Erstmals spielen Kinder das Eierleset
09.04.2024 Böztal, EffingenZum Jubiläum darf in Effingen die Jugend die Fetzen fliegen lassen
Als «Jubiläums-Special» angekündigt, fanden am vergangenen Sonntag zum 100-Jahr-Jubiläum des Turnvereins zwei Eierleset in Effingen statt, neben dem traditionellen ...
Zum Jubiläum darf in Effingen die Jugend die Fetzen fliegen lassen
Als «Jubiläums-Special» angekündigt, fanden am vergangenen Sonntag zum 100-Jahr-Jubiläum des Turnvereins zwei Eierleset in Effingen statt, neben dem traditionellen eine Miniversion für ganz junge Eierleser.
Boris Burkhardt
Fabian Jeker spielt zum ersten Mal den Straumuni. Vor seinem Auftritt am diesjährigen Eierleset in Effingen am vergangenen Sonntag hängt er, wie es diese mächtige Maske immer zu tun pflegt, mit ausgebreiteten Armen an einem Gestell, während sein voluminöses Kostüm aus Sackleinen mit Stroh ausgestopft und zusammengenäht wird. Nach seinem Auftritt ist Fabian bei frühlingshaften 24 Grad im Schatten so fertig, dass er erstmal nichts sagen kann. Aufstehen kann er in dem plumpen Kostüm sowieso nicht und muss liegen bleiben, bis er aufgeschnitten wird. Dabei dauerte sein Auftritt gerademal eine Viertelstunde.
Fabian Jeker ist erst 14 und durfte beim ersten und vorerst einzigen Kinder-Eierleset eine der eindrucksvollsten und auch lustigsten Masken des Osterspektakels im Dorf unterm Bözberg darstellen, das alle zwei Jahre der Turnverein organisiert. Weitere zwölf Kinder und Jugendliche der «Jugi» genannten Jugendabteilung des TV Effingen durften den deftigen Brauch ebenfalls jugendfrei darstellen. Anlass war das Doppeljubiläum 100 Jahre Turnverein und 75 Jahre Damenriege, die der Verein dieses Jahr feiert.
Die junge Version
Von jeder der traditionellen Figuren des Eierleset gab es heuer deshalb eine junge Version: Alle Kostüme und Masken hatten die Kinder unter Anleitung selbst hergestellt. «Das war eine rechte Arbeit», sagt Lukas Oberer, Vater von Fabian Jeker und von dessen elfjährigen Bruder Tobias, der die Alti spielte, wie das erwachsene Pendant mit einer Eierpfanne ausgestattet. Die Jugendleiter hätten sich mit den Eltern zusammengesetzt und die Masken zugeteilt, erklärt Tobias aufgeregt vor dem Auftritt. Hinterher wird er über aufgeschrammte Ellbogen klagen: Der Kampf gegen den Stechpälmer hinterlässt eben Spuren.
Das Kinder-Eierleset erlaubt den Mädchen, was den Frauen bei den Grossen verwehrt ist: Sie dürfen beim Spektakel mitmachen, etwa als Jasschärtler, Brüütli und Reiterin. Der Auftritt der Kinder fand eine halbe Stunde vor dem eigentlichen Eierleset statt; der TV hatte es im Vorfeld als «Jubiläums-Special» angekündigt. Die meisten der mehreren Hundert Zuschauer, die unter der strahlenden Frühlingssonne die Dorfstrasse säumten, dürften aber im Vorfeld gewusst haben, um welche Überraschung es sich handelt. Der Applaus für die Kinderdarsteller war lang und begeistert.
Die «Dürren» und die «Grünen» sorgen für viel Action
Weniger Überraschungen, dafür aber umso mehr Gaudi brachte das eigentliche Eierlesen, das der Erwachsenen. Das Spektakel lässt sich wie immer kaum beschreiben, wenn man es nicht selbst gesehen hat: Eindrucksvoll und mächtig sind die vier Hauptmasken, der erwähnte Straumuni (Stefan Meier) und der Hobelspänler (Lukas Lienhard), der über und über mit Locken aus Hobelspänen bedeckt ist. Trotz ihres voluminösen Äusseren symbolisieren sie die «Dürren», nämlich den Winter, die jedes Mal aufs Neue antreten im Kampf gegen die «Grünen», den entsprechend ihrer Namen Stechpälmer (Mathias Pfister) und Tannästler (Lukas Wächter) ausstaffierten Masken, die den Frühling symbolisieren.
Auf die Kostüme wird dabei keine Rücksicht genommen: Deutlich gerupft liegt am Sonntag etwa der Hobelspänler nach der Dreiviertelstunde, die der Kampf gewöhnlich dauert, vor Erschöpfung mit dem Gesicht auf dem Boden. Das Brüütli, das traditionsgemäss ein echtes gebrauchtes Brautkleid trägt, trägt dieses zum Schluss auch nur noch partiell. Auch dieses Jahr reichte das rückwärtige Dekolleté der aussergewöhnlich breitschultrigen Frischvermählten zur liebevollen Freude der Zuschauer bis auf die buntgetupfte Unterhose.
Die Schlacht um 162 Eier
Derb geht es in der Tat zu bei diesem Eierleset, bei dem es durchaus auch um Eier geht, wenn aus Zuschauersicht auch nur am Rande. Tatsächlich muss der Läufer während der neben ihm stattfindenden Schlacht eines der 162 Eier nach dem anderen von Sägespänhäufchen auflesen und legt dabei rund zehn Kilometer zurück. Er tritt dabei in einem Wettbewerb auf Zeit gegen den Reiter an, der dem Winter zugerechnet wird. Laut Andi Bossart, seit 1994 dabei und mittlerweile Mitglied des erlauchten Fünferrats (heute nur noch «Zylinder» genannt), steht der Sieger aber im Vorfeld bereits fest: «Schliesslich wollen wir ja, dass es Frühling wird.» Er verrät ausserdem: Während der Reiter früher zumindest tatsächlich vorbestimmte Ziele habe abreiten müssen, warte er heute auf ein Signal, bis er – zu spät – zurückkehre.