Es geht nur um die Ortsbürgergemeinde
27.12.2025 LeserbriefeIch bin enttäuscht: Zu meinem Leserbrief über das verfehlte Baumgeschenk an den scheidenden Rheinfelder Gemeindeammann kamen nur zwei Antworten – beide mit gutgemeinten Eigentoren. Es geht dabei immerhin um Macht und Wesen der Ortsbürger in Rheinfelden. Vielleicht sind ...
Ich bin enttäuscht: Zu meinem Leserbrief über das verfehlte Baumgeschenk an den scheidenden Rheinfelder Gemeindeammann kamen nur zwei Antworten – beide mit gutgemeinten Eigentoren. Es geht dabei immerhin um Macht und Wesen der Ortsbürger in Rheinfelden. Vielleicht sind aber weitere Kommentare dazu noch unterwegs; ich würde mich darüber freuen. Hier noch eine – vielleicht überflüssige – Klarstellung: Es ging mir nur um die Versammlung der Ortsbürger, die bekanntlich 2 Tage vor der eigentlichen Gemeindeversammlung stattfindet: Nur jene schenkte dem Abtretenden eine ausgewachsene Eiche. Das System der Ortsbürgergemeinden steht auf wackliger Rechtsgrundlage. Seit 1976 haben diese keine verbindlichen Aufgaben mehr, weshalb 11 Kantone sie abschafften. Sie kollidieren aber auch mit dem Diskriminierungsverbot, das in §8 der Bundesverfassung festgeschrieben ist. Vermutlich wird unser träges Bundesgericht in ein paar Jahrzehnten über die OBG gleich urteilen wie einmal über das Frauenstimmrecht: Es wird dann in der Schweiz nur noch ein Bürgerrecht geben. Man tut gut daran, jetzt die OBG in Wettingen zu beobachten: Dort hat ein Bürger die Justiz zum Status des Ortsbürgers herausgefordert. Man wird bald sehen, wie sich diese aus der Falle herauswindet. Den Ortsbürgern von Rheinfelden gehört praktisch der ganze Gemeindewald. Und dort zeigt sie auch ihre Macht: Hätte beispielsweise der Kanton nicht eine Volksabstimmung zur Abholzung des Wäberhölzlis verlangt, wären die Ortsbürger von sich aus zur Abholzung dieses Jungwaldes geschritten. Wer heute durch den geretteten Wald spaziert, wird nur mit Kopfschütteln an dieses abstruse Vorhaben denken. Und ob die heutige «Abteilung Wald» in ihrer Waldeigentümerfreundlichkeit noch bereit wäre, diese Abholzung vor eine Volksabstimmung zu zwingen, ist zumindet fraglich. Natürlich gibt es Gemeinden, die von sich aus gar nicht auf die Idee gekommen wären, im Wald und nahe eines Wohngebietes eine (ökonomisch zu kleine) Aushubdeponie einzurichten, aber in Rheinfelden stellte sich der Gemeindeammann stramm hinter diesen seltsamen Wunsch der OBG. In Rheinfelden gibt es 300 (+/-) Ortsbürger, bei ca. 7700 Stimmberechtigten. Das riecht allein schon nach komischen demokratischen Zuständen. Aber die OBG hätte sich leicht durchsetzen können, man denke nur daran, dass sich selbst der Naturschutzverein für die Abholzung stark machte: Er erlag dem Lockvogel eines renaturierten Waldes auf der Deponieschicht: Das Projekt hätte einen sehr künstlichen Kunstwald bedeutet, von dem Herr Mazzi ständig als ein «Mehr an Natur» schwärmte. Rheinfelden ist mit viel Glück dem geplanten Unglück entronnen: Das Wäberhölzli steht und wächst erfreulich – so natürlich, wie unser Mischwald natürlich sein kann. Herr Mazzi hat seine sachliche und politische Fehleinschätzung nie eingestanden.
Wenn die Ortbürgergemeinden aufgelöst werden, ist das in Rheinfelden sicher erfreulich, aber schade für die Gemeinden, deren OBG vorbildlich für den Wald sorgen und dabei die ganze Bevölkerung mit einbeziehen, also keinen isolationistischen Kurs fahren. Im unter Baselbiet gibt es Waldkommissionen für alle Bürger, Lenzburg versucht erfolgreich, alle Bevölkerungsschichten am Waldgeschehen zu beteiligen, Sulz folgt gerne der naturnahen Waldbewirtschaftung ihres Försters, Muhen macht es zum Gefallen seiner Bevölkerung ähnlich usw. Man kann ein schlechtes System auch mit gutem Inhalt füllen: Rheinfelden aber zieht es vor, den Abschaffungsbefürwortern der OBG zuzudienen.
JÜRG KELLER, RHEINFELDEN
