«Für gewisse Jugendliche ist körperliche Arbeit ein Hemmnis»
23.11.2025 WirtschaftDas Maler- und Gipsergewerbe spürt den Fachkräftemangel deutlich, von einem Rückgang an Lernenden ganz zu schweigen. Wie reagiert die Branche? Simon Steinmann, Präsident des kantonalen Verbands, gibt Antworten.
Ronny Wittenwiler
...Das Maler- und Gipsergewerbe spürt den Fachkräftemangel deutlich, von einem Rückgang an Lernenden ganz zu schweigen. Wie reagiert die Branche? Simon Steinmann, Präsident des kantonalen Verbands, gibt Antworten.
Ronny Wittenwiler
«Handwerksberufe haben einen schweren Stand.» Diesen Satz sagte Barbara Gisi unlängst gegenüber dieser Zeitung. Gisi, Teamleiterin der Berufsberatung (ask!) in Rheinfelden, kennt die Sorgen und Nöte, spricht davon, wie Handwerksbetriebe teilweise Mühe bekunden, Lernende für sich zu gewinnen. Statt sich die Hände dreckig zu machen, wird das Büro vorgezogen? Gisi drückte sich diplomatischer aus: «Multimedia-Produkte zu verkaufen oder in einem Büro zu arbeiten, stellen sich viele Jugendliche ‹cooler› vor, als körperlich anspruchsvolle Arbeit zu leisten.» Diesen Eindruck bestätigt jemand, der es aus erster Hand weiss: Simon Steinmann.
Besonders die Gipser trifft es
Steinmann ist Kantonalpräsident des Schweizerischen Maler- und Gipseunternehmer-Verbands (SMGV Aargau). Er sagt: «Beide Berufe sind körperlich anspruchsvoll. Und für gewisse Jugendliche ist die körperliche Arbeit tatsächlich ein Hemmnis – in einer Zeit, in der ‹Hands-on-Berufe› weniger im Fokus stehen.» Die Folgen liegen auf der Hand. «Aktuell spüren sowohl das Maler- wie auch das Gipsergewerbe den Fachkräftemangel deutlich», sagt Steinmann. Auch der Rückgang an Lernenden in beiden Berufen mache sich bemerkbar, wobei die Situation beim Gipserberuf tendenziell noch etwas ausgeprägter sei. «Im Malerhandwerk ist der Bekanntheitsgrad bei Jugendlichen zwar grösser, doch auch hier haben wir weniger Nachwuchs, als die Branche eigentlich bräuchte. Die Herausforderungen sind also ähnlich, aber der Druck beim Gipsergewerbe ist sicherlich höher.» Wie geht man dagegen vor?
Optionen der Bekanntmachung
Der Verband engagiere sich auf verschiedenen Ebenen, sagt Steinmann. Dazu gehörten etwa Imageund Social-Media-Kampagnen. «Mit modernen, authentischen Videos und Auftritten zeigen wir den realen Berufsalltag und die Attraktivität des Handwerks.» Steinmann liegt viel daran, dass Jugendliche zudem früh reale Einblicke erhalten. Die Förderung von Schnupperlehren stehe deswegen genauso auf der Prioritätenliste – «denn, wer einmal im Betrieb mitarbeiten durfte, entscheidet sich weit häufiger für eine Lehre.» Dass nämlich auch eine Lehre Türen öffnet, gehört genauso zu den Vermittlungs-Aufgaben des Verbands. «Wir zeigen klar auf, dass der Weg nach der Lehre nicht endet – vom Baustellenleiter bis hin zum Malermeister gibt es viele attraktive Weiterbildungsmöglichkeiten.»
Stabile Auftragslage
Steinmann selbst ist ein gutes Beispiel für solche Karrieren. Der Verbandspräsident ist Malermeister, sein Berufsstolz zeigt sich just in dieser Geschichte: Nach einer kurzen Anfrage lieferte er im Handumdrehen die benötigten Informationen, Leidenschaft für das eigene Tun inklusive: «Die Berufe des Gipsers und des Malers verbinden Kreativität, Handwerk und sichtbare Resultate – etwas, das heute viele vermissen. Man gestaltet Räume, Fassaden und Gebäude, die Menschen täglich erleben. Die Auftragslage in unserer Branche ist zudem langfristig stabil: Renovationen, Sanierungen und Neubauten wird es immer geben.» Der Verband steht vor Herausforderungen. Er packt sie an, mit Berufsstolz.
Chancen
Die Lehre als Maler oder Gipser biete jungen Leuten einen sicheren Beruf mit Zukunft, sehr gute Weiterentwicklungsmöglichkeiten, viel Abwechslung, praktisches Arbeiten statt stundenlangem Sitzen – und die Chance, stolz auf das Ergebnis des eigenen Tageswerks zu sein.
Simon Steinmann sagt: «Gerade im Aargau, wo die Bauwirtschaft stark ist und wir viele qualitätsbewusste Betriebe haben, lohnt sich der Einstieg besonders. Unsere Berufe sind ehrliche, sinnstiftende Tätigkeiten – und sie bieten jungen Menschen die Möglichkeit, etwas Dauerhaftes zu schaffen.» (rw)
Herausforderungen
Aus Verbandssicht spielten auch diese Faktoren eine Rolle, weshalb die Branche mit Nachwuchsproblemen kämpft.
Demografische Entwicklung
Der Anteil Jugendlicher nimmt ab, während gleichzeitig mehr Branchen um die gleichen jungen Talente werben.
Image und Wahrnehmung
Viele Jugendliche kennen die Berufe zu wenig oder haben veraltete Vorstellungen davon. Das Handwerk gilt oft fälschlicherweise als altmodisch, obwohl es modern, kreativ und sehr vielseitig ist.
Akademisierung
Es gibt einen gesellschaftlichen Trend hin zu schulisch geprägten Laufbahnen. Berufslehren werden
– trotz guter Zukunftsperspektiven
– leider oft unterschätzt.
Konkurrenz der Bau- und Technikberufe
Gut bezahlte technische Ausbildungen, die als weniger körperlich erscheinen, ziehen viele junge Leute an. (rw)

