne Barbara und Eugen Born. Sie gehören zur Crew der ehrenamtlichen Gaststuben-Betreuung und sorgen jeweils am Dienstagmorgen für das kulinarische Wohl der Besucherinnen und Besucher.
Vom Loslassen und Weiterentwickeln
Apropos Besucher: Am Donnerstagmorgen kommt jeweils «eine ganze Schar», sagt Regula Kläusler. Sie, das sind ehemalige Lastwagenchauffeure, kommen hauptsächlich wegen ihrem pensionierten Berufskollegen Heinz Senn. Er weiss mit seinen Geschichten zu begeistern. Das macht die Gemeinschaft nicht nur durstig, sondern verlangt auch nach Handfestem. «Sie rufen jeweils vorher an und bestellen Sandwiches», sagt Martin Müller. Obwohl der «Dorfträff» quasi Kläusler’s Kind ist, gibt sie sich bescheiden und möchte lieber im Hintergrund bleiben. Sie sagt denn auch: «Ein Projekt ist erst gut, wenn es den Erfinder nicht mehr braucht, beziehungsweise die Leute selber initiativ sind.»
Im Gespräch mit den anderen Personen am Tisch kommen schnell Ideen zur Weiterentwicklung des Projektes. So könnten etwa Vorträge über Vorsorge/Erbsachen etc. im «Dorfträff» angeboten werden. «Wie ein Sauerteig; es braucht Zeit», hält Heinz Krautter fest. Sein Fachwissen und seine Hilfe sind an diesem Morgen ein weiteres Mal gefragt. Statt das Spinnrad zuhause nur abzustauben, könnte es doch wieder funktionsfähig gemacht werden, findet Ricarda Peer und bringt es ins Repair-Café. Schliesslich hat Heinz Krautter auch bereits den über 40 Jahre alten Plattenspieler der aus dem Unterengadin stammenden Frau wieder zum Laufen gebracht.
«Die Schwellenangst ist niedrig»
Im Gespräch mit Ricarda Peer – sie hilft jeweils am Mittwochmorgen im «Dorfträff» mit – kommt die Kreativität ins Sprudeln. So könnten künftig im «Dorfträff» auch Konversationskurse in Italienisch, Englisch oder Französisch stattfinden. Mit einem Lächeln im Gesicht hält Regula Kläusler fest: «Ich habe Freude, dass sich das Projekt in meinem Sinn entwickelt.» Wie sie weiter sagt: «Die Schwellenangst ist niedrig. Es kommen auch Leute, die sonst nie in ein Restaurant oder ein Café gehen.» Gleichzeitig erwähnt Kläusler, dass der «Dorfträff» keine Konkurrenz, sondern ein Addon zum «Löwen» sei.
Das unterstreicht Ricarda Peer gleich mit der Aussage: «Das nächste Mal könnte ich den Dörex noch mitbringen.» Die Zeit vergeht im Flug. Martin Müller schaut auf die Uhr. Er will nach Möglichkeit noch vor 12 Uhr das Postauto nach Aarau erwischen.
Niederschwellig, einladend, gemütlich
Der «Dorfträff» im Ortsteil Herznach der Gemeinde Herznach-Ueken ist ein gemeinnütziges Projekt der Gnossi AG, Herznach. 2019 gestartet, musste das Lokal schon bald coronabedingt geschlossen werden und konnte dann den Betrieb zuerst nur mit Einschränkungen aufnehmen. Im 2023 war der «Dorfträff» erstmals das ganze Jahr geöffnet. Im «Dorfträff» – im ehemaligen Postlokal, gleich neben dem Volg-Laden – sind alle Menschen aus Herznach-Ueken und Umgebung willkommen. Ziele des Projektes sind unter anderem, ein nachhaltig intaktes soziales und kulturelles Dorfleben, Belebung des Dorfzentrums, Stärkung des Einkaufs im Dorf.
Die «Dorfträff»-Gastgeberinnen und -Gastgeber arbeiten ehrenamtlich. Gemäss der Gnossi-Präsidentin und Initiantin Regula Kläusler engagieren sich mittlerweile rund 25 Personen im «Dorfträff». Am Freitagmorgen sorgen Mitglieder des Vereins «Fürenand» für die Bewirtung der Gäste und am Samstag sind es Vertreter der Gnossi AG. Das Projekt ist gemeinnützig, sprich nicht gewinnorientiert. Wird ein Gewinn erwirtschaftet, fliesst das Geld wieder gemeinnützigen Institutionen oder Projekten zu. Aus dem Erlös wird jährlich ein Helferfest finanziert. (bz)
Öffnungszeiten und weitere Infos zum «Dorfträff» in Herznach unter www.dorftraeff-herznach.ch